Textdaten
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Autor: Dr. F. M.
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Titel: Der Blitzableiter
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 32, S. 502-504
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Der Blitzableiter.

Von Dr. F. M.

Es war im Jahre 1708, als Dr. Wall die wichtige Bemerkung machte, daß das Licht und das Knistern des geriebenen Bernsteins eine ähnliche Erscheinung sei wie Blitz und Donner, ohne daß er jedoch der gegenseitigen Vergleichung dieser Erscheinungen weiter nachging. Späterhin sprach sich ein anderer Physiker, der Abt Rollet, über diese Aehnlichkeit deutlicher aus, indem er erklärte, „wenn Jemand durch Vergleichung der Erscheinungen darthun würde, daß der Donner in den Händen der Natur eben das sei, was die Elektricität in den unserigen ist, und daß die Wolke dabei die Stelle des Hauptconductors der Elektrisirmaschine vertrete, so würde ihm diese Erscheinung sehr gefallen.“ In der That mußten ihn die Experimente mit der Leydener Flasche, die Helligkeit des elektrischen Funkens, die Raschheit, mit der er übersprang, seine Fähigkeit, beim Entladen durch den menschlichen Körper heftige Erschütterungen zu bewirken und Thiere selbst zu tödten (er war der Erste, der diesen Versuch anstellte), auf jenen Gedanken leiten und in ihm die Hoffnung erwecken, daß durch die gehörige Anwendung der Elektricitätserscheinungen auf den Blitz und Donner diese letzteren Erscheinungen eine richtigere Auffassung und Erklärung als bisher finden würden.

Es hatte jedoch die Richtigkeit dieser Anschauungsweise nur eine große Wahrscheinlichkeit für sich, und um diese zur Wahrheit zu erheben, mußten nothwendig mit Wolkenelektricität Versuche angestellt werden, um die hierbei auftretenden Erscheinungen mit den bereits bekannten vergleichen zu können. Diesen großen Fortschritt verdankt die Wissenschaft dem Amerikaner Dr. Benjamin Franklin, der hierdurch sowohl, wie namentlich durch die weitere praktische Anwendung seiner Entdeckungen unsterblich geworden ist. Dieser scharfsinnige Naturforscher hatte zu Philadelphia eine große Reihe von Versuchen über Elekiricität angestellt, und seine Beobachtung, daß spitzige Körper die Elektricität weit mehr und aus größerer Entfernung anzögen als stumpfe, brachte ihn auf den so folgereichen [503] Gedanken, durch solche spitzige Körper die Elektricität von den Wolken nach der Erde zu locken. Er machte deshalb den Vorschlag, man solle auf einem Thurm oder sonst einem hochgelegenen Orte ein Schilderhäuschen errichten, woraus sich ein spitzer Eisendraht durch einen Harzkuchen isolirt erhebe. Wenn darüber Gewitterwolken hinzögen, so müßten sie, meinte er, dem Eisendrahte einen Theil ihrer Elektricität mittheilen, welches den Sinnen durch Funken wahrnehmbar werden könnte, wenn man einen Schlüssel, einen Knöchel oder sonst einen Leiter in die Nähe brächte. Da ihm jedoch in Amerika zur Anstellung dieser Versuche die nöthigen Hülfsmittel fehlten, so forderte er hierzu die Physiker Europa’s auf, welcher Aufforderung zunächst in Frankreich Dalibard zu Marly la Ville und Delor zu Paris folgten. Der Erstere ließ eine Hütte bauen, über welche eine am unteren Theile isolirte Eisenstange von 40 Fuß Länge aufgerichtet war. Als eine Gewitterwolke über das Zenith dieser Stange hinzog, gab sie bei Annäherung eines Fingers Funken und zeigte alle anderen Erscheinungen, welche die durch unsere gewöhnlichen Maschinen elektrisirten Conductoren darbieten. Dieser in der Geschichte der Wissenschaft denkwürdige Tag war der 10. Mai 1752. Zu Paris wurden diese Versuche wiederholt und erregten das höchste Interesse der Bevölkerung.

