Der Einzug des Reichsverwesers in Frankfurt a. M

Textdaten
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Autor: J. P.
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Titel: Der Einzug des Reichsverwesers in Frankfurt a. M.
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 405, 410
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Datei:Die Gartenlaube (1898) b 0405.jpg

Der Einzug des Reichsverwesers in Frankfurt a. M.
Nach einer gleichzeitigen Lithographie gezeichnet von Fritz Bergen.

[410]

Der Einzug des Reichsverwesers in Frankfurt a. M.

(Zu dem Bilde S. 405.)

In der Chronik des Jahres 1848 steht der 11. Juli als ein glänzender Festtag verzeichnet. An diesem Tage hielt der von der Nationalversammlung zum Reichsverweser erkorene Erzherzog Johann seinen Einzug in die alte Kaiserkrönungsstadt am Main. Wieder prangten die Straßen und Plätze derselben in dem strahlenden Festgewand, in welchem sie am 18. Mai den Zusammentritt des Parlaments in der Paulskirche begrüßt hatte; Glockengeläut und der Donnergruß der Kanonen vereinigten sich mit dem Jubel des Volks zum Ausdruck der freudigen Hoffnungen, welche die ganze Nation an dieses Ereignis knüpfte.

Gleich in den Anfängen ihrer Thätigkeit hatte die Nationalversammlung das Bedürfnis nach einer provisorischen Centralgewalt empfunden, die an Stelle des vielköpfigen Bundestags bis zur Herstellung des neuzubegründenden Reichs die Beschlüsse des Parlaments vollziehen und die allgemeinen Angelegenheiten der Nation gegenüber den Einzelstaaten und dem Ausland vertreten sollte. Die Linke wollte dafür einen Vollziehungsausschuß mit einem verantwortlichen Präsidenten; die Majorität des für die Frage eingesetzten Ausschusses sprach sich dagegen für ein von den Regierungen zu erwählendes „Bundesdirektorium“ aus, das aus drei Deutschen von fürstlicher Herkunft bestehen sollte; den Erzherzog Johann von Oesterreich, den Prinzen Karl von Preußen und den Herzog Ernst von Sachsen-Koburg hatte man dafür im Auge. Da that Heinrich v. Gagern am 24. Juni den „kühnen Griff“ und nahm die Wahl der provisorischen Centralgewalt für das Parlament selbst in Anspruch. Er gewann damit eine bedeutende Majorität für seinen weiteren Vorschlag, statt eines Triumvirats nur einen Mann mit der Centralgewalt zu betrauen, und zwar die beliebteste und volkstümlichste der genannten drei Fürstlichkeiten, den Erzherzog Johann, „nicht weil, sondern obgleich er ein Fürst“ sei. Am 29. Juni erfolgte die Wahl: bei derselben fielen 32 Stimmen auf Adam v. Itzstein, 52 auf Heinrich v. Gagern, 436 auf Johann von Oesterreich. Unter dem stürmischen Beifall der Versammlung und der Galerien proklamierte dann Gagern als Präsident in der Paulskirche den Erzherzog zum „Reichsverweser über Deutschland“. „Er bewahre,“ rief er, „seine allezeit bewiesene Liebe zu unserm großen Vaterlande; er sei der Gründer unserer Einheit, der Bewahrer unserer Volksfreiheit, der Wiederhersteller von Ordnung und Vertrauen!“

