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Autor: Adolf Douai
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Titel: Der Convertit
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aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 247–250
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Berufsmäßiger Konvertit
Deutsch-amerikanische Lebensläufe, Nr. 1
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[247]
Deutsch-amerikanische Lebensläufe.
Von Adolf Douai.
1. Der Convertit.


Es ist nicht lange her, da saßen in New-York ein halbes Dutzend Deutsche um eine Flasche 1865er zusammen. Aus allen Enden und Ecken des weiten Unionsgebietes waren sie zufällig hier zusammengetroffen, denn New-York ist vor allen Städten der Welt diejenige, wo sich am Ende wieder Alles zusammenfindet, was getrennt und über die weite Welt verstreut war. Wie beim Kartenspiele am Ende eines Spieles die Trümpfe immer beisammen liegen, die dann der Kartengeber sorglich auseinandermischt, so führen Geschäfts- oder Erholungsreisen die Männer, welche das Schicksal zur Aussaat der Ideen weithin verstiebt, hier im Babel der Neuen Welt immer wieder zuhauf. Da erzählt man sich denn das inzwischen Erlebte, man tauscht Erfahrungen, gute und schlechte Witze und eine reiche Gabe neuen Lebensmuthes aus und ein. Nachdem die erste lebhafte Freude des Wiedersehens einem allgemeinen ruhigeren Gespräche Raum gegeben hatte, kam die Rede auf die unbeschreiblich bunten Erlebnisse, welche das Land bietet, und es wurde der Vorschlag gemacht und mit Beifall aufgenommen, daß ein jeder der Anwesenden seinen Lebenslauf in Amerika mittheilen solle. Der ehrwürdige altersgraue Professor K… gab diesem Vorschlage noch eine ganz besondere Würze, indem er hinzufügte:

„Und ich schlage noch weiter vor, daß am Schlusse Einer von uns beauftragt werde, sämmtliche Lebensläufe in einen Rahmen zusammenzufassen und der Keil’schen ‚Gartenlaube‘ zur Veröffentlichung mitzutheilen, die wir ja Alle halten und lesen. Das wird unsern Landsleuten in Deutschland ein besseres Bild des amerikanischen Lebens und eine mindestens ebenso gute Unterhaltung gewähren, wie manche erfundene und unmögliche Geschichte.“


Der erste Erzähler war ein Kaufmann, dessen Name einen Ruf in zwei Welttheilen hat. „Ihr wißt, meine Herren,“ begann er ohne Umschweife, „daß ich selbst hier zu Lande keine merkwürdigen Schicksale erlebt habe; ich fand bei meiner Einwanderung leicht ein Unterkommen, da ich als Studirter und zugleich als gelernter Kaufmann einigermaßen den hiesigen deutschen Firmen bekannt war. Dagegen hat mir meine lange und ausgebreitete kaufmännische Thätigkeit die Bekanntschaft mit vielen merkwürdigen Menschen und Schicksalen verschafft. Deshalb erzähle ich auch den amerikanischen Lebenslauf eines Convertiten der seltsamsten Art.

In einer der größeren Städte Neuenglands habe ich einen alten Geschäftsfreund, der ist – um einen Ausdruck meines seligen Vaters anzuwenden – ein Schneider, mit Respect zu melden. Ich wende diesen Ausdruck in gutem Sinne an – mein Freund Hartmann ist so recht ein Muster von Respectabilität im Geiste des Angelsachsenthums. Eingewandert noch in den dreißiger Jahren, als es noch wenig Deutsche in Neuengland gab, und entschlossen, es in der Welt zu etwas zu bringen, amerikanisirte er sich rasch – mehr, er wurde ein Yankee. Ein Yankee, nicht nur wie ein solcher sich räuspert und spuckt, mit Vatermördern und steifer Halsbinde, mit Angströhre und sauber geschorenem Barte, mit Handschuhen (die er sich selber zu waschen verstand) und modischem Frack, sondern zugleich ein Yankee von ganzem Herzen und bis auf die Niere, und so gewandt im Gebrauche des Englischen, daß er ebendeßwegen auch sein Deutsch nicht verlernt hat (denn, beiläufig gesagt, ich habe immer gefunden, daß jene Deutschen, welche sich stellen, als hätten sie das Deutsche vergessen, auch ein klägliches Englisch reden). Es ist wahr, er spricht seine Muttersprache mit holder Verschämtheit und nur, wenn er nicht anders kann; allein er hält und liest deutsche Zeitungen und Bücher so gern wie englische. Auch die deutsche Tugend des Worthaltens und der Ehrenhaftigkeit bis in’s Kleinste hinein hat er nicht abgeschliffen wie Tausende, welche darin die wahre Amerikanisirung suchen; aber er geht in die Kirche, und zwar in eine baptistische, und hat es schon bis zum Deacon (Diaconus) gebracht. Er war schon zweimal Alderman, einmal Armenhausaufseher und dreimal Mitglied politischer Stadt-Conventionen, wie er denn überhaupt an der Politik lebhaften Antheil nimmt. Kein Wunder, daß er früher immer ein Whig war, denn die Whigs waren damals die respectablere Partei. Als die Knownothings aufkamen, wollten seine wachsamen Landsleute wissen, daß er dem Orden beigetreten sei; kaum aber entstand die republikanische Partei, so war er voll Eifer mit an der Spitze derselben. Von seinen Landsleuten, welche meist demokratisch waren, dachte und sprach er gering und zog sich von ihnen zurück, und wenn man bedenkt, aus welchen Elementen damals, und zum Theil noch jetzt, die Masse der Deutschen in Connecticut bestand, so konnte man ihm dies kaum verdenken. Er ging nicht zu Biere, außer ein paarmal bei Wahlen, um unter seinen Landsleuten Parteigenossen zu machen; ja, er soll einmal Temperanzler gewesen sein und ein Gelübde gethan haben, nur Wasser zu trinken. Doch bezog er von mir gesundheitshalber jährlich seine drei bis vier Oxhoft Wein, die ihm sein Arzt – ein Yankee natürlich und ein stiller Verehrer guter Weine – für seinen schwachen Magen empfohlen hatte. Er betheiligte sich an jeder Geldunterzeichnung für religiöse, für wohlthätige, Partei- oder Bildungszwecke mit Freigebigkeit – denn er war wohlhabend genug dazu – und spielte deshalb eine Rolle als stehender Vicepräsident bei allen Versammlungen für solche Zwecke. Es versteht sich von selbst, daß er eine Yankeein geheirathet hatte, weil es zu seiner Zeit kaum irgend eine respectable deutsche Jungfrau dort gab, und daß seine Tochter, sein einziges Kind, das Deutsche ein wenig verstand, aber nie es sprach. Seine Frau läßt sich am besten charakterisiren, wenn ich ihn sagen lasse, was er mir einmal bei einem Glase Hochheimer mittheilte, denn er konnte nicht viel vertragen und fing schon beim dritten Glase an, alle seine Geheimnisse auszuplaudern.

„Meine Frau,“ sagte er, „war ein armes Mädchen, eine Farmerstochter aus Maine, die eine dürftige Schulbildung hatte und eine Reihe von Jahren in meinem Geschäft, erst als Näherin, dann als Zuschneiderin, dann als Buchhalterin und Verkäuferin beschäftigt gewesen war. Nachdem ich mich von ihren Vorzügen genügend überzeugt hatte, und da ich von ihrer Schönheit seit lange eingenommen war, machte ich ihr eines Abends, als wir nach Abschluß der Bücher allein im Geschäft waren, meinen Heirathsantrag – ich hatte vorher meines Wissens ihr nie meine Zuneigung oder gar meine Absichten verrathen.

‚Miß Beale,‘ sagte ich im gleichgültigsten Tone von der Welt, ‚haben Sie Lust, Missis Hartmann zu werden?‘

Ich erwartete natürlich, sie werde ganz überrascht, mädchenhaft verschämt, hold erröthend und freudig betroffen erscheinen und um eine Antwort verlegen sein, wie ein deutsches Mädchen in einem ähnlichen Falle; denn mit amerikanischen Ladies hatte ich bis dahin doch nur in sehr oberflächlichen Beziehungen gestanden. Statt dessen erwiderte sie ohne Verzug und ganz kühl:

‚Ich bin nicht abgeneigt, Mr. Hartmann. Ich hab mir zwar als meinen Zukünftigen einen etwas anderen Mann eingebildet, aber ich möchte es mit Ihnen versuchen.‘

[248] Mir blieb der Verstand still stehen. Ein so armes Mädchen – und eine solche Sprache! Endlich sagte ich mit einer etwas bestimmten Betonung: ‚Wenn ich mich überhaupt zum Heirathen entschließe – denn das ist bei mir noch nicht ganz ausgemacht – so entschließe ich mich kurz und führe es ohne Zeitverlust aus.‘

‚Ganz recht,‘ sagte sie ebenso kühl und drehte sich zum Weggehen, ‚wenn Sie Ihren Entschluß gefaßt haben, so werde ich’s wohl erfahren.‘

Mir wollte schon die Lust zum Heirathen vergehen, aber indem meine Blicke ihr folgten, als sie, noch ein Geschäftchen suchend, langsam nach der Thür vorrückte, reizten mich ihre schlanke Gestalt, ihre allerliebsten Geberden bei aller würdevollen Haltung und ihr hübsches Gesicht dermaßen, daß ich ihr nachging und ihre Hand ergriff. ‚Miß Beale,‘ sagte ich zögernd, ‚ich habe Sie lieb, Sie gefallen mir wie kein anderes Frauenzimmer. Wenn ich wüßte, daß Sie meine Neigung erwidern könnten –‘

‚Das thu’ ich,‘ sagte sie ziemlich abgebrochen und ruhig.

‚Aber vielleicht erst in diesem Augenblicke –? Haben Sie mich früher schon gern gehabt?‘

‚Etwas,‘ sagte sie ohne Zaudern.

Ich legte meinen Arm sanft um ihre schlanke Gestalt und sagte wärmer: ‚Und denken Sie, daß Sie mich immer lieben werden?‘

‚Ich hoffe es.‘

‚Wie wäre es dann, wenn wir morgen zum Friedensrichter gingen und uns zusammengeben ließen?‘

‚Ich habe nichts dagegen.‘ Sie wurde bei jeder Antwort wärmer und freundlicher. Ich zog sie auf’s Sopha nieder und versuchte, einen Kuß anzubringen, der aber auf den Hals zu sitzen kam.

‚Und würden Sie als meine Gattin fortfahren, dem Geschäft als Buchhalter und mein Stellvertreter vorzustehen, oder würden Sie lieber, wie eine deutsche Ehefrau, sich um die Wirthschaft bis in’s Kleinste bekümmern?‘

‚Beides, so lange sich Beides vereinigen läßt; wenn nicht, so möchte ich lieber die Wirthschaft führen. Doch denke ich, wir gehen lieber in ein Kosthaus, bis wir Kinder bekommen.‘

‚Ich hätte lieber eine eigene Wirthschaft und ginge nicht in’s Kosthaus.‘

‚Nun, wir wollen sehen,‘ sagte sie nach einiger Ueberlegung. ‚Ich habe immer gehört, daß die Deutschen sehr gute Ehemänner sind. Werden Sie mir auch immer treu sein?‘

‚Gewiß, meine Theure,‘ sagte ich und wurde in meiner wachsend glücklichen Stimmung mehr und mehr zum Scherz geneigt. ‚Was verstehen Sie denn aber unter treu?‘

‚Je nun, daß ich Sie niemals gegen eine Andere zärtlich finde.‘

‚Weiter nichts? Ich will mich also in Acht nehmen, daß Sie mich niemals dabei überraschen.‘

‚Sie sind ein Schalk, Mr. Hartmann. Sie müssen auch treu sein, wenn ich Sie nicht sehe. Ich will einen Mann, der mir ganz allein gehört, oder gar keinen.‘

‚Dann darf ich wohl eine Andere gar nicht einmal ansehen? Sie sind unbillig, Miß Beale. Ich darf als Ehemann nichts dawider haben, wenn andere Männer meine Frau ansehen, ja, es ist sogar für das Geschäft gut, wenn man eine schöne Frau hat, weil dann viele Männer kommen und kaufen, blos um die schöne Frau zu sehen. Wie soll ich mich da schadlos halten, wenn ich nicht meinerseits andere hübsche Frauen ansehen darf?‘

‚So? Sie wollen also mit meiner Schönheit Handel treiben, mich wie ein hübsches Ladenmädchen zum Kundenanziehen verwenden?‘

‚Warum nicht, wenn Sie nichts dawider haben? Mehr, ich will, daß die Welt mich um meine schöne Frau beneiden, daß sie also sich sehen lassen soll. Und ich will alle Frauen ansehen, um mich zu überzeugen, daß ich wirklich die schönste habe.‘

‚Sie sind ein gefährlicher Mensch, Mr. Hartmann, denn Sie sind ein Schmeichler. Ich weiß recht wohl, daß ich schön bin und es Ihnen schon lange angethan habe, und daß Sie auf mich eitel sein werden. Aber ich bin nicht die schönste von allen Frauen und ich will von Ihnen nicht geschmeichelt sein. Und wenn Sie blos in meine Reize verliebt sind, so glaube ich nicht, daß Ihre Neigung von Dauer sein wird. Ich muß Ihnen sagen, Mr. Hartmann, daß ich nicht einmal die geringste Gleichgültigkeit gegen mich verzeihen und, wenn dergleichen bei Ihnen einträte, mich schadlos halten würde. Nicht das geringste Gewissen würde ich mir daraus machen, mir einen oder ein paar Hausfreunde, anzuschaffen, wenn ich von Ihnen vernachlässigt würde, sei es nun um der Flasche, oder um irgend eines Zeitvertreibs, oder um anderer Frauen willen.‘

‚Seien Sie unbesorgt, Miß Beale, so lange Sie liebenswürdig sein werden, so lange haben Sie von einer Flatterhaftigkeit meinerseits, zumal bei meinen neununddreißig Jahren, nichts zu befürchten. Wonach ich mich sehne, das ist eine solide, glückliche, zärtliche Ehe. Ja, ich liebe Sie!‘

Der Bund unserer Herzen war besiegelt. Sie hat aber in den zehn Jahren unserer Ehe ihre Drohung nicht vergessen. Wenn ich mich nur im Geringsten gleichgültig gegen sie zeige, kokettirt sie zum Scheine mit einem Anderen, wie ein lediges Mädchen, und macht mich rasend eifersüchtig. Das ist ihr Zaubermittel, um mich in unveränderter Liebesgluth zu erhalten.“

Soweit des Ehemanns Erzählung. In dem Hause Hartmann’s nun traf ich vor einiger Zeit einen Fremden, der mir als Hr. Schaumburger vorgestellt wurde und von jüdischer Abkunft war. Es war ein schöner Mann mit feinem, geistreichem Gesicht, einer wohlklingenden Stimme und einer hinreißenden Unterhaltungsgabe, kurz, ein Mann so liebenswürdig, wie mir je einer vorgekommen ist. Auf weitere Fragen erfuhr ich, daß er sich in der Stadt aufhalte, um zum Christenthum bekehrt zu werden, und zwar von einem baptistischen Geistlichen, bei welchem er auch wohnte. Die Gesellschaft zur Bekehrung der Juden, von welcher ein starker Zweigverein sich in der Stadt befand und zu welcher auch Hartmann zählte, hatte ihr Auge auf dieses ausgezeichnete Exemplar des Genus homo geworfen, um ihn zu bekehren und womöglich zum Missionär auszubilden und als solchen vielleicht unter den vielen ungläubigen Deutschen zu verwenden. Das heilige Werk der Vorbereitung dazu war beinahe vollendet und der nächste Sonntag zur feierlichen Aufnahme des Bekehrten in den Schooß der Kirche anberaumt.

Hr. Schaumburger war ein höchst gebildeter Mann. Die Unterhaltung mit ihm machte mir großes Vergnügen; denn man mochte zu reden kommen, auf was man wollte, er wußte darin Bescheid, und seine Rede floß wie Honigseim. Dabei war er keineswegs zudringlich oder geschwätzig, sondern ein wahres Muster von Bescheidenheit und Zurückhaltung. Da jedoch jeder Convertit in mir Verdacht der Unehrlichkeit erregt – weil, wer einmal zum gründlichen Zweifel an seiner angeerbten Religion herangereift ist, überhaupt zum Unglauben an jede Religion reif sein muß – so beschloß ich sofort, diesen Schaumburger näher zu erforschen. Mit Hartmann, der in ihn gänzlich vernarrt war, konnte ich zu diesem Zwecke nichts vornehmen; aber ich wandte mich, schon um ihn vor möglichem Schaden zu bewahren, an einen Freund, der in den Vereinigten Staaten sehr ausgebreitete Bekanntschaften hatte, an Dr. Bock. Dieser entsann sich, obschon er einen Mann Namens Schaumburger nicht kannte, sofort auf eine Person Namens Oppenheimer, die er in Cincinnati näher gekannt habe, wo sie sich zur katholischen Kirche bekehren ließ. Die Personalbeschreibung traf zu.

Die Entlarvung dieses Abenteurers schien mir der Mühe werth, schon weil ich bemerkt zu haben glaubte, daß er ein Auge auf Frau Hartmann geworfen habe und ihrem Herzen nicht ganz gleichgültig sei. Da es eben in seinem Wohnorte für mich Geschäfte gab, nahm ich Platz auf einem der Neuengland-Bahnzüge und traf gegen Abend bei ihm ein. Ich suchte sofort Herrn Schaumburger in seiner Wohnung auf.

„Was verschafft mir so unerwartet die Ehre Ihres Besuchs?“ fragte er mich beim Eintritt.

„Ich komme um des Vergnügens Ihrer Gesellschaft willen,“ sagte ich, indem ich eine Flasche echter Liebfrauenmilch auf den Tisch setzte und mich daran ihm gegenüber.

„Das würde mir zu jeder andern Zeit angenehm sein,“ antwortete er verlegen, und doch mit einem lüsternen Blicke auf die Flasche, welcher ich jetzt aus der Tasche eine zweite zugesellte – „aber morgen wird meine kirchliche Einsegnung und mein erstmaliger Genuß des heiligen Abendmahls gefeiert, und Sie begreifen, daß ich deswegen heute Abend Vorbereitungen –“

„Unsinn, alter Knabe!“ sagte ich, indem ich einen Korkzieher hervorholte und in Thätigkeit setzte, worauf ich ein paar Gläser [249] mit dem duftenden Tranke füllte; „was für Vorbereitungen könnten Sie noch nöthig haben? Sie wollen mich doch nicht etwa glauben machen, daß Sie beten wollen, oder dergleichen? – Prosit – ein herrliches Weinchen – kosten Sie – der bekehrt zur Religion der Ehrlichkeit.“

Er riegelte die Thüre ganz leise zu und sagte dann: „Sprechen Sie wenigstens leise; ich wohne im Hause eines Geistlichen und Temperanzlers.“ Dann trank er mit dem Behagen und der Miene eines Kenners.

„Dacht’ ich doch, daß Sie nicht lange Umstände machen würden. Lieber Himmel, wie lange müssen Sie einen solchen Hochgenuß entbehrt, was müssen Sie während dieser haarsträubenden Trockenheit ausgestanden haben! Ich bewundere Ihre Enthaltsamkeit und Willensstärke; ich machte das nicht nach, und wenn die Zionswächter mir zehntausend Dollars geben wollten.“

„Natürlich, Sie haben das auch nicht nöthig,“ sagte er lakonisch und mit Augenzwinkern. Ich hatte also durch meine geschickte Einleitung bereits das Spiel halb gewonnen; er versuchte es nicht, die angenommene Rolle mir gegenüber fortzuspielen, weil er sah, ich durchschaue ihn.

„Sie wollen sagen, ich hätte schon Geld genug? – Nein, Hr. Oppenheimer – wollte sagen Hr. Schaumburger – (er verfärbte sich ein ganz klein wenig) – ein Kaufmann hat nie Geld genug. Ich gäbe aber wirklich einen Theil meines Vermögens darum, Ihre vollständige Lebensgeschichte zu wissen; denn das könnte mir in meinem Geschäfte viel nützen. Ein Mann von Ihrer vollendeten Welt- und Menschenkenntniß, von Ihrem feingebildeten Geiste, Ihrer wunderbaren Gewandtheit muß ja im Stande sein, selbst mir altem Schlaukopf etwas zu rathen aufzugeben.“

„Sie sprachen von einem Theile Ihres Vermögens,“ sagte er pfiffig. „Wie groß würde wohl der Theil sein, den Sie für ein ganz unumwundenes Geständniß gäben?“

„Man kauft die Katze nicht im Sack,“ erwiderte ich. „Sie müssen bedenken, daß ich schon ein Stück Ihrer Lebensgeschichte kenne und mich blos für den psychologischen Zusammenhang derselben interessire. Ich will die Wahrheit – die ganze, volle Wahrheit – dafür gebe ich hundert Dollars – für weniger als das nicht einen Cent – verstehen Sie?“

„Wenn Sie die hundert Thaler hinterlegen, wollte ich wohl Ihrem Wunsche gerecht werden.“

„Nun, da Sie Mißtrauen in meine Worte setzen, zahle ich Ihnen gar nichts für Ihr Geständniß. Sie werden bald genug von selber kommen, um meine Verschwiegenheit damit zu erkaufen.“ Ich sagte das laut und mit siegesgewissem Lächeln.

Er verfärbte sich noch mehr und versank in Nachdenken, während ich mein Glas ausnippte und wieder vollfüllte. Endlich hatte er seine Selbstbeherrschung wiedergefunden und versetzte:

„Ihr Stillschweigen ist mir gar nichts werth. Die Leute, auf deren gute Meinung es mir jetzt ankommt, werden Ihnen weniger glauben als mir. Man wird Alles, was Sie gegen mich vorbringen möchten, als böswillige Verleumdung in den Wind schlagen.“

„Rechnen Sie nicht zu stark darauf,“ sagte ich, zuversichtlich lächelnd und ihm sein Glas füllend. „Ich gebe Ihnen zur Beichte noch eine Viertelstunde Bedenkzeit.“

Er besann sich noch ein Weilchen; dann begann er mit wachsendem Ausdruck von Würdebewußtsein: „Es scheint, Sie erwarten von mir eine Lebensgeschichte voll Bubenstücke und Gaunerstreiche; Sie verkennen mich aber ganz und gar. Ich mag vor Ihnen weder besser noch schlechter erscheinen, als ich bin. Mögen Sie nun glauben oder nicht, was ich Ihnen aus meiner Vergangenheit mittheilen will – gleichviel – ich bin es mir selbst schuldig, meinen Charakter vor Ihnen in’s rechte Licht zu setzen.

Ich bin der Sohn eines armen Juden in Brody und wurde auf Kosten der jüdischen Kaufmannschaft daselbst erzogen, wie schon manche Andere auch. Dies war eine kostspielige und sorgfältige Erziehung, welche arme Judenknaben von Talent gegen das Versprechen späterer Gegendienste zu erhalten pflegen. Ich sollte Arzneiwissenschaft studiren, um an dem jüdischen Spitale in meiner Vaterstadt dann einige Jahre gegen einen mäßigen Gehalt als Arzt zu wirken. Ich sattelte aber in Leipzig um, weil ich einen tiefen Widerwillen gegen dieses Fach bekam, brach mithin das meinen Wohlthätern gegebene Wort, wurde ein Literat, machte Schulden, die ich nicht bezahlen konnte, warf mich in die Revolution von 1848, mußte fliehen und ward an dieses wildfremde Gestade geworfen. Was sollte ich hier anfangen? – Zum Schacher bin ich verdorben, zur ärztlichen Pfuscherei, die ich mit mehr Recht als mancher Andere betreiben könnte, bin ich zu gewissenhaft; zum Lehrer oder Zeitungsschreiber habe ich nicht Kenntnisse genug; zum Betteln bin ich zu stolz. Außerdem habe ich entschiedene Anlage und Neigung, den Aristokraten zu spielen. Sehen Sie diese schöne, classisch gebildete Hand – sollte sie beim Ackerpflug oder am Handwerkszeug verkrummen? – es wäre doch jammerschade! Bedenken Sie meine Menschenkenntniß, Gewandtheit und Beredsamkeit – sollte sie weggeworfen werden an den Beruf eines reisenden Commis, oder eines Stumpredners, oder eines Marktschreiers? – Pfui, wie plebejisch! – Sollte ich als Ladendiener mit Seidenband handeln, der ich besser mit Dialektik und Philosophie umzugehen weiß? – Das hieße die Bestimmung verkennen, welche Mutter Natur mir anwies. Sie schuf mich für einen Wirkungskreis, den die fehlerhaft organisirte menschliche Gesellschaft nicht gewährt. Diese armselige Gesellschaft also, die keinen ehrlichen Platz für mich hat, muß sich die Consequenz davon gefallen lassen. Ich bin in gerechter Nothwehr begriffen, da Niemand verlangen kann, daß ich verhungern oder meine Talente vergraben soll. Ich erwerbe also meinen Lebensunterhalt auf aristokratische Weise – ich bürde denjenigen die Sorge für meinen Unterhalt auf, welche meine schönen Worte, mein feines Betragen, meine gewählten Umgangsformen für baare Münze nehmen und sich für ihre Auslagen mit meinen Versprechungen zufriedengestellt erklären. Merken Sie wohl – es ist Moral in meinen Handlungen.

