ADB:Andrian-Werburg, Victor Freiherr von

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Andrian Werburg, Victor Freiherr von“ von Franz Philipp von Sommaruga in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 451–452, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Andrian-Werburg,_Victor_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 16:00 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Andrieszoon, Jan
Band 1 (1875), S. 451–452 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Victor Franz von Andrian-Werburg in der Wikipedia
Victor Franz von Andrian-Werburg in Wikidata
GND-Nummer 11631012X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|1|451|452|Andrian Werburg, Victor Freiherr von|Franz Philipp von Sommaruga|ADB:Andrian-Werburg, Victor Freiherr von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11631012X}}    

Andrian: Victor Freiherr von A. Werburg, geb. im Görzischen, 17. September 1813, † in Wien 25. November 1858. Entsprossen aus einem altadeligen tirolischen Geschlechte, dessen Stammschloß A. am südlichen Ausgange des Etschthales noch heute den Blick fesselt, widmete sich A., nach in Wien zurückgelegten Rechtsstudien, dem Staatsdienste, indem er im J. 1834 in die Dienstleistung bei dem Gubernium in Venedig eintrat und von da ziemlich rasch zum Secretär bei dem Gubernium in Mailand in unmittelbarer Nähe des E. H. Viceköniges vorrückte. Der stete Verkehr mit den höchsten Gesellschaftskreisen und mehrfache Reisen nach dem Auslande entwickelten in ihm frühzeitig einen Antagonismus gegen das herrschende System und eine Vorliebe für die im Auslande, namentlich in England, beobachteten freieren Institutionen. Dieser Ideenrichtung entsprach die von ihm im J. 1841 anonym veröffentlichte Flugschrift „Oesterreich und dessen Zukunft“ (in 3. Auflage 1843), in welcher er die Unhaltbarkeit des bisherigen bureaukratischen Regierungssystems schlagend nachwies und in einer freisinnigen Ausbildung der altständischen Provinzialverfassungen, in der Schaffung einer Reichsvertretung, sowie in einer gründlichen Reform der gesammten inneren Gesetzgebung das Heil für Oesterreich suchte. Diese Schrift, die bei der damaligen allgemeinen geistigen Erstarrung, namentlich mit Rücksicht auf die sociale Stellung des Verfassers ein ganz ungewöhnliches Aufsehen erregte, begründete Andrian’s publicistischen Ruf weit über die Grenzen Oesterreichs hinaus, machte aber andererseits auch seine Stellung im öffentlichen Dienste unhaltbar. Im J. 1846 zog er sich ganz vom Staatsdienste zurück und übersiedelte nach Wien, wo er im Verein mit der Fortschrittspartei im Schoße der niederösterr. Stände seinen Reformgedanken praktische Folgen zu geben sich bestrebte. Aus diesen fortgesetzten Berührungen entsprang der von ihm im J. 1847 erschienene zweite Theil obiger Schrift, die zugleich als das Actionsprogramm der damaligen Landstände Niederösterreichs betrachtet werden kann. Nach dem Ausbruch der Märzbewegung 1848 ward A. von den niederösterr. Ständen als Vertrauensmann zum deutschen Vorparlament entsendet, und von diesem in den fünfziger Ausschuß gewählt. Im April 1848 wählte ihn der Bezirk Wiener-Neustadt zum Abgeordneten zur deutschen Nationalversammlung in Frankfurt a. M., als deren Vicepräsident und Mitglied des Verfassungsausschusses er bis zum Sommer 1848 fungirte. Als deutscher Reichsgesandter nach London geschickt, kehrte er von da auf den Wunsch des Ministeriums Gagern zur Zeit der Berathung über die §§. 2 und 3 der Reichsverfassung nach Frankfurt zurück, in welcher er im Einklange mit dem späteren Kremsierprogramm des österreichischen Ministeriums den Standpunkt eines völkerrechtlichen Anschlusses Österreichs an Deutschland vertrat. Im Mai 1849 trat A. mit der Mehrzahl der übrigen österreichischen Abgeordneten aus der Versammlung aus, und kehrte sodann im Sommer nach Wien zurück. Einen Antrag Bach’s zum Wiedereintritt in den Staatsdienst [452] lehnte er ab, und zog sich ganz in das Privatleben zurück. Im J. 1850 veröffentlichte A. seine Gedanken über die österreichische Märzverfassung in einer weiteren Flugschrift „Centralisation und Decentralisation in Oesterreich.“ Er verlangte darin, im Einklang mit den Anschauungen der altconservativen Partei, mit deren Führern er enge befreundet war, volle Autonomie der einzelnen Länder in Betreff der gesammten inneren Verwaltung und der darauf bezüglichen Gesetzgebung, sowie der directen Besteuerung, Verantwortlichkeit der Statthalter gegenüber den einzelnen Landtagen, letztere nach dem Zweikammersystem gebildet, und selbst mit dem Rechte eines aufschiebenden Veto gegenüber dem Reichstage ausgestattet etc., mit einem Worte: den ganzen Apparat einer Föderativverfassung, wie solche selbst in dem im J. 1860 nachgefolgten October-Diplom nur ganz unvollkommen ihren Ausdruck gefunden hat. Mit dieser letzten Schrift schloß sich auch die publicistische Thätigkeit Andrian’s ab.

Nachdem er längere Zeit auf Reisen abwesend gewesen, trat er erst wieder im J. 1856 hervor, indem er durch Vermittelung Bruck’s Gelegenheit fand, sich bei mehreren neu geschaffenen industriellen Unternehmungen zu betheiligen. Den Sturz des Bach’schen Systemes, das er gründlich haßte, erlebte er nicht mehr, denn schon im Spätherbst 1858 raffte ihn ein Lungenleiden in der vollen Kraft seiner Jahre dahin.