Die außerordentliche Popularität, deren sich der Gewählte damals in so hohem Grade erfreute, wurzelte mehr in Gemütssympathien, die das Volk seiner Persönlichkeit entgegentrug, als in dessen eigenen Verdiensten. Der jetzt Sechsundsechzigjährige war der jüngste Bruder des regierenden Kaisers Ferdinand. Als Feldherr gegen Napoleon hatte er nur wenig Siege errungen; daß er aber die wenigen Siege gerade in Verteidigung seines geliebten Tirolerlands gewonnen, war ihm unvergessen geblieben. Sein leutseliges Wesen, seine Vorliebe für die deutschen Erblande der Monarchie, seine Verdienste um Verbreitung und Hebung der deutschen Kultur in Oesterreich hatte die Volkstümlichkeit seines Namens erhöht. Stärker aber wirkte dahin noch seine Liebesheirat mit einer Bürgerlichen, der schönen Postmeisterstochter Anna Plochl von Aufsee, und die Ungnade, in die er durch diese Ehe am Hofe des kaiserlichen Bruders geriet. Die Gegnerschaft, mit der ihn Metternich bedachte, der Trinkspruch, den er zu dessen Aerger 1842 als Gast Friedrich Wilhelms IV nach der Kölner Dombauweihe ausgebracht hatte: „Kein Oesterreich, kein Preußen – ein einiges Deutschland!“, richteten die Blicke der liberalen Patrioten auf ihn als einen Bundesgenossen. Als dann die Märzbewegung ihre Flutwelle gegen die Wiener Hofburg schlug, erfüllte er reichlich diese Erwartungen; gegen den Widerstand der anderen Erzherzöge hatte er den Sturz Metternichs durchgesetzt und den altersschwachen Kaiser für die Forderungen des Volks günstig gestimmt. Dem Vertrauen, das ihm nunmehr in den weitesten Volkskreisen von ganz Deutschland entgegengebracht wurde, entsprach jetzt die günstige Aufnahme der Deputierten des Frankfurter Parlaments, die dem in Wien Weilenden die Würde des Reichsverwesers antrugen. Erzherzog Johann folgte sofort dem Rufe, und am 11. Juli nachmittags 6 Uhr traf der mit freudiger Spannung von Tausenden Erwartete in Frankfurt ein.

„Es war kein Zusammenströmen, es war ein Rennen und Sichdrängen auf allen Straßen von allen Seiten her nach Frankfurt hinein, um den Einzug des Erzherzogs mit anzusehen. Keine Kaiserkrönung hat je so viele Tausende in der Mainstadt versammelt.“ So berichtet ein Augenzeuge, W. Zimmermann, von der Linken der Paulskirche.

Den reichgeschmückten Weg vom Allerheiligenthor, durch welches Johann, von Hanau kommend, einfuhr, bis zum „Russischen Hof“ in der Zeil, wo er vorläufig abstieg, umsäumte ein breites Spalier, gebildet von der Linienbesatzung und der Bürgerwehr in Galauniform, an die sich die Innungen der Stadt mit ihren Fahnen und Abzeichen schlossen, von denen manche schon bei vielen Kaiserkrönungen gesehen worden waren. Ein Teil der berittenen Bürgerwehr war mit dem Empfangsausschuß des Parlaments vor das Thor gezogen, von wo sie dann den Wagen des Reichsverwesers durch die Stadt eskortierten. Dieser Galawagen, den die Stadt Frankfurt gestellt hatte, war von sechs reichgeschirrten Pferden gezogen, Kutscher und Vorreiter hatten scharlachrote Livreen. Neben dem Erzherzog, der die schlichte hellgraue Felduniform eines österreichischen Generals trug, saß der Abgeordnete von Andrian, der Vicepräsident der Nationalversammlung, welcher zu den Deputierten gehörte, die den Erzherzog von Wien geholt hatten. Der Jubel, der den Einziehenden umrauschte, wollte kein Ende nehmen. Aus den Fenstern der Häuser regneten Blumen, Kränze auf den betagten Fürsten herab, der, mit treuherzigem Lächeln auf den Lippen, nicht müde wurde, zu grüßen und zu danken. Wiederholt mußte der Wagen halten zur Entgegennahme einer Ansprache, eines Ehrentrunks aus der Mitte des Volkes… Wer hätte damals geahnt, daß zwei Monate später auf denselben Straßen sich Barrikaden erheben würden, errichtet von verzweifelten Volksmassen, welche sich in ihren auf Parlament und Reichsverweser gesetzten Hoffnungen bitter betrogen fühlten? J. P.