Textdaten
<<< >>>
Autor: Otto Beneke
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Brauerknechte Heldenthum
Untertitel:
aus: Hamburgische Geschichten und Sagen, S. 84–87
Herausgeber:
Auflage: 2. unveränderte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Perthes-Besser & Mauke
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Hamburg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[84]
34. Der Brauerknechte Heldenthum.
(Etwa um 1300.)

In alten Zeiten, da das Fleth im Rödingsmarkt noch Stadtgraben war und das Millernthor ihm zur Seite stand beim heiligen Geist-Hospital, da hat es sich der Sage nach [85] zugetragen, daß unsre gute Stadt ist plötzlich überfallen worden von einer Menge feindlicher Bauern aus der Umgegend, man weiß nicht mehr, aus welcher Ursache. Und da grade die meisten wehrhaften Bürger unter Anführung der rüstigsten Rathmannen auf Heerfahrt draußen gewesen sind, so ist wegen der tollen Bauern schier eine große Noth entstanden, und hat C. E. Rath nicht gewußt, wie man ihrem ungestümen Andringen widerstehen könne. Und schon haben die Bauern das Millernthor erstürmt oder überstiegen gehabt, und sind mit wüstem Gebrüll blutdürstig und raubhungrig im dichten Schwarme eben in die Stadt zu dringen Willens, als sich ihnen eine nicht gar große Schaar muthig entgegen wirft. Das waren die Hamburger Brauerknechte, junge, kräftige Burschen, handfest und knochenstark, die hatten sich aufgemacht, um die schwer bedrängte Vaterstadt zu retten, und trugen ihre Lungerhölzer[1] in den Fäusten oder Knittel und sonstige derbe Wehren, und damit begannen sie so ingrimmig auf die Bauern loszupauken, und unter dem lauten Ruf: „Buur stah! Buur stah!“ Jeder seinen Mann so summarisch niederzuschmettern, daß die von dem urplötzlichen Angriff überraschten Bauern wirklich stehen blieben und nicht weiter vordringen konnten. Und ob sie nun auch versuchten, wenigstens da, wo sie standen, Stand zu halten, so gelang’s ihnen doch nicht, denn die Brauerknechte ließen nicht ab mit Zuschlagen, und wer von den Bauern nicht liegen blieb, der blieb auch nicht länger stehen, sondern floh eilends aus dem kaum überrumpelten Thore hinaus ins Weite.

Und die tapfern Brauerknechte haben glorreich gesiegt, und große Ehre und herrliche Privilegia bei ihren Mitbürgern [86] ob solchen Heldenthums davon getragen. Denn die Stelle und die Gasse, die daran stößt, wo sie so rühmlich gestritten und die Stadt gerettet, hat man zum ewigen Andenken an ihre That nach ihrem Feldgeschrei benannt „Buurstah;“ – Andere sagen „Buurstade,“ darin wäre also der Platz verewigt, wo sie den andringenden Bauern zuerst Stand geboten und sie zum Stehen gebracht, was aber im Grunde Wortklauberei ist und übereins herauskommt. Und unter den Previlegien war das Recht, alle zwei Jahre ein großes Fest zu halten, das sie ihre „Höge“ nannten, das vornehmste. Wovon später noch mehr erzählt werden wird.

Und ob nun zwar die Höge längst nicht mehr gefeiert wird, und mit der gesunkenen Herrlichkeit des Hamburgischen Brauwerks auch der Brauerknechte Zahl und Ansehen schier verschwunden ist, so wollen wir doch, zumal wenn wir über den Burstah gehen, ihrer alten Vorfahren Heldenthum nicht vergessen.

Und ferner heißt es: als damals die biderben Brauergesellen die Bauern besiegten, ging’s gleichwohl für sie nicht ohne Wunden und Beulen ab. Fast alle brachten einen blutigen Kopf heim, als sie zu ihren Herren und Wirthen zurück kamen. Da befahlen die ihren Mägden, daß sie den braven Kerls die Köpfe waschen sollten; nicht figürlich, sondern natürlich, wie gebührlich, nämlich buchstäblich; welche Mägde auch, zwar nicht sonder züchtig Erröthen, doch mit hochherzigem Gefühle den kühnen Rettern der Vaterstadt einen Liebesdienst zu leisten, sich dazu gern bereit finden ließen. Und darnach war das um die Stirn gewundene Verbandtüchlein ihre Ehrenkrone und ihr Lorbeerkrauz. Und die Brauerheeren machten die Satzung, daß zum Gedächtniß dieser Begebenheit alle Brauermägde in der Zukunft verpflichtet sein sollten, den Brauerknechten jedesmal nach beschafftem Tagewerk, oder [87] wenn abgebrauet, den Kopf zu waschen, und vorhero die Lauge dazu zu bereiten; und bei Letzterem ist’s geblieben, wie Herr Dr. Matthäus Schlüter erzählet im Tractate von den Erben, in des anderen Theiles sechsundfünfzigsten Titul „von denen Brauer-Mägden,“ § 6, daß solches noch zu seiner Zeit exerciret werde (1698). Und sothanes Recht verdient allerdings mit unter der Brauerknechte „sonderbare Gerechtigkeiten und Privilegien“ begriffen zu werden, deren besagter Herr Schlüter einige anführet.

Anmerkungen

[378] Die Zeitangabe ist etwas willkürlich, da diese Sage nur von „alten grauen Zeiten“ spricht. Sie wird unter Andern erzählt von Schlüter, Tractat von den Erben S. 356; von Heß, Topographie I. 398.

  1. Starke Stangen, um leere Biertonnen, in deren Spundlöcher sie gesteckt werden, zu tragen.