Der Arbeiterinnen Heim in New-York
Am Nachmittag des 25. September 1867 wurde in New-York das zur Heimath für Arbeiterinnen bestimmte, durch Privatwohlthätigkeit beschaffte Gebäude in Gegenwart einer großen Anzahl von Damen und Herren aller Stände, Berufsclassen und Glaubensbekenntnisse feierlich eröffnet. Ob eine derartige Anstalt in Europa bereits existirt, ist mir unbekannt; auf unserm Continente ist sie neu und dürfte wohl um so mehr eine nähere Besprechung verdienen, als es die Absicht der edlen Unternehmer ist, ihre Zahl hier zu vermehren, und als durch diese Veröffentlichung in der Gartenlaube auch manches brave deutsche Mädchen, welches der stets schwellende Strom der Einwanderung auf diesen Menschenstrudel wirft, oder das durch unglückliche Verhältnisse hier seiner natürlichen
[792] Beschützer beraubt wird, vor dem Verderben gerettet werden mag.
Wer sich das Studium der menschlichen Leiden, besonders in großen Städten, zur Aufgabe macht, wird bald zu der erschreckenden Beobachtung kommen, daß die bei Weitem meisten unserer öffentlichen Anstalten, die des Staates sowohl wie die von Gemeinden und die von Privatpersonen unterhaltenen, stets nur dahin zielen, den Gefallenen zu Hülfe zu kommen und sie wieder in ihrer eigenen Schätzung, wie in den Augen der Gesellschaft aufzurichten. Die, wie mir scheint, viel verdienstlichere Untersuchung, wie das Fallen zu verhüten, wie die Fallgruben zu beseitigen, ist leider auch von unsern edelsten und eifrigsten Menschenfreunden nicht genügend in Angriff genommen. Gerade in dieser Beziehung ist „der Arbeiterinnen Heim“ eine freudig zu begrüßende Erscheinung.
Die Ideen, welche die edlen Menschenfreunde (unter denen, wie immer, die Namen Peter Cooper und Aspinwall voranstehen) nach den bei der Eröffnung gehaltenen Reden bewegten, sind im Wesentlichen folgende: Um wirksam und hülfreich in das uns umgebende Elend und Laster einzugreifen, ist es unerläßlich, daß die beiden Classen der Gesellschaft, welche durch den Mangel an Subsistenzmitteln einerseits und durch deren Ueberfluß andererseits von einander geschieden sind, sich wechselseitig annähern. Dies kann nur dadurch geschehen, daß einestheils die erstere, die zugleich im großen Ganzen die arbeitende ist, gehoben, daß ihre Lebensweise verbessert, ihre geistige und sittliche Ausbildung befördert wird, und anderntheils, daß die begünstigte Classe – die Talentvollen, Wohlerzogenen und Reichen – es sich zur Aufgabe machen, die Mitglieder der anderen Classe in jedem Versuche, sich aus der ungünstigen Lage aufzurichten, in welche sie durch nicht abwendbare Verhältnisse gekommen, kräftig zu unterstützen. Wer einen Blick in das Elend und die Geheimnisse unserer großen Städte geworfen, dem sind die bedeutenden Schwierigkeiten, die dem Bestreben des redlichen Armen, sich aufzuschwingen, entgegentreten, und die fast unüberwindlichen Hindernisse wohl bekannt, welche in seinem Wege zu einer gesicherteren Existenz liegen. Wer aber das Studium des täglichen Lebens der Armen sich zur philanthropischen Lebensaufgabe gemacht, dem wird die betrübende Thatsache sich aufdrängen, daß in der Hast, dem Lärm, der Einseitigkeit des Geschäftslebens unserer großen Städte wenig Zeit und Mittel darauf verwendet werden, gerade da wohl zu thun, wo das dringendste Bedürfniß für Hülfe und Aufmunterung besteht. Die Arbeit der Armen ist nicht erleichtert, ihre Ruhestunden sind nicht vermehrt, ihr Hauswesen ist nicht bequemer und anmuthiger gemacht worden. Ganz besonders gilt dies von den Arbeiterinnen, von denen viele, fremd in den Städten und an die wenn auch geringen Bequemlichkeiten des Landes oder die verschiedene Lebensweise fremder Länder gewöhnt, keine Ahnung von den Gefahren haben, denen sie ausgesetzt sind.
