De vulgari eloquentia/II. Buch – Zwölftes Kapitel

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Zwölftes Kapitel.
Aus welchen Versen die Stanzen bestehen, und von der Anzahl der Sylben in den Versen.


Es gibt auch, wie oben gesagt ist, eine gewisse Beschaffenheit, welche wir bei der Abfassung der Verse in Betrachtung ziehen müssen, und daher wollen wir hierauf Rücksicht nehmen, indem wir demnach wiederholen, was wir oben von den Versen sagten. In unserm Gebrauche scheinen hauptsächlich drei Verse den Vorrang der Anwendung zu haben, nämlich der elfsylbige, der siebensylbige und der fünfsylbige, und diese, haben wir hinzugefügt, müßten vorzugsweise gewählt werden. Von diesen verdient durchaus, wenn wir tragisch dichten wollen, der siebensylbige wegen einer gewissen Trefflichkeit das Vorrecht bei der Abfassung. Denn es gibt eine Stanze, welche blos in elfsylbigen Versen abgefaßt zu werden pflegt, wie die des Guido von Florenz:

Donna mi prega, perch’ io voglia dire.

Und auch wir haben gedichtet:

Donne, che avete intelletto d’Amore,

So sind auch die Spanier verfahren, und ich meine die Spanier, welche in der Volkssprache Oc gedichtet haben. Amerigo de Belemi:

Nuls hom non pot complir adrectiamen.

Eine Stanze gibt es, in welche nur Ein siebensylbiger Vers verwebt wird, und dies kann nirgend anders sein, als wo die Stirn ist oder der Schweif, weil (wie gesagt ist) in den Füßen und Volten Gleichheit der Verse uns Sylben beobachtet wird, weshalb auch eine ungleiche Zahl von Versen nicht sein kann, als wo Stirne oder [153] Schweif nicht ist; aber wo diese sind oder eins von beiden allein, darf man sich einer gleichen und ungleichen Zahl der Verse bedienen nach Gefallen; und wie eine gewisse Stanze durch Einen siebensylbigen Vers gebildet ist, so scheint sie auch aus zwei, drei, vier, fünf dergleichen gebildet werden zu können, sofern nur im Tragischen der elfsylbige überwiegt und den Anfang macht; dennoch finden wir, daß Einige mit dem siebensylbigen tragisch angefangen haben, nämlich Guido dei Ghisilieri und Fabricio, die Bolognesen:

Di fermo sofferire.     Und

Donna lo fermo cuore.     Und

Lo mio lontano gire.

und einige Andere. Aber wenn wir auf deren Sinn genau eingehen wollen, so wird diese Tragödie nicht ohne einigen Schatten von Elegie einherzuschreiten scheinen. Auch von dem fünfsylbigen Verse geben wir dies nicht zu; in einem großen Gedichte genügt es, daß ein einziger fünfsylbgier Vers in der ganzen Stanze vorkomme, oder aufs Höchste zwei in den Füßen, und ich sage in den Füßen wegen der Nothwendigkeit, mit welcher in den Füßen und Volten gesungen wird: am wenigsten aber scheint der dreisylbige Vers im Tragischen genommen werden zu dürfen, für sich bestehend; und ich sage für sich bestehend, weil er vermöge eines gewissen Wiederhalls der Reime häufig genommen zu sein scheint, wie man in der Kanzone des Florentiners Guido finden kann:

Donna mi prega perch’ io voglia dire.

Und in der, welche wir gemacht haben:

Poscia che Amor del tutto m’ha lasciato.[WS 1]

Und hier ist der Vers durchaus nicht für sich, sondern nur ein Theil des elfsylbigen Verses, dem Reime des [154] vorhergehenden Verses wie Nachhall antwortend.[1] Hieraus kannst du denn, o Leser, hinlänglich abnehmen, wie die Stanze beschaffen sein müsse; denn Beschaffenheit scheint man von den Versen nehmen zu müssen, und dies ist nun hauptsächlich zu merken hinsichtlich der Beschaffenheit der Verse, daß, wenn der siebensylbige Vers in den ersten Fuß eingemischt wird, er dieselbe Stelle, welche er hier hat, auch in dem zweiten einnimmt, nämlich wenn der dreimaßige Theil einen ersten und letzten elfsylbigen Vers hat, und einen mittleren, das heißt, zweiten, siebensylbigen, so muß auch der letzte elfsylbige Verse und einen mittleren fünfsylbigen haben, sonst könnte die Verdoppelung des Gesanges nicht geschehen, nach welchem sich die Füße richten, wie gesagt ist, und folglich könnten es nicht Füße sein, und was wir von den Füßen sagen, gilt auch von den Volten, denn in nichts sehen wir, daß die Füße und die Volten sich unterscheiden als nur in der Lage, weil die Füße vor, die Volten nach der Theilung der Stanze genannt werden. Und wie mit dem dreimaßigen Fuße, so erkläre ich, daß es auch mit allen andern zu halten sei, und was von einem siebensylbigen Fuße, das sagen wir auch von zweien, und von mehreren, und von dