Der Garten auf dem Hause
Alles strebt nach Luft und Licht, und je mehr diese Hauptbedingungen für Menschen und Pflanzen fehlen, desto größer ist die Sehnsucht darnach. In größeren Städten älterer Bauart, aber auch in neuen Stadttheilen, wo Handel und Gewerbe sich zusammendrängen und das Licht nur durch schmale Oeffnungen in enge Höfe dringt, ist dieses Bedürfniß am größten.
Kein Wunder, wenn die Sage von den Dachgärten Italiens, welche in Wahrheit dort auch zu den Seltenheiten gehören, uns zur Nachahmung reizt. Unserer Zeit, die neben großen Bauwerken so viel Praktisches in bürgerlichen Einrichtungen leistet, namentlich so vervollkommnete Mittel zu wasserdichtem Abschluß kennt, ist es vorbehalten, die jetzt nur als seltene Ausnahme bestehenden Gartenplätze auf Gebäuden allgemeiner zu machen. Durch sie wird es möglich, aus der Enge dunkler Gassen und Höfe dem holden Lichte näher zu kommen und über den Dächern eine reinere Luft in grüner Umgebung zu athmen. Welche Wohlthat dies für die Familie werden kann, bedarf nur dieser Andeutung. Aber auch der gesellige Verkehr wird dadurch gewinnen. Man wird nicht nur neue Dachnachbarn bekommen, sondern es werden sich auch im Sommer Restaurationsräume aus den dunklen Unterräumen zur lichten Höhe ziehen.
Eine Technik, welche aus engen winkligen Höfen prunkvolle Restaurationshallen schuf, wird auch auf den Dächern im Bauen mit Schwalben und Störchen rivalisiren können. Wir wollen uns zwar über diese luftigen Anlagen keine Illusionen machen – sie werden noch lange vereinzelte Erscheinungen bleiben; aber das Beispiel weniger Dachgärten wird viele andere nach sich ziehen.
Bereits giebt es hie und da gelungene Anlagen. In Berlin hat man mehrere Dachgärten, unter denen der des Maurermeisters Rabitz (abgebildet in der Leipziger Illustrirten Zeitung Nr. 1316 im Jahre 1868) auch als Modell auf der Pariser Weltausstellung war. Häufig waren Dachgärten im alten Rom, als dort Theuerung von Grund und Boden und die Größe der Stadt nur den Reichsten Gärten im Freien gestattete. Seneca spricht von „Wäldern auf den Dächern“. Die Orangen-, Obst- und Lorbeerbäume standen meist in Thon- oder Bleigefäßen, waren aber im Boden eingelassen. Fischbehälter und Käfige mit seltenen Vögeln fehlten fast nie. Wir besitzen ganz genaue Beschreibungen, wie solche Gärten beschaffen waren und wie die Wasserdichtigkeit bewirkt wurde, wollen uns aber dabei nicht aufhalten, da wir in dieser Beziehung die Alten überflügelt haben. Die niedrige massive Bauart der Römer war solchen Anlagen sehr günstig, aber ihre Isolirstoffe für das Wasser waren mangelhaft. In späterer Zeit erlangte der Garten eines Fürstbischofs von Passau großen Ruf. Derselbe war zum großen Theil auf einem zweistöckigen, bewohnten und mit vielen Fenstern versehenen Unterbau angelegt. Das königliche Residenzschloß zu München hat ebenfalls einen Dachgarten in modern italienischem Stil, indem dort eine ansehnliche Orangerie aufgestellt wird. Ganz ähnlich ist das Orangeriegebäude in Versailles von dem großen Terrassenplatze vor dem Schlosse überdeckt.
[377] Als Urbild solcher Gärten sind wohl die sogenannten schwebenden Gärten der Semiramis in Babylon zu betrachten, welche großen Reiz auf die Phantasie aller Zeiten geübt haben. Schon das Grabmal des Kaisers Augustus in Rom war eine Nachahmung, denn es bestand aus einem runden thurmartigen Baue, dessen Terrassen mit Bäumen bepflanzt waren.
Man hat sich diese Gärten einfach als Terrassen zu denken, nur mit dem Unterschiede, daß der untere Raum hohl ist. Stehen auch der Einrichtung der Dachgärten bei unserer Bauart und im deutschen Klima viele Hindernisse entgegen, so lassen sie sich doch häufiger anbringen, als man vielleicht glaubt, und die moderne Bauart ist denselben entschieden günstig. Wo und wie solche Gärten anzubringen sind, hängt ganz von der Oertlichkeit ab. Der günstigste Fall ist jedenfalls der, wenn ein gewölbter Unterbau vorhanden ist oder zu häuslichen oder technischen Zwecken gebaut wird.
Hier hat die Anlage nicht die geringste Schwierigkeit, und man hätte nur über den Gewölben eine die Feuchtigkeit abhaltende Lage von Asphalt oder anderen wasserdichten Stoffen anzubringen. Die Casematten und bombenfesten Gebäude in Festungen zeigen in einfachster Weise, wie Gärten sich auf festen Gebäuden befinden können. Auch bei anderen massiven Gebäuden hat es bei den gegenwärtigen technischen Hülfsmitteln keine Schwierigkeiten, den Unterbau gegen die durchdringende Feuchtigkeit zu schützen; die Bauverständigen werden deshalb nicht in Verlegenheit kommen. Ich will darum keine Anleitung, sondern nur Andeutungen geben.
