Dem Liederkomponisten Karl Löwe
[804] Dem Liederkomponisten Karl Löwe wird am 30. November d. J., zur Wiederkehr seines hundertsten Geburtstages, in dem Ort seiner Herkunft, Löbejün bei Halle a. d. Saale, ein Denkmal geweiht werden: die von Fritz Schaper modellierte stattliche Porphyrbüste veranschaulicht die untenstehende Abbildung. Auch wir benutzen diesen Anlaß gern, die Bedeutung des hervorragenden echt deutschen Musikers, dessen klang- und kraft- und stimmungsvolle Balladen noch heute mit ungeschwächtem Erfolg von unseren hervorragendsten Konzertsängern gesungen werden, den Lesern ins Gedächtnis zu rufen. Karl Löwe war der Sohn eines sächsischen Dorfkantors; er besuchte das Gymnasium in Halle, wo er von D. G. Türk Musikunterricht erhielt. Seine hervorragende Begabung, die er als Chorsänger auch öffentlich bethätigte, zog dem Knaben einflußreiche Gönnerschaft zu; als König Jerome von Westfalen die Stadt Halle besuchte, setzte er ihm ein Stipendium aus, damit er sich ganz der Musik widmen könne. Entzog auch bald darauf der Sturz Napoleons ihm diesen Vorteil, so blieb Löwe doch auch während der folgenden Jahre des theologischen Studiums seinem inneren Berufe treu, und 1820 wurde er als Kantor der Jakobskirche und Musiklehrer am Gymnasium nach Stettin berufen, wo er im nächsten Jahr auch zum städtischen Musikdirektor ernannt ward. Seine eigene Thätigkeit als Sänger gab er hier keineswegs auf; aus ihr vielmehr erwuchs seine Lust zur Komposition solcher Lieder, die seiner Sinnesart und Geschmacksrichtung entsprachen. Als seine Balladen, deren erste der „Edward“ und der „Erlkönig“ waren, bekannter wurden, machte er vielfach Konzertausflüge, die ihn wiederholt auch nach England führten, auf denen er seine Balladen vortrug. Er wählte für diese Gesangskompositionen, deren musikalische Form er sich selber erfand, mit Vorliebe solche Gedichte, die ihren Stoff der romantischen Sagen- und Märchenwelt entnahmen, und er hat es meisterhaft verstanden, bei Festhaltung eines kraftvollen epischen Hauptmotivs die lebendigste Anschaulichkeit mit einer Stimmung zu verschmelzen, die dem Worte Tiecks von der „mondbeglänzten Zaubernacht“ bewundernswert gerecht wird. Löwe, der zweimal glücklich verheiratet war, verblieb 46 Jahre in seiner Stettiner Stellung. Die letzten Jahre seines Lebens, 1866 bis zum 20. April 1869, verlebte er in Kiel, wie früher auch auf anderen Gebieten des musikalischen Schaffens, im besondern für Männern- und Oratoriengesang, schöpferisch thätig. Sowohl in Stettin als in Kiel begeht man seinen Ehrentag gleichfalls durch die Weihe eines ihm gewidmeten Denkmals.