Was Franklin jedoch nicht auf diese Weise erreichte, gelang ihm auf eine andere, die um so bemerkenswerther ist, als sie den Beweis liefert, wie ein gewöhnliches Spielzeug der Kinder in den Händen eines wissenschaftlichen Forschers hochwichtige Entdeckungen machen hilft. Er kam nämlich auf den Gedanken, die Elektricität nicht durch eine Eisenstange, sondern durch einen in die Höhe steigenden Drachen, an dessen unterem Ende eine Schnur angeknüpft war, längs dieser herabzulocken. Mit diesem Instrumente begab sich Franklin im Juni 1752, von seinem Sohne begleitet, in’s Freie zur Zeit als ein Gewitter aufstieg. Eine blitzschwangere Wolke zog über dem Drachen hin, ohne daß eine Wirkung sichtbar wurde, und schon schien es, als sollten die Erwartungen getäuscht werden. Da auf einmal entstand ein leichter Regen, welcher die Schnur etwas befeuchtete und so besser leitend machte; die Fasern am untern Ende der Schnur fingen an sich zu sträuben, es ließ sich ein kleines Geräusch hören, und als nun ein Finger der Schnur genähert wurde, sprang ein Funke über, dem bald noch mehrere folgten.

So waren die Erwartungen eingetroffen, der Versuch vollkommen gelungen, aber zugleich mit einem bedeutenden Glück für den Experimentirenden. War nämlich der Regen stark genug, um die Schnur vollständig zu durchnässen und so vollständig leitend zu machen, so konnten die überspringenden Funken so heftig werden, daß Franklin sein Leben einbüßte, mit dem zugleich Alles verloren ging, was dieser große Mann noch in der Wissenschaft und für die Freiheit seines Volkes geleistet hat.

Sehr merkwürdig ist es, daß dieses Experiment ganz mit denselben Hülfsmitteln von dem französischen Physiker de Romas zu Nerac im Jahre 1753 angestellt wurde, ohne daß die Kenntniß der Franklin’schen Resultate schon dorthin gedrungen war. Um die Schnur von vornherein besser leitend zu machen, hatte er in dieselbe einen dünnen Metalldraht eingeflochten. Die Freude und das Erstaunen theilte er Rollet in den Worten mit: „Stellen Sie sich den Anblick von Feuerstreifen vor von 9 bis 10 Fuß Länge und einem Zoll Dicke, die ebenso viel oder noch mehr Geräusch machten, als Pistolenschüsse. In noch weniger als einer Stunde erhielt ich gewiß 30 Streifen von diesen Dimensionen, ungerechnet tausend andere von 7 Fuß und darunter. Was aber meine Zufriedenheit bei diesem neuen Schauspiele vorzüglich erweckte, war, daß die größten Feuerstreifen von selbst hervorbrachen und ungeachtet der großen Masse Feuers, aus der sie bestanden, stets auf den zunächst befindlichen Leiter fielen. Da ich dies immer ohne Ausnahme erfolgen sah, ward ich so sicher, daß ich mich nicht scheute, das Feuer bei ziemlich lebhaftem Gewitter mit meinem Auslader hervorzulocken, und wenn die Glasarme nur zwei Fuß Länge hatten, so vermochte ich mittelst derselben, ohne die geringste Erschütterung in meiner Hand zu spüren, Feuerstreifen von 6 bis 7 Fuß ebenso leicht, wohin ich wollte, zu leiten, als Streifen von blos 7 bis 8 Zoll.“ Man begreift leicht, mit welcher Vorsicht derartige Versuche angestellt werden müssen, und wie sehr es darauf ankommt, die hierzu nöthigen Apparate auf das Geeignetste einzurichten.