Bleiplatten würden sich am besten zur Abhaltung der Feuchtigkeit eignen; Blech schützt nicht genug; es hat stets für das Auge nicht bemerkbare Stellen, welche Wasser durchlassen, besonders Zinkblech, welches in solchen Fällen am meisten verwendet wird. Steinplatten auf Balkenlagen in Cement gelegt haben sich nach meiner Erfahrung nicht bewährt; denn nach noch nicht zehn Jahren war die Balkenlage darunter vollständig verfault. Gut getheerte Dachpappe hält man für hinreichend schützend; doch möchte ich nicht dazu rathen, da ein solcher Versuch leicht teuer zu stehen kommen könnte. Guter Cement- oder Asphaltguß, auf untergelegte getheerte Blechbedeckung oder über Gewölben unmittelbar auf die Füllsteine gebracht, wird wohl auch genügende Sicherheit gewähren. Als besonders geeignet wird der sogenannte vulcanische Cement für „Naturdächer“ des Maurermeisters Rabitz in Berlin gerühmt. Vor fünf Jahren kostete davon der Quadratfuß nur zwei und einen halben Groschen, also etwa halb so viel als Zinkblech. In jedem Falle muß für Abzug des Wassers nach den Seiten gesorgt werden.
Will man auf einem leichten Holzbaue einen Dachgarten anbringen, so kann es nur eine Art von Balcon sein, indem man über dem flachen Dache ein Gerüst von Holz oder noch besser von Eisen und darauf einen großen Balcon anbringt. Der Eingang zu dem Dachgarten darf, wenn er nicht in gleicher Höhe mit den Wohnräumen liegt, so daß man ihn wie einen Balcon betreten kann, nur wenig höher oder tiefer liegen; denn wenn man ihn nur auf hohen Treppen erreichen kann, so wird der Genuß beschwerlich. Das wird aber selbst die Parterrebewohner nicht abhalten, die Genüsse des Dachgartens aufzusuchen. Wie die Zugänge einzurichten sind, wenn der Dachgarten eine andere Lage hat, hängt ganz von der Oertlichkeit ab. Am häufigsten wird man niedrigere Nebengebäude zu Dachgärten benutzen.
Da in den meisten Fällen große Pflanzen in Gefäßen aufgestellt werden müssen, so ist bei der Neuanlage darauf Rücksicht zu nehmen, daß diese leicht aus dem Winterlocale auf den Dachgarten und zurück gebracht werden können, was bei engen Treppen mittels eines Flaschenzugs von außen geschieht.
Liegt der Dachgarten nicht auf einer gegen Wind geschützten Stelle, so ist es nothwendig, nach der Windseite Schutzwände zu errichten, welche am Sitzplatz die Seite einer Laube bilden können. Ist die Aussicht nach dieser Seite angenehm, so würde eine Glaswand, im Gegentheil eine gut schließende Bretterwand anzubringen sein. Die Aussicht vom Dachgarten kommt bei der Einrichtung überhaupt sehr in Betracht. Denn ist diese angenehm, so werden die Seiten nur von einem zum Schutz hinreichenden Geländer umgeben; geht aber die Aussicht auf häßliche Höfe und Dächer, so muß sie durch ein hohes mit Schlingpflanzen bekleidetes Geländer den Augen entzogen werden. Dies schließt jedoch einige Schaulöcher oder eine offene Seite nicht aus. Dieselben Maßregeln sind auch in Bezug auf die Nachbarschaft zu ergreifen. Mißfällt diese, so sondert man sich durch eine Wand von Schlingpflanzen ab.
Ueber die Einrichtung eines Dachgartens läßt sich nur für einzelne Fälle Bestimmtes angeben. Im Allgemeinen muß sie einfach sein, denn es handelt sich nicht sowohl um einen kunstvollen Garten, als um einen grünen, mit Blumen geschmückten, dabei beschatteten Platz im Freien. Wird ein großes gewölbtes Gebäude zum Gartenplatz bestimmt, so kann man einen regelmäßigen Prachtgarten ganz wie auf der Erde anlegen. Wird fünf bis sechs Fuß hoch Erde aufgefüllt, was bei Gewölben an den Seiten leicht der Fall sein kann, während die Mitte nur zwei Fuß Erde hat, so kann man verschiedene Bäume und eine förmliche Allee pflanzen, und ich rathe in diesem Falle zu Linden, Spitzahorn und Akazien, da diese bei Trockenheit die Blätter am besten halten. Aber dies würde mehr seltsam als schön sein; man lasse sich daher lieber an einigen kleinen Bäumchen genügen und stelle den Schatten durch eine schöne ringsum laufende Veranda her. Die Einfassung sei eine steinerne Balustrade, mit Vasen verziert, oder ein Eisengeländer auf stärkeren Pfeilern (Zinnen), welche zur Aufnahme von Blumen ausgehöhlt sind. Das Innere des Gartens sei reich geschmückt, denn hier ist der Ort, wo der Luxus des Gartens mit dem des Hauses verbunden werden kann. Hat die Wohnung eine Wasserleitung, wie jetzt überall in großen Städten, oder sind Dampfmaschinen bei einer Fabrik thätig, so läßt sich in dem Dachgarten sogar ein Springbrunnen ohne großen Aufwand herstellen. Es ist jetzt gar nicht ungewöhnlich, das Wasserreservoir für die Springbrunnen des Gartens im Wohnhause selbst und zwar auf der höchsten Stelle anzubringen. Wo das geschehen kann, steht natürlich der Einrichtung von Wasserkünsten jeder Art in dem Dachgarten nichts im Wege. Selbst das gesammelte Dachwasser von höheren Gebäuden kann in manchen Fällen zu diesem Zwecke benutzt werden.