Wir brüsten uns, daß wir mehr, als andere Nationen, Zeit auf humanitäre Studien verwenden; daß wir den unschätzbaren Werth menschlicher Geisteskräfte besser zu würdigen wissen; daß wir zu Schulzwecken mehr verwenden, als irgend eine andere Nation; daß wir in Staat und Gesellschaft unausgesetzt mit der Fortentwickelung demokratischer Ideen beschäftigt sind. Wir nehmen den theilweisen Sieg der Reformidee in England, das kräftige Auftreten unterdrückter und zersplitterter Nationen auf dem europäischen Continente theilweise als Reflexe unseres großen nationalen Sieges über die Zwietrachtselemente des Nordens und die Sclavenhalter-Aristokratie des Südens in Anspruch, und wir sollten Wahrheiten übersehen, die uns jede Straße, jedes Haus eines Armen, jede Unterhaltung mit einem solchen vor Augen führt? Wahrheiten wie diese: daß dem Arbeiter, damit er ein guter Bürger werde, die möglichst beste Erziehung geboten werden muß; daß Reinlichkeit eines der unentbehrlichsten Lebenselemente, ebenso sehr wie Kleidung und Speise ist, und vor Allem, daß die Arbeiterinnen, die künftigen Mütter von Tausenden von Bürgern, ein angenehmes Hauswesen besitzen und von Verhältnissen umgeben sein sollten, danach eingerichtet, sie außerhalb des Bereiches unlauterer Einwirkungen zu stellen. Die Verworfenheit, das Elend, die absolute Herabwürdigung, die so lange sich vereinigte, die Arbeiterinnen des Lebens und der Ehre zu berauben, sie müssen besseren Zuständen Raum geben. Die Bewegung, ihre Lage zu verbessern, ihnen Aufmunterung zu gewähren, sie über die Leiden zu erheben, welche stets im Gefolge von Sorge, Noth und Mangel sich einstellen, muß eine bestimmte Form annehmen.
Wie dies in’s Werk zu setzen, war bereits seit mehreren Jahren ein Gegenstand eingehendster Berathung seitens des Vorstandes des Arbeitshauses der Five-Points. Vor etwa neun Monaten beschlossen sie, den Versuch in der jetzt ausgeführten Weise zu machen. Bei den enormen Preisen des Eigenthums und der Rücksicht, daß die Heimath für Arbeiterinnen möglichst nahe dem unteren (Geschäfts-) Theile der Stadt gewählt werden mußte, war es schwierig, eine passende Lage und Localität zu finden. Zuletzt gelang es, zu dem Preise von 100,000 Dollars das gegenwärtige Gebäude zu erwerben, das mit einem weiteren Aufwande von nahezu 50,000 Dollars zu seiner jetzigen Bestimmung eingerichtet wurde.
Der wesentlichste Grundsatz bei der Einrichtung des „Heim“ ist, daß es nicht unentgeltlich, als ein Almosen gewährt wird, was dem Zwecke, welchen die Gründer beabsichtigen, gerade entgegen arbeiten würde. Die Anstalt soll sich selbst erhalten, zu welchem Ende jedes Frauenzimmer (die Matrone nannte sie bei meinem Besuche nie anders als the young ladies), das eintritt, drei Dollars fünfundzwanzig Cents (vier Thaler sechszehn und einen halben Silbergroschen; nach deutschen Verhältnissen etwa ein Thaler zehn bis fünfzehn Silbergroschen) die Woche im Voraus bezahlt; bei der großen Kostspieligkeit des Lebens in New-York äußerst wenig. Für diesen Betrag erhält sie Kost, Wohnung mit Bett und Wäsche. Findet sich am Ende vom Jahre ein Ueberschuß, so soll dieser auf den Namen derjenigen, welche am längsten im Heim gewohnt haben, bei einer Sparbank niedergelegt werden. Auf diese Weise hat jede Bewohnerin das Bewußtsein, daß sie selbst ihren Antheil zur Erhaltung der Anstalt zahlt, in welcher sie völlig so unabhängig ist wie in ihrem eigenen Hause.
„Ich weiß,“ sagte der ehrwürdige Vorstand, der Herr Halliday, „aus einer fünfunddreißigjährigen Erfahrung als Missionär etwas von den Versuchungen, denen junge, arbeitende Mädchen ausgesetzt sind, und wie schwierig es für sie ist, anständige und bequeme Wohnungen sich zu verschaffen. Privatfamilien sind stets abgeneigt, Kostgängerinnen aufzunehmen, die großen Kosthäuser sind ihnen thatsächlich verschlossen, und sie sind gezwungen, höchst unbequem, ja elend zu leben, weil sie außer Stande sind, die hohen Preise anständiger Logirhäuser zu zahlen. Ein hübsches, reinliches Mädchen kam gestern hierher, um sich anzumelden. Sie war überrascht und entzückt von dem Comfort der Anstalt. ‚Ach‘, sagte sie, ‚der Mangel eines Heim, wie dies, bringt die armen, braven Mädchen um.‘“
Und nun wird es Zeit, das Heim selbst zu beschreiben. Das Gebäude steht in der Elisabethstraße, nahe bei der Canalstraße. Wie der Holzschnitt zeigt, ist es sechsstöckig und hat außerdem ein Erdgeschoß. In letzterem befinden sich:
Der Waschraum, zweiundzwanzig und sechsunddreißig Fuß, mit zwei Nonpareil-Waschmaschinen und Patent-Ausringern, durch Dampf bewegt, der auch dazu verwendet wird, dem Wasser die gewünschte Temperatur zu geben, sowohl in den Waschmaschinen, wie in den fünf gegenüber befindlichen großen Waschkufen. Ueberall sind Krahnen für heißes und kaltes Wasser. Zweihundert Stücke können in der Stunde gewaschen werden.
Der Maschinen- und Kesselraum, zwanzig und vierundzwanzig Fuß. Er enthält zwei horizontale Kessel, sechsunddreißig und einhundertundacht Zoll, mit Wasser- und Dampfmesser, selbst arbeitendem Dämpfer u. s. w. In drei getrennten Röhrenleitungen geht der Dampf aus diesen Kesseln nach der sechspferdestarken Dampfmaschine, dem Dampftische in dem Speisesaale, nach den großen Kesseln in der Küche, nach den getrennten immensen Thee- und Kaffeekesseln, nach den Heißwasserbehältern auf den Gängen und nach den zur Erwärmung aller Räume und Hausfluren angebrachten Röhrenleitungen. Da das Wasser aus dem städtischen Reservoir in der Regel nur bis zum zweiten Stockwerke aufsteigt, so pumpt die Dampfmaschine große gußeiserne Wasserbehälter auf der obersten Hausflur voll, deren Inhalt zur Reinlichkeit, Bequemlichkeit und Sicherheit gegen Feuersgefahr ausreicht.
Der Trockenraum, über dem Maschinenraum und von gleicher Größe und durch eine Hebemaschine mit dem Waschraume in Verbindung. Er enthält sechszehn leichtrollende Staffeln, mit dreihundertsechszig Fuß Leine über flachen Dampfröhren und mit einem starken Zug, und eine durch Dampf getriebene Mangel, [793] fähig, dreihundert Stücke in der Stunde zu mangeln. Die Trockenröhren trocknen Gegenstände eben vom Ringen in achtzehn Minuten, geeignet, um auf die Mangel oder den Plätttisch gebracht zu werden, nach dem Verhältniß von sieben- bis achthundert Stück in der Stunde.
Der Plättraum über dem Trockenraume, dreiundzwanzig und zwanzig Fuß, mit Tischen, Eisenheizern, Dampfstärke, Kessel etc.
Die Küche, zweiundzwanzig und sechsunddreißig Fuß, enthält vier Dampfkessel für Fleisch und für Gemüse, zwei zu fünfundzwanzig Gallonen und zwei zu fünfundvierzig, einen Ofen, und einen tragbaren Backofen, der im Stande ist, fünfhundert Pfund zugleich zu braten. Eine Hebemaschine (dumbwaiter) steht in Verbindung mit dem Speisesaale.
Die Bäckerei, zweiundzwanzig und sechsunddreißig Fuß, mit einem Ofen wie der in der Küche; er hält zweihundert Laib Brod. Mulden etc. sind in genügender Zahl vorhanden, außerdem eine sehr bequeme und ingeniöse Maschine zum Brodschneiden.
Der Baderaum enthält zwölf Abtheilungen, jede mit einer eisernen verglasten Badewanne, heißem und kaltem Wasser, Kleiderhaken und Stühlen. Das heiße Wasser liefert ein großer eiserner in der Mitte des Raumes befindlicher aufrechtstehender Kessel, der vierhundertfünfzig Gallonen hält und, durch hundertsechszig Fuß Dampfröhren geheizt, im Stande ist, bei mäßigem Drucke dreißig Gallonen Wasser in der Minute zu heizen.
Die Keller, acht an Zahl, jeder acht und sechsunddreißig Fuß groß. Zum Aufbewahren von Lebensmitteln, Gemüsen etc., alle gut ventilirt, erleuchtet und kühl.