Ich gehe von einer großen Stadt zur anderen und lasse mich der Reihe nach zu allen möglichen Glaubenssecten bekehren. Zuerst wurde ich in Cincinnati ein Mitglied der rechtgläubigen, alleinseligmachenden katholischen Kirche. Das brachte mir drei Monate freie Kost und Wohnung und außer manchen kleinen Pathengeschenken ein Sümmchen ein, mit welchem ich ein buchhändlerisches Geschäft im Interesse dieser Kirche errichten sollte. Dann ließ ich mich in Baltimore zur presbyterianischen Kirche des Südens bekehren. Wieder setzte es Pathenpfennige und eine kleine Summe, um als Colporteur frommer Tractätchen mein Brod verdienen zu können. Dann wurde ich in St. Louis ein Methodist und als solcher zur Bekehrung deutscher Ungläubiger ausgesandt, versteht sich, nicht mit leeren Händen. Zunächst versuchte ich’s bei den Quäkern in Pennsylvanien, aber ich bestand diesmal meine lange, tödtlich langweilige Probezeit nicht. Ferner bot ich mich den nördlichen Presbyterianern zur Taufe und als Missionär an und wurde von ihnen über ein Jahr lang durchgeschleppt, um das Chinesische zu lernen. Zuletzt überantwortete ich mich den Baptisten, und noch nie bin ich rücksichtsvoller behandelt und besser versorgt worden.

Da unsere sämmtlichen gesellschaftlichen Einrichtungen auf die Ausbeutung der vielen Schwachen durch die wenigen Starken begründet sind, so ist meine Handlungsweise nicht schlimmer, als die eines Kaufmannes, der als Zwischenhändler nur den Verbrauchern die Waare vertheuert; oder als die eines Geistlichen, der um’s Geld dem Volke vorpredigt, was ihm theilweis selber unglaublich sein muß; oder als die eines Sachwalters, der ein Gewerbe daraus machen muß, das Recht zu verdrehen; oder als die eines Arztes, der sich für die gelehrte Miene bezahlen läßt, unter der er seine Unwissenheit verbirgt. Die Welt ist dumm und will betrogen werden, also werde sie betrogen. Die Yankees haben nun einmal eine Leidenschaft für’s Proselytenmachen, besonders für die Bekehrung von Juden; wenn ich sie nicht prelle, so prellt sie ein Anderer, ein Christ – geprellt werden sie jedenfalls. Aber von mir bekommen sie wenigstens den vollen Werth ihres Geldes in den Reizen meiner Unterhaltung und in der Belehrung über Dialektik und Philosophie zurück, die ich ihnen angedeihen lasse; auch Lebensart und Manieren können sie bei mir lernen. Ich mache ihnen nämlich meine Bekehrung jedesmal recht schwer; ich sage ihnen im Voraus, daß bei mir der beste Wille gläubig zu werden mit den allerhartnäckigsten philosophischen Zweifeln im Kampfe liege; ich disputire mit ihren gescheidtesten Geistlichen wochenlang herum und habe regelmäßig die Genugthuung, sie vollständig aus dem Sattel zu heben und in den Sand zu strecken. Das ist bei dieser Lebensart das Angenehme.

