Textdaten
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Autor: E. Meinhard
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Titel: Der Dortmund-Ems-Kanal
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 530–532
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Der Dortmund-Ems-Kanal.

Von E. Meinhard.


Vor einigen Jahrzehnten, als die westfälische Eisen- und Kohlenindustrie sich immer mehr entwickelte, trat in den Kreisen der Großindustriellen der „roten Erde“ das Bedürfnis nach künstlichen Wasserstraßen lebhaft hervor. Lange Zeit trug man sich mit dem Gedanken, die Hauptorte des niederrheinisch-westfälischen Industriebezirks mit den bedeutenderen Hafenplätzen der Nordsee Papenburg, Leer, Emden zu verbinden. Damit bezweckte man, durch billigere Frachtsätze einen besseren Wettbewerb mit den Erzeugnissen des Auslandes aufnehmen zu können und zugleich der heimischen Industrie, namentlich der Westfälischen Kohle, neue Absatzgebiete zu erringen. Dieser Gedanke fand seine Verwirklichung durch den Bau des Dortmund-Ems-Kanals, der am 17. April d. J. dem vorläufigen Betriebe übergeben werden konnte und in diesen Tagen feierlichst eröffnet werden soll.

Die Ueberführung des Kanals über die Lippe bei Olfen.
Nach einer photographischcn Aufnahme von E. Overhoff in Dortmund.

Wie schon der Name – Dortmund-Ems-Kanal – besagt, beginnt der Kanal bei der alten „Freien Reichsstadt“ Dortmund. Das Hafengebiet dieser Stadt, welches eine Größe von 157 ha hat, liegt im Norden derselben. Von diesem großen Gelände ist für den Ausbau des Hafens kaum die Hälfte gebraucht worden, so daß für spätere Erweiterungen, wie sie der gesteigerte Verkehr und der etwaige Bau des geplanten Mittellandkanals mit sich bringen dürfte, noch ungefähr 80 ha zur Verfügung stehen. Etwa 11/2 km von der Stadt entfernt geht der Dortmund-Ems-Kanal allmählich in den Hafen über. Von diesem sogenannten Kanalhafen breiten sich, wie unser Uebersichtsplan S. 531 zeigt, verschiedene Stichhäfen nach Osten und Westen aus. Der erste derselben ist der Petroleumhafen (in der linken unteren Ecke des Plans), der ganz im äußersten Norden liegt, und an dem die feuergefährlichen Güter ein- und ausgeladen werden sollen. Die beiden westlichen Hafenbecken (rechter Hand auf dem Plane) führen die Namen „Kohlen-“ und „Südhafen“. An dem Kohlenhafen ist ein mächtiger hydraulischer Kohlenkipper, der von der Firma Friedr. Krupp (Gruson-Magdeburg) erbaut wurde. Der südliche, [531] nach der Stadt gelegene Teil des Südhafens ist an das Eisen- und Stahlwerk „Union“ verpachtet, welches hier eine Schiffswerft und ein großes Erzlager mit einem elektrischen Laufkrahn, der zum Löschen und Beladen der Schiffe dient, errichtet hat.

Uebersichtsplan des Dortmunder Hafens.
Nach einem im Verlage der Hafenverwaltung erschienenen Plane für die „Gartenlaube“ photographiert
von E. Overhoff in Dortmund.

Nach Nordosten (linker Hand) geht dieses Hafenbecken in den Stadthafen über, an dem sich hauptsächlich der Umschlag der wertvolleren Stückgüter und der Güter, die unter Zollverschluß gehalten werden, vollziehen soll. Ueber den Stadthafen spannt sich eine mächtige Eisenbrücke, welche die Verbindung zwischen der „Union-Vorstadt“, einer Kolonie für Arbeiter und Beamten des Eisenwerks „Union“, und der Stadt herstellt. An den beiden Ufern des Stadthafens sind große Lagerhäuser erbaut, die mit den neuesten technischen Hilfs-Maschinen, elektrischen Aufzügen etc., versehen sind. Die sämtlichen Stichhäfen haben, wie der Kanal, eine Wasserspiegelbreite von 60 m und eine Mindesttiefe von 21/2 m.

Das ganze Hafengelände ist von einer Eisenbahn, die Anschluß an die Köln-Mindener Eisenbahn hat, durchzogen und an das städtische Wasser- und Elektricitätswerk angeschlossen. Die Gesamtkosten für Grunderwerb und Anlagen des Hafens betragen 63/4 Millionen Mark; zu diesen hat der preußische Staat 1 325 000 Mark beigesteuert.

Der Wasserspiegel des Dortmunder Hafens liegt 70 m höher als der Meeresspiegel der Nordsee bei Emden. Alle Schiffe, die zur Nordsee fahren, müssen daher die 70 m herabsteigen und auf dieser Strecke, die 271 km lang ist, 19 Schleusen und das große Schiffshebewerk durchfahren. Dasselbe (vergl. unsere nebenstehende Abbildung) liegt 16 km vom Dortmunder Hafen entfernt bei dem Orte Henrichenburg. Der Höhenunterschied zwischen dem Wasserspiegel des Kanals Dortmund-Henrichenburg und demjenigen der Kanalstrecke Henrichenburg-Münster beträgt 14 m. Für gewöhnlich darf die zu überwindende Höhe 5 bis 6 m nicht übersteigen; da an dieser Stelle aber, wie gesagt, der Höhenunterschied über 14 m beträgt, so mußte hier das Schiffshebewerk erbaut werden. Bei demselben fährt das Schiff in einen großen Wasserkasten, der in einer mächtigen, eisernen Brücke hängt und durch ein starkes Schraubengetriebe stets wagerecht geführt wird; er kann wasserdicht verschlossen werden. Durch das Heben und Senken („Auftrieb“) von großen eisernen Hohlkörpern, „Schwimmer“ genannt, auf welchen der Wasserkasten ruht, wird das Schiff nach oben beziehungsweise unten gebracht. Zum Antriebe des Schraubengetriebes, welches im Notfalle den Wasserkasten mit Inhalt (21/2 Millionen Kilogramm) in der Schwebe halten kann, dient ein hundertpferdiger elektrischer Motor, der in dem Häuschen auf der Brücke aufgestellt ist und seine Kraft aus einem Elektricitätswerke, das neben dem Schiffshebewerke erbaut ist, erhält.

