Textdaten
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Autor: Elfried von Taura
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Titel: Der Fall Freibergs
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 273–274
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[273]  Der Fall Freibergs.[1]

Was schimmert auf dem Berge im goldnen Sonnenlicht?
Was ist’s, das aus dem Walde, dem dunkeln, quillt und bricht?

Seht ihr die Panzer blitzen, der Helme Büsche weh’n?
Ist solch ein reisiger Zug nicht hochherrlich anzuseh’n?

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Das sind Herrn Friedrich’s Mannen, die zieh’n zur Hülf’ heran;

Der Markgraf hoch zu Rosse führt selbst die Seinen an.

Zu spät! Zu spät! Herr Markgraf! Verloren ist die Stadt,
Nicht durch der Bürger Zagheit, durch tückischen Verrath!

So tritt dem Greis entgegen ein Greis im Silberhaar,

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Wer weiß, ob’s nicht Herr Weighart, der Bürgermeister war!


Zwar hält der edle Haugwitz die Burg noch unversehrt,
Und sie entsetzen wäre fürwahr der Mühe werth;

Doch schwöll’ im Nu auch zehnfach jetzt Euer Streitheer an,
Ihr könntet sie nicht retten mit zwanzigtausend Mann.

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Auch kann sie sich noch halten nur weniger Tage Frist,

Weil sie von aller Nothdurft beinah’ entblößet ist.

Dazu hat König Adolf den Schwur gen uns gethan:
Bei längerm Trutz soll sterben die Burgwehr Mann für Mann;

Und sollen alle Häupter der Stadt ihr folgen nach,

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Soll treffen alle Glieder noch nie erhörte Schmach.


Doch wenn die Burg bis morgen sich giebt in seine Macht,
So will in Gnade wandeln er die verhängte Acht.

Und dennoch trotzt Herr Haugwitz und will nicht geben sich,
Es sei denn, Ihr beföhlt es, Herr Markgraf Friederich –

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Ja freilich, wohl befehl’ ich’s, wenn so die Sache steht –

Gott sei dem Sünder gnädig, der’s also hat gedreht!

Mein Freiberg ist gefallen, die Perl’ aus meiner Kron’,
Was hätt’ ich von der Burg noch für Ehre und für Lohn?

Ja, jeder Tropfen Blutes, den sie noch kostete,

30
Fiel’ auf mein Schild, daß Niemand es mehr entrostete.


Mein Stern hat sich verhüllet, Gott hat es so gewollt;
Er kann auch wieder lassen ihn glüh’n wie Sonnengold.

Nimm diesen Ring, mein Alter, bring’ Haugwitz den Befehl:
Ich bind’ ihm auf die Seele auch des Geringsten Seel’;

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Gen ehrenvollen Abzug und Gnad’ für jeden Stand

Geb’ er, der Ehrenfeste, die Burg in Adolf’s Hand.

Geh’, grüß mir alle Bürger, bring’ ihnen meinen Dank,
Ich will der Treuen denken in Lieb’ mein Leben lang.

Da sinkt in seine Kniee der silberlockige Greis,

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Und Thränenbäche rollen ihm von der Wange heiß.


Er schluchzt: mag Jener brüsten mit seiner Herrschaft sich –
Ihr herrscht in unsern Herzen, Herr Markgraf, ewiglich.

Der Markgraf hat geschüttelt dem Biedermann die Hand,
Und dann mit nassen Augen sich von ihm abgewandt,

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Und hat emporgeschauet, gemurmelt in den Bart:

Auch das muß sein ertragen – doch hart ist’s, Vater, hart.

Zum Rückzug fällt das Zeichen, die Schaar schwenkt in den Wald,
Zurück mit seiner Botschaft der Greis gen Freiberg wallt.




Und noch ist’s nicht verloren mein werthes Meißenland,

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Gehst du mit deiner Lausitz, mein Diezmann, mir zur Hand,


Und steht ihr edlen Herren, bisher so standhaft treu,
Auch ferner mir in Treuen nach euern Kräften bei.

Noch blieb mir manche Feste im Herzen meiner Mark,
Noch stehen Grimma, Rochlitz und Leisnig stolz und stark.

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Drum nicht verzagt, ihr Herren, Gott kann es wenden bald,

Ein jähes Ende nimmt oft tyrannische Gewalt.

So klang Herrn Friedrich’s Rede im hohen Fürstensaal
Auf seiner Burg zu Meißen nach frohgenoßnem Mahl.

Sie klang in vieler Edlen, von ihm Geladnen Kreis –

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Da trat herein ein Bote, bedeckt mit Staub und Schweiß.