Es ist etwas Berauschendes darin, seinen Geist mit Hunderten gebildeter Geister messen zu können und sich in allen solchen [250] Gefechten Sieger zu wissen. Sehen Sie – das ist, wozu die Natur mich bestimmt hat – unzählige Leute zum Denkfortschritt anzuregen und auf die grenzenlosen Schwächen ihres Systems aufmerksam zu machen – die Säulen der Kirche tief zu erschüttern, indem man die Geistlichen selbst insgeheim mit dem Gifte des Zweifels und der Kritik ansteckt – den Humbugern aber unter ihnen einen Wink zu geben, daß man sie durchschaue. Sehen Sie – das ist auch eine Art reformatorischer Thätigkeit, die ihr Verdienst hat, ohne gerade Opfer zu kosten. Es würde mir ganz unmöglich sein, auf alle diese Yankees einzuwirken und sie zum Disputiren zu bringen – denn die Feigheit der Yankees gegenüber der unverschleierten Wahrheit ist unglaublich groß – nur indem ich ihren Hokuspokus mitmache und mich am Ende dem Glauben gefangen gebe, kann ich sie zwingen, tagelang meinen Gründen zuzuhören und meine Fragen zu beantworten. Es würden sich mir alle Thüren verschließen, wenn ich aus den Markt treten und meinen Unglauben ausschreien wollte, und die Gelegenheit, Hunderte von gescheidten Männern tief in ihrem Irrglauben zu erschüttern, wäre verloren. Jetzt aber sage ich ganz dasselbe, bekenne alle meine Einwürfe des Unglaubens, und meine Bekehrer sind rettungslos den Eindrücken meiner wohlberechneten Schlußfolgerungen und meiner Beredsamkeit preisgegeben. Ich leugne gar nicht, daß ich ein Heuchler bin, indem ich das Glaubensbekenntniß bald dieser, bald jener Kirche ablege; allein auch so noch sichere ich mein Gewissen. Ich bekenne nie mich vollständig bekehrt; ich gebrauche jedesmal die Vorsicht zu sagen, daß ich hoffe, das, was in meinem Gemüthe sich rege, sei der wahre Glaube, und die rechte Weihe werde schon noch über mein Inneres kommen, wenn ich erst in der Gemeine Christi und ein Glied an ihrem Körper geworden sei. Und weil mir die Heuchelei in der That zuwider ist, so pflege ich jedesmal kurz nach der Taufe zu verschwinden, um das alte Spiel anderswo von vorn wieder anzufangen. Sie können sich fest darauf verlassen, daß ich eine andere Lebensart wählen würde, wenn ich nicht überzeugt wäre, bei meiner jetzigen weit mehr Nutzen und weit weniger Schaden zu stiften, als bei jeder anderen Beschäftigung.“

Der Convertit hatte ruhig ausreden können; mich fesselte ja zu beobachten, wie selbst ein so verlogener Charakter der Wahrheit seinen Zoll entrichten muß.

„Es ist doch etwas Schönes,“ sagte ich dann, „wer die Tugend der Unverschämtheit besitzt und das Laster der unbeugsamen Ehrlichkeit nicht kennt. Da Sie schon so oft bekehrt worden sind, so sollte, mein’ ich, es Ihnen nicht unmöglich sein, sich zu einer ehrenhaften Lebensart zu bekehren. Wenn Sie sich dazu entschließen sollten, so will ich Ihnen dazu behülflich sein – hier ist meine Adresse. Jetzt gute Nacht!“

Es schien mir, als ich ihn verließ, daß er bedenklich und unschlüssig geworden sei. Allein die Folgen seiner bisherigen Handlungsweise wirkten nach. Zuvörderst mußte er sein einmal angefangenes Bekehrungswerk vollenden, wenn er sich nicht als reuigen Sünder hinstellen und ganz in meine Hände liefern wollte – und Reue schien das Element zu sein, dem er am fremdesten war. Natürlich suchte ich sogleich Hartmann zu sprechen. Er war schon zu Bette. Am andern Morgen entdeckte ich ihm Alles, was mir der Convertit gestanden hatte; aber zu meiner nicht geringen Verwunderung lachte er mich aus und meinte, ich wolle mir einen Spaß mit ihm erlauben. Es half Alles nichts, daß ich ihn vom Ernste meiner Mittheilungen zu überzeugen suchte; er wollte nichts weiter von der Sache hören. Ich merkte endlich den wahren Beweggrund seiner Hartgläubigkeit. Er schämte sich vor mir, dem ausgesprochenen Ungläubigen, zuzugestehen, daß er und die andern Glieder seiner Secte sich von einem hergelaufenen Gauner so vollständig hatten zum Besten halten lassen; er wollte ein Aufsehen vermeiden, welches die Entdeckung dieser Gaunerei noch in der elften Stunde hervorrufen mußte – zum großen Gaudium der Spötter und Neider seiner Secte; er wollte wenigstens erst den Bekehrungsact vollzogen sehen, um nachher im Stillen die Vorkehrungen gegen weiteren Schaden zu treffen. Mit andern Worten: seine kirchliche Gläubigkeit war eben auch nur eine Sache der Respectabilität, nicht des Herzens, und der Schein war ihm das Wesen.

Auch seiner Frau gab ich vor dem Gange in die Kirche einen Wink. Sie nahm ihn mit sichtlicher Beunruhigung auf und brach das weitere Gespräch unter einem Vorwande ab.

Ich konnte mir’s nicht versagen, in der Kirche dem Bekehrungsacte mit beizuwohnen. Mit welcher Freudigkeit spielte der Convertit seine Rolle! Wie selig leuchteten seine Blicke bei Ablegung des Glaubensbekenntnisses! Wie warm pries er Gott am Ende, als er ein Dankgebet für seine Seelenrettung herzusagen hatte! Mitten im Gebete bemerkte er mich; aber er verrieth nicht die mindeste Betroffenheit. Ich eilte aus der Kirche mit dem Gefühle hinweg, als ob das begangene Verbrechen an der Menschennatur auf meine eigene Rechnung käme.