Das Schiffshebewerk zu Henrichenburg.
Nach einer photographischen Aufnahme von H. Weeck in Dortmund.

Dieses Riesenwerk, an dem 4 Jahre gearbeitet wurde, fordert unsere Bewunderung heraus und erfüllt uns mit Stolz, denn hier feiern deutscher Erfindungsgeist und deutsche Arbeit ihre wohlverdienten Triumphe über die ausländische Konkurrenz: das Werk übertrifft sowohl an Größe und Umfang, als auch an technischer Vollendung alle ähnlichen Bauwerke des In- und Auslandes. Es ist von der bekannten Weltfirma Haniel und Lueg zu Düsseldorf unter Leitung des Oberingenieurs Gerdau erbaut worden.

Die Durchschleusung eines Schiffes wird etwa 20 Minuten dauern, so daß das Hebewerk täglich 30 bis 35 größere Schiffe bewältigen kann.

Von hier aus geht der Kanal 7,8 km nach Südwesten und erreicht vorläufig bei der aufblühenden Industriestadt Herne sein Ende. Auf dieser Strecke Herne-Münster ist keine Schleuse angelegt, die nächste befindet [532] sich 58 km vom Hebewerke entfernt, nördlich von Münster. Die Kanalstrecke Herne- beziehungsweise Henrichenburg-Münster ist die interessanteste. Hier hat die teilweise gebirgige Bodengestaltung der Gegend an die schaffende Hand und das berechnende Auge des Ingenieurs starke Ansprüche gestellt. Zahlreiche Brücken und Viadukte überspannen den Kanal in weitem Bogen, und ein wahres Meisterwerk deutscher Ingenieurskunst und Schaffenskraft der hier erbauten Uebergänge ist die Lippebrücke bei dem Städtchen Olfen (Rauschenburg). Diese Brücke, welche den Kanal über das Flüßchen Lippe führt (vergl. unsere Abbildung auf S. 530), ist 70 m lang und 15 m breit. Dicht an dieser Kanalbrücke, am Ufer der Lippe, liegt ein großes Pumpwerk, welches in jeder Minute 120 cbm Wasser aus der Lippe in den Kanal hebt. Eine ähnliche Brücke befindet sich ganz in der Nähe dieser ersteren, dicht bei der Stadt Olfen. Hier trägt das Bauwerk den Kanal über die Olfener Chaussee.

Unterhalb der Stadt Münster beginnt die sogenannte Mittelhaltung des Kanals, welche 37 km lang ist und bei Bevergern endet. Von hier aus soll sich später nach Osten der bereits erwähnte Mittellandkanal zur Elbe abzweigen. Nun folgt der Kanal auf einer kurzen Strecke dem Laufe der Ems und des alten Emskanals, um dann bei Oldersum – südlich von Emden – wieder in das Flutbett der Ems einzulenken. Bei der alten ostfriesischen Handelsstadt Emden erreicht er die Nordsee.

Bei Oldersum herrscht bereits Ebbe und Flut. Man hat deshalb, um die Kanalschiffe dem hier gefährlich werdenden Wellenschlage der breiten Ems zu entziehen, den Kanal nicht hier in das Meer geführt, sondern bis Emden einen 9 km langen Seitenkanal, der auch zugleich die Verbindung mit dem Ems-Jade-Kanal (Emden-Wilhelmshaven) herstellt, erbaut. Um es den Kanalschiffen des Dortmund-Ems-Kanals zu ermöglichen, sofort vom westfälischen Industriebezirk nach Wilhelmshaven zu fahren, was namentlich für unsere Marine von großer Wichtigkeit wäre, hat die preußische Regierung den Plan, den Ems-Jade-Kanal, der 1884/87 erbaut wurde, weiter auszubauen.

Auf dem Dortmund-Ems-Kanal sind alle baulichen Einrichtungen so getroffen, daß Schiffe von 62 m Länge, 8,2 m Breite, 1,75 m Tiefgang und 600 Tonnen Tragfähigkeit mit einer Geschwindigkeit von 5 km in der Stunde bequem verkehren können. Die Fahrzeit von Emden nach Dortmund dauert 4 Tage. Den Hauptverkehr auf dem Kanal vermittelt die „Westfälische-Transport-Aktiengesellschaft“, deren Sitz in Dortmund ist, und die auch die sämtlichen Anlagen des Emdener Hafens vom preußischen Staate auf 10 Jahre gepachtet hat.

Zu den Einfuhrartikeln, die über den Dortmund-Ems-Kanal in den niederrheinisch-westfälischen Industriebezirk gebracht werden, gehören vor allem Eisenerze, Gruben- und Nutzhölzer aus Schweden, Getreide und Mühlenfabrikate aus unsern östlichen Provinzen und Kolonialwaren. Von den westfälischen Industrieorten werden hauptsächlich Kohlen und Erzeugnisse der gesamten Eisenindustrie zur Nordsee befördert werden.

So hat die unter dem Zeichen des Verkehrs stehende Gegenwart wieder eines jener wichtigen Bindeglieder geschaffen, die bestimmt sind, die Hindernisse des Raumes zu beseitigen und die Nationen in Handel und Wandel einander zu nähern.