Mehrere Gewölbe unter dem Bürgersteg zur Aufnahme von Steinkohlen, Holz u. dergl. Alle Erdgeschoßräume sind mit Fließen belegt, die nach der Mitte zu in eine Abzugsröhre ablaufen, ausgenommen der Waschraum, der mit georgischer Fichte gedielt ist. – Ein sechs Fuß weiter Flur läuft auf der Nordseite von einem Ende des Gebäudes zum andern, mit den nöthigen Quergängen zur Verbindung aller Theile.
Längs der Südseite des Gebäudes befindet sich ein hundertfünfundsiebenzig Fuß langer und einundzwanzig Fuß breiter Hof, zur Hälfte mit Platten belegt zum Spazieren und die andere Hälfte für Blumen und Gewächse.
Bei meinem Eintritt empfing mich im ersten Stocke die Matrone des Hauses, Mrs. Porter, auf die freundlichste Weise und erklärte sich auf mein Ersuchen sofort bereit, mich durch die Anstalt zu begleiten. Das Zimmer, in dem wir uns befanden, diente zum Empfange. Sie selbst mit zwei jungen Damen besorgte hier und in dem daneben gelegenen Raume, dem Bureau, die Verwaltungsangelegenheiten, als Buchführung, Inventarisation, Casse etc. Beide Zimmer sind nett möblirt, mit Teppichen belegt und jedes von zwei dreiarmigen Gascandelabern beleuchtet.
Es folgen demnächst, direct mit dem Empfangszimmer und mit der Halle vereinigt, drei durch sehr breite Rollthüren verbundene Parlors, jedes etwa vierundzwanzig und sechsunddreißig Fuß groß. Das erste ist zur mündlichen und musikalischen Unterhaltung und zur Gesellschaft bestimmt, zu welchem Ende ein gutes Piano und eine kleine Salonorgel beschafft sind. Das zweite dient zum Lesen und Studiren; es finden sich da Zeitungen, Monatsschriften und der Anfang einer Bibliothek von populären Werken. Ich erbot mich im Namen der Gartenlaube, ein Exemplar derselben zu senden, und bitte mich nicht zu desavouiren. Das dritte Parlor dient für die mit weiblichen Handarbeiten u. dgl. beschäftigten Mädchen, in welch’ nützlicher Beschäftigung auch Unterricht ertheilt wird. Willcox und Gibbs haben dieser Abtheilung drei ihrer geräuschlosen Nähmaschinen (noiseless sewing machines) zum Geschenke gemacht. Die Bewohnerinnen arbeiten nur für sich, nie für die Anstalt. Diese drei Parlors sind freundlich tapezirt, mit hübschen Teppichen belegt und von zehn dreiarmigen Gascandelabern erleuchtet.
Der Speisesaal zerfällt in vier Abtheilungen, welche ganz in derselben Weise wie die der Parlors unter einander verbunden werden können. Er ist mit drei Zwanzig-Gallonen-Kesseln für Thee, Kaffee und heißes Wasser, einem Dampftisch, um die Speisen warm zu halten, zweckmäßig eingerichteten Ablaufständern zum Spülen und Trocknen des Porcellans, Hebemaschine von der Küche und über achtzig Tischen, jeder für die sechs Bewohner eines Schlafraumes bestimmt, versehen. Vierzehn zweiarmige Gasleuchter erhellen diese Räume.
Das Eishaus versorgt Empfangszimmer, Bureau, Parlors, Speisesäle und eine Fontaine in der Mitte des Corridors auf jedem Stockwerke mit der köstlichen Labung des Eiswassers. Die übrigen fünf Stockwerke sind unter sich ganz gleichmäßig eingerichtet. Sie sind mit Krahnen für kaltes und heißes Wasser und deren Ableitung ausgestattet, an den Enden jedes Corridors mit Gasreflectoren, welche auch während der Nacht brennen, erleuchtet und mit acht Abtritten an jedem Ende jedes Corridors versehen. Die Corridore sind so weit, hoch, luftig und mit allen Bequemlichkeiten versorgt, daß sie in ihrer Länge von je zweihundert Fuß und sechs und ein halb Fuß Breite bei jedem Wetter und in jeder Jahreszeit eine angenehme Promenade gewähren.
Für die Beamten, deren Gehülfen und die Dienstboten, im Ganzen ungefähr dreißig, sind auf jedem Stockwerke an beiden Enden des Gebäudes ein Wohnzimmer, zwei Schlafräume und ein Gang vorbehalten. Auch der Ingenieur wohnt daselbst.