Acht Tage später schrieb mir Hartmann, daß Schaumburger die Stätte seiner Bekehrung verlassen habe und daß genau um dieselbe Zeit Frau Hartmann mit dem größten Theile des Baargeldes und der Kostbarkeiten ihres Mannes unsichtbar geworden sei. Er bereute in seinem Briefe, meine Warnung in den Wind geschlagen zu haben, und bat mich um Beihülfe zur Entdeckung der Flüchtlinge.

Ich kannte einen ausgezeichneten New-Yorker Detective (Mitglied der geheimen Criminalpolizei), der mir schon einmal gute Dienste geleistet hatte, gab ihm Geld und die nöthigen Personalbeschreibungen und Winke und hetzte ihn durch das Versprechen einer größeren Belohnung auf die Fährte der Zugvögel. Nach einigen Tagen telegraphirte er von Rochester aus, sie seien gefunden, und ich eilte dorthin. Da saßen sie allerdings im Gefängnisse. Ich besuchte sie in ihrer Zelle und fand das pflichtvergessene Weib vollkommen gefaßt. Sie hatte es ja ihrem Manne vor der Hochzeit vorhergesagt, daß sie sich anderweit schadlos halten würde, wenn er jemals gegen sie gleichgültig werden sollte.

„Ich bin seiner satt,“ sagte sie, „ich bedauere nicht, was ich jetzt gethan, sondern nur, daß ich, als ich ihn heirathete, zu unerfahren war und mich selbst nicht kannte. Die Ehe mit Mr. Hartmann, diesem froschblütigen, steifen und bereits alternden Dutchman, konnte mich nicht befriedigen. Der Mann meiner jetzigen Wahl ist eine Feuerseele wie ich, wir lieben uns glühend, und Mr. Hartmann soll nicht versuchen, uns zu trennen.“

Oppenheimer-Schaumburger dagegen war beklommen, als ich bei ihm eintrat. „Nun, Sie haben sich ja auf Ihrem neuen christlichen Lebenswege einen Engel zugesellt,“ sagte ich sarkastisch, „und Sie haben infolge davon Flügel bekommen und flogen an’s andere Ende der Welt. Ich hoffe, Sie bedürfen nun keiner weiteren Bekehrungen mehr, um geradewegs in den Himmel zu fliegen, es sei denn, Sie wollten es der Sicherheit wegen vorher noch mit den Latter Day Saints (den Heiligen des jüngsten Tages, den Mormonen) versuchen. In der That – eine bessere Erwerbung könnte Brigham Young nicht machen, als wenn Sie sich ihm zur Verfügung stellten.“

Seine Züge heiterten sich trotz meines Spottes auf. „Das ist ein besserer Rath, als Sie vielleicht denken,“ sagte er. „Es fehlt den Mormonen an gebildeten Männern meines Schlags – dort könnte ich eine Rolle spielen, ein junges Territorium rasch zu einem civilisirten und gedeihlichen Staate herausbilden, eine Zuflucht gründen für um des Glaubens und der Philosophie willen Verfolgte; dort könnte ich meine Ideen in’s Leben einführen ohne Gefahr eines Märtyrerthums. Wahrhaftig, Herr, helfen Sie mir und meiner Geliebten aus diesem Loche und auf den Weg nach Utah, und Sie können meiner Dankbarkeit gewiß sein!“

„Ich zweifle, ob Frau Hartmann gerade dahin Ihnen folgen wird. Diese Feuerseele will ihren jedesmaligen Gatten ausschließlich besitzen, ihn nicht mit anderen Weibern theilen. Auch hat Hartmann, der jede Stunde erwartet wird, dabei eine Stimme.“

„O, Ella folgt mir an’s Ende der Welt – versuche Niemand uns zu trennen! Versuche Niemand zwischen uns zu treten – er würde es bereuen!“

„Sie vergessen, daß zunächst noch das Gefängniß zwischen Sie Beide tritt.“

Er erschöpfte sich in flehentlichen Bitten und in Schnurren, um mich zu einer Vermittelung zu bestimmen. Eine Stunde später kam Hartmann an. Sein Erstes war, mich bei Seite zu nehmen und zu sagen: „Wäre es nicht das Allerbeste, ich ließe meine Frau mit ihm laufen, so weit sie wollen? Sie macht mich todt mit ihren Eifersüchteleien, ihren Ansprüchen, ihrer Koketterie und Leidenschaftlichkeit. Ich werde älter – sehne mich nach Ruhe – sie paßt nicht für mich. Freilich den größeren Theil des mir Entwendeten müßten sie herausgeben.“

Das mußte ich denn billigen, und dabei blieb es. Was später aus dem leidenschaftlichen Ehepaare geworden ist, habe ich nicht erfahren können.“