Was ist das für ein Rabe? denn eine Taub’ ist’s nicht,
Ihm steh’n des Unheils Lettern zu deutlich im Gesicht! –

Ja Unheil, mehr als Unheil, Herr Markgraf, trägt mein Mund,
Säh’ lieber ihn verschlossen seit meiner ersten Stund’.

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Den Frevel ohne Gleichen, That, die zum Himmel grinst,

Schwarz, wie des Abgrunds Münzer noch keine ausgemünzt;

Die Sonne, Mond und Sterne verfinstert grauenvoll,
Ist’s was mein armer Mund Euch, Herr Markgraf, künden soll.

Ihr wißt, wie sich Herr Haugwitz, als Freiberg unterlag,

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Auf Eurer Burg gehalten noch manchen heißen Tag,


Und wie nur Euerm Willen er endlich gab Gehör:
Mit Ehren aufzugeben fruchtlose Gegenwehr.

Mit Freuden gab der Kaiser sein Wort zum Unterpfand,
An keiner jener Tapfern zu legen Hand noch Band.

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So thut denn ohne Zögern sich nun das Burgthor auf,

Und arglos zieht zum Marktplatz der kleine Heldenhauf,

Stolz, wie’s für Unbesiegte und Freie sich gehört,
Doch ach vom grimmen Nothwolf zu Schatten abgezehrt.

Die Ihren strecken schluchzend die treuen Arme aus,

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Sie an ihr Herz zu schließen, sie leiten froh nach Haus.


Da fährt, wie Geier fahren auf sanfte Taubenbrut,
Gen sie ein Schwabenhaufe, im Blicke Schergenmuth;

Reißt von der Gattin Busen den Gatten mitleidsbar,
Aus seines Kindes Armen den Greis im Silberhaar;

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Und schleppt sie ohn’ Erbarmen zum Kerker alsogleich –

Und auf Befehl des Kaisers geschah der Bubenstreich.

Empört, Ihr könnt’s Euch denken, war jegliches Gefühl –
Doch war dies nur das Vorspiel zum ganzen Heldenspiel.

Denn als wir heute kaum noch begrüßt das Tageslicht,

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Durchfuhr wie eine Schlange die Straßen das Gerücht:


Es seien sechzig Häupter von jener Höllenwacht
Und zwar die edelsten, gefallen in der Nacht.

Und was wir schaudernd hörten und doch nicht glaubten dann,
Es ward nach wenig Stunden, uns offen kundgethan.

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Zum warnenden Exempel, so hieß es, und mit Fug

Sei an den Hochverräthern vollzogen solch ein Spruch;

Und also sei des Kaisers ausdrückliches Gebot,
Daß alle die Gefangnen erlitten gleichen Tod;

Dafern in dreien Tagen sie nicht die Ihrigen

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Mit vielen tausend Marken fein Silber löseten.


Doch da nun solch ein Lösgeld uns unerschwinglich ist,
So werden die drei Tage zur leeren Galgenfrist – –

Mit Nichten! fällt der Markgraf dem Boten in das Wort,
Nicht Einer mehr soll sterben – ich löse sie sofort!

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Und müßt als Wanderritter aus meinem Land ich geh’n,

Ich will die treuen Männer dem Tod entrissen seh’n!

Auf, ehrenwerthe Herren! Wer will mein Bote sein? –
Gleich meldet sich ein Schönberg samt dem vom Kriebenstein.

Die jagen mit der Botschaft zum Kaiser alsofort –

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Doch dieses war des Grimmen so erst als letztes Wort:


Es trifft die Hochverräther das tödtliche Gericht,
Der Herr Wettiner leiste denn auf die Mark Verzicht! –




Und Friedrich hat gelöset mit deutscher Treu’ sein Wort:
Er zog aus seinem Lande als Wanderritter fort.[2]

  1. Wir entnehmen dieses Gedicht dem größern Epos von Elfried von Taura, welches so eben unter dem Titel: „Friedrich der Freudige“ zum Besten der Nothleidenden im sächsischen Erzgebirge in Freiberg erschienen ist. Der Dichter, selbst ein Erzgebirger und bekanntlich augenblicklich noch Staatsgefangener, feiert in diesem Liede, das viel Schönes enthält, den wackern Fürsten und gleichzeitig seine armen Landsleute, für die er selbst im Gefängniß noch schaffen und helfen möchte.
  2. Es ist dies vielleicht einer der großartigsten Züge, welche die Geschichte von den Gewaltigen dieser Welt aufzuweisen hat. Wie erhaben steht durch diesen einen Zug unser Held über den Eroberungsfürsten Friedrich II. und Napoleon, die Millionen Menschen ihrer Herrsch- und Ruhmgier opferten, während jener, um wenige Menschenleben zu retten, seinen angestammten Landen entsagte und arm und bloß in die Fremde wanderte.