Auch der Garten auf dem nicht gewölbten massiven Gebäude gestattet eine Einrichtung, welche sich von anderen kleinen Gärten fast nicht unterscheidet. Es möchte aber hierbei zu bedenken sein, ob die Decke eine Erdmasse von zwei Fuß Stärke unmittelbar tragen kann und ob nicht ein Rost von Eisen darüber nothwendig ist, auf welchen erst die Erde zu liegen kommt. Die Blumenbeete und der kleine Rasenplatz bekommen am besten die Form von Kästen und können wirkliche Kästen sein.
Die Erde für Dachgärten muß stets etwas lehmig sein, damit sie weniger schnell austrocknet, mag sie nun unmittelbar aufliegen oder sich in Kästen befinden. Ferner muß das starke Austrocknen durch Bedecken der Oberfläche mit Moos, kleinen Tuffsteinen, farbigem Sand etc. vermindert werden. Auf den Grund bringe man erst eine sechs Zoll starke Schicht von Tuffsteinen oder anderen porösen Steinen, mit Moos vermischt, welche den Abzug des überflüssigen Wassers bei Regen leichter machen, bei Trockenheit aber die Feuchtigkeit lange erhalten und nach oben wieder abgeben. In kleinen Kästen wird die Erde alljährlich im Frühling erneuert, in großen nur zuweilen. Die Nährkraft wird durch Untermischung von Düngstoffen, besonders Hornspähnen, erhalten. Von der größten Wichtigkeit ist die Herbeileitung des Wassers bis an den Garten.
Zu diesem Zwecke muß, wenn kein Wasserreservoir für Springbrunnen vorhanden ist, alles Regenwasser von den Dächern aufgefangen und in mehrere neben dem Garten angebrachte Gefäße geleitet werden. Die Gesträuche, Schlingpflanzen und kleinen Bäume werden entweder wie andere im Garten gepflanzt oder in Kästen gezogen. Schlingpflanzen suche man von unten herauf zu leiten, muß sie aber in höheren Lagen in Kästen ziehen.
Ist der Garten größer, so müssen solche Schlingpflanzen vorherrschen, welche auch im Winter stehen bleiben können, und es vertragen mehrere, z. B. der bekannte wilde Wein, ein vollständiges Durchfrieren der Erde in Kästen ohne Schaden.
Kleinere Dachgärtchen wird man wohl meistens mit solchen Pflanzen ausschmücken, welche im Winter frostfrei aufbewahrt werden, als Orangen, Myrthen, Kirschlorbeer, Aucuba, Alpenrosen, Cypressen etc. Die meisten genannten und viele andere [378] schöne grüne Pflanzen vertragen eine Kälte von sechs Grad, können also von Anfang April bis Anfang November im Garten stehen und begnügen sich im Winter mit einem Keller. Sehr zu empfehlen sind auch die Fächer- und Drachenpalmen, welche man im Winter zur Zimmerzierde benutzt. Will man nur im Sommer dauernde Schlingpflanzen benutzen, so werden diese so aufgezogen, daß sie im Mai schon etwas groß sind. Hier giebt es keine schönere und zweckmäßigere als die schnellwachsende Pilogyne. Ich wüßte von den beliebtesten Gartenblumen kaum einige, welche man nicht in Dachgärten ziehen könnte. Rosen, Levkoyen, Reseda, Petunien, Sommerphlox etc. dürfen nicht fehlen; doch empfiehlt es sich, die wenigen vorhandenen Beete vorzugsweise mit Topfpflanzen zu besetzen, als Fuchsien, Heliotrop, Scharlachpelargonien, Verbenen etc. Sehr viel Wasser liebende Blumen muß man entbehren.
Kann man auf balconartigen Dachgärten kein Erdbeet anbringen, so stelle man die Töpfe wenigstens in Kästen zwischen Moos, damit man sie nicht sieht und sie weniger stark austrocknen.
An guten, wenigstens anhaltend guten Rasen ist auf dem Dache nicht zu denken. Die grünen Plätze, welche man zur Abwechselung mit Blumen wünscht, müssen daher aus Sedum gebildet werden, welches ungeheure Trockenheit verträgt. Im Schatten erfüllt Epheu diesen Zweck noch schöner.