Franklin hatte somit erkannt und nachgewiesen, daß der Blitz ein eben solcher Entladungsstrom sei, als die sind, welche wir mittelst der geladenen elektrischen Batterien hervorbringen können. Seine früheren Untersuchungen über das Ausströmen der Elektricität aus Spitzen machten in ihm den weiteren Gedanken rege, daß man mit einer in die Luft ragenden und oben mit einer Spitze versehenen Eisenstange die Wolkenelektricität neutralisiren könne und somit ein gegen den Blitz schützendes Mittel in den Händen habe. Er hatte somit die Erfindung des Blitzableiters gemacht, eine Erfindung, welche als eine der wichtigsten und wohlthätigsten für die Menschen betrachtet werden muß.

Wie sehr ein spitzer, die Elektricität leitender Körper, der einem andern mit Elektricität geladenen Körper nahe kommt, diesen zu entladen vermag, kann folgender leicht anzustellende Versuch beweisen. Man hänge an einem Seidenfaden einen Baumwollenflocken (der ziemlich groß sein kann) auf und lade denselben etwa mit positiver Elektricität, welche Ladung man an der Aufrichtung der Fasern des Flockens, noch besser aber an dem Auseinandertreten zweier an ihm angehängter Korkkügelchen erkennen kann. Nähert man diesem Flocken einen Metalldraht, der vorn in eine feine Spitze ausläuft, so werden die Korkkügelchen rasch zusammenfallen, wodurch die Entladung angezeigt ist. Diese Erscheinung ist leicht zu erklären, zugleich mit der Anwendung auf die Wirkung des Blitzableiters, denn der Baumwollenflocken kann recht gut eine mit positiver Elektricität geladene Wolke, die demselben genäherte Spitze den Blitzableiter vorstellen. Nähert sich nun eine mit positiver Elektricität geladene Wolke dem Blitzableiter, so werden in diesem die bis dahin vereinigten Elektricitäten getrennt. Die negative wird nach der Spitze gezogen, die positive dagegen strömt nach dem Erdboden. In diesem Trennungszustand erhält sich jedoch das Ganze nicht, sondern die negative Elektricität strömt aus der Spitze aus, begibt sich nach der Wolke, um hier einen Theil der positiven Elektricität zu neutralisiren. Eine neue Menge negativer Elektricität wird wieder nach der Spitze gezogen, strömt von hier aus und neutralisirt wiederum einen Theil der hier noch angehäuften positiven. Dieser Vorgang wiederholt sich so oft, bis die positive Elektricität der Wolke durch die aus der Spitze strömende negative neutralisirt ist, oder mit andern Worten, bis die Wolke entladen ist.

Die hauptsächlichste Wirkung des Blitzableiters besteht also darin, daß durch ihn die Wolken neutralisirt werden. In unserer Erklärungsweise wurde angenommen, die Wolke sei mit positiver Elektricität geladen, was natürlich nicht immer der Fall ist. Nach den Versuchen, welche Crosse über die elektrische Beschaffenheit der Wolken angestellt hat, ergab sich, daß sogar ein und dieselbe Wolke aus verschiedenen Zonen besteht, die bald positiv, bald negativ geladen sind. Hierdurch ändert sich jedoch nichts in der obigen Erklärungsweise.

Der Blitzableiter ist jedoch auch noch in einer anderen Beziehung von großer Wichtigkeit. Wenn nämlich die Elektricität in den darüber streichenden Wolken eine solche Spannung besitzt, daß das Ausströmen der entgegengesetzten Elektricität aus der Spitze des Blitzableiters nicht hinreicht, um sie zu neutralisiren, so wird ein Blitzstrahl erfolgen und aller Wahrscheinlichkeit nach auf den Punkt fallen, wo die meiste Elektricität aufgehäuft ist, nämlich die Spitze des Blitzableiters, um von hier durch die Blitzableiterstange nach dem Boden hin seine Richtung zu nehmen. Zwei Bestimmungen muß also der Blitzableiter erfüllen: erstens die Unschädlichmachung der blitzschwangeren Wolken durch das Ausströmen der Elektricität aus seiner Spitze, zweitens die Unschädlichmachung eines wirklich erfolgten Blitzstrahls, insofern er diesen nach dem Boden ableiten muß.