Für die aufgenommenen Frauenzimmer sind auf jedem Stockwerke zwölf Schlafräume bestimmt, von welchen jeder durch je zwei gegenüber liegende Fenster leicht zu lüften ist. Jeder Schlafraum enthält sechs Bettstellen, theils von Eisen, theils von Holz, mit sechs auf Springfedern ruhenden Latten als Auflage für die gut gestopften Matratzen, schwere leinene Laken mit blendend weiß überzogenen Kissen, Wolldecken und Bettdecken, sechs nette und starke Stühle, einen runden Tisch, zwei schön angestrichene Waschtische, sechs größere Geschirre zum Wasserabschütten, sechs Waschbecken, Eimer, Handtücher, Spiegel u. s. w. bis zur Seife, fünfzig Kleiderhaken und darüber fünfundzwanzig Fuß Bretter zum Auflegen, Kamin und Gaslicht. Letzteres findet sich sogar in [794] den Baderäumen, um den Arbeiterinnen, die den ganzen Tag aus sind, den Luxus eines Bades noch am Abende oder Morgens frühe zu gewähren.
Die Gesammtzahl der Schlafräume beträgt achtzig, welche also vierhundertundachtzig Frauen aufnehmen können; öffentliche oder gemeinschaftliche Räume sind neun vorhanden, die einen Flächenraum von sechstausend sechshundert Quadratfuß besitzen. Der Industrie und dem Geschäfte sind elf Räume gewidmet; Aborte giebt es sechsundneunzig. Die Corridore, ausschließlich der Treppen, haben einen Flächeninhalt von mehr als zwölftausend Quadratfuß, der Hofraum von mehr als viertausend.
Die einzige Arbeit, welche von den Kostgängerinnen verlangt wird, ist, daß sie am Morgen ihr Zimmer aufräumen und ihr Bett machen. Selbst das Fegen und Reinigen thun die Dienstboten und schütten den Kehricht in ein auf jedem Corridor dazu bestimmtes, mit einem Deckel versehenes großes Gefäß von Eisenblech.
Einen höchst angenehmen Eindruck macht die überall sichtbare scrupulöseste Reinlichkeit, über die ich mich nicht enthalten konnte, Mrs. Porter meine Anerkennung auszusprechen, und besonders dankbar und rühmend muß es, bei dem sich sonst stets in derartigen Angelegenheiten dick thuenden Sectarianismus, anerkannt werden, daß keine Einwohnerin nach ihrem Glaubensbekenntnisse auch nur befragt werden darf und daß auch in religiöser Beziehung ihnen eine gleiche Freiheit zusteht, als lebten sie im eigenen Hause. Die Hausordnung ist folgendermaßen regulirt. Um halb sechs Uhr des Morgens wird das Zeichen zum Aufstehen gegeben, und um halb sieben Uhr das aus Kaffee, Weißbrod, Butter und einer Fleischspeise, Beefsteak oder Haché, Fricandellen und dergleichen bestehende Frühstück eingenommen. Um sieben Uhr gehen die Mädchen aus und nehmen ihren Lunch (Butterbrod mit einem feinen Gebäcke, wie Ingwerkuchen, Teignüsse und dergleichen) mit sich. Gewöhnlich kommen sie gegen fünf Uhr Abends nach Hause. Um halb sechs Uhr wird das Diner genommen. Es besteht aus zwei Fleischspeisen, worunter immer Roastbeef, zwei Gemüsen neben Kartoffeln, Butterbrod und Thee. Nach dem Diner begeben sich die meisten der Bewohnerinnen nach den glänzend erleuchteten Parlors, wo jede thut und treibt, wozu sie eben Lust hat. Um neun Uhr wird eine Hymne oder sonst ein religiöses Lied gesungen. Um elf Uhr müssen alle zu Bette sein, und die Gasflammen in den Zimmern werden gelöscht.
Ob dieser Versuch gelingen mag, ob die edlen Absichten der menschenfreundlichen Begründer sich verwirklichen werden? Wer kann es voraussagen? Falsche Scham, unrichtige Auffassung, jene entsetzliche Gleichgültigkeit, die so oft Folge von harten Schicksalsschlägen ist, der Egoismus der Lasterhaften unter dem stärkeren Geschlechte und aller Derjenigen, die aus dem Beköstigen derer, für welche die Anstalt berechnet ist, ein Geschäft machen, werden ohne Zweifel Schwierigkeiten und Hindernisse aller Art heraufbeschwören, allein ich habe das feste Vertrauen, daß dennoch viel Gutes durch der Arbeiterinnen Heim bewirkt, manche halb Verlorene aufgerichtet werden wird.