Die wesentlichen Bedingungen eines gut eingerichteten Blitzableiters sind zunächst folgende drei: erstens muß die Spitze desselben hinlänglich fein sein, zweitens muß er seiner ganzen Länge nach sowohl über dem Boden, wie in dem Boden vollständig leiten, drittens muß er die gehörigen Dimensionen besitzen. Die erste Bedingung muß deshalb erfüllt sein, damit die Ausströmung der Elektricität so stark wie möglich ist. Man befestigt zu dem Ende oben nach der vortrefflichen Instruction, welche Gay-Lussac über die Einrichtung der Blitzableiter gegeben hat, eine 5 Centimeter lange Platinspitze, welche zunächst mit ihrem untern Ende in eine Messinghülse gefaßt ist und mit dieser auf der eigentlichen Blitzableiterstange aufsitzt. Zu Deutschland, wo sich hauptsächlich Reimarus um diese Gegenstände verdient gemacht hat, läßt man die Eisenstange [504] selbst oben in eine feine Spitze ausgehen und vergoldet diese, um sie vor Rost zu bewahren. Was die zweite Bedingung betrifft, so leuchtet ein, daß, wenn die Leitung an einer Stelle des Blitzableiters mangelhaft oder gar vollständig unterbrochen ist und ein Blitz in denselben einschlägt, dieser an der betreffenden Stelle leicht auf seitliche Gegenstände überspringen kann. Ein solcher Blitzableiter würde mehr schaden, als nützen können. Um die Leitung nach dem Boden hin möglichst vollständig zu machen, leitet man das untere Ende der Stange in einen Behälter, der mit Wasser sich gefüllt erhält, oder, falls dies unmöglich ist, wenigstens an einen feuchten Ort; auch theilt man gern das untere Ende in mehrere Arme und umgibt diese mit gestoßener Kohle, welche ein guter Leiter der Elektricität ist. Ist drittens die Dicke der Blitzableiterstange zu gering, so kann leicht der Fall eintreten, daß der Blitzstrahl nicht rasch genug nach dem Boden abströmen kann und in Folge dessen sich auf seitliche Gegenstände wirft. Dem seitlichen Ueberspringen des Blitzes werden hauptsächlich metallische Gegenstände ausgesetzt sein, wie etwa Metalldächer, und es ist von großer Wichtigkeit, daß derartige Gegenstände in hinlängliche Leitung mit dem Blitzableiter gesetzt werden und nicht etwa von diesem isolirt sind, wie Einige für gut befanden.

Ein nach solchen Principien eingerichteter Blitzableiter schützt nicht nur das Gebäude, woran er angebracht wird, sondern auch die nächste Umgebung, und zwar, wie man annimmt, in einer Entfernung vom Blitzableiter, welche doppelt so groß ist als die Höhe der Stange. An directen Beispielen des Nutzens, den ein gut eingerichteter Blitzableiter gewährt, fehlt es nicht; es möge hier von den zahlreichen nur eines angeführt werden. Der Thurm des Freiburger Münsters ist wiederholt von Blitzstrahlen getroffen worden, die das herrliche Kunstgebäude mehr oder weniger beschädigten. Ein Strahl, welcher am 28. April 1561 die Pyramide traf, richtete so bedeutenden Schaden an, daß die Kosten der Reparatur auf die benachbarten Stifte vertheilt werden mußten. Ebenso verherend wirkten, wenngleich in geringerem Grade, zwei andere Blitzschläge am 2. Januar 1819 und am 10. Januar 1843, worauf im Jahre 1844 der Thurm nach der Angabe Frick’s mit einem sehr zweckmäßigen Blitzableiter versehen wurde, dessen Einrichtung sich so trefflich bewährte, daß ein Blitzstrahl, der am 28. April 1847 den Thurm traf, dem Blitzableiter folgte, ohne auch nur den geringsten Schaden anzurichten.

Die prächtige Naturerscheinung des Gewitters bietet noch eine Menge Verhältnisse dar, welche von Seiten der Physik ihre Aufklärung finden müssen und die wir wohl nächstens noch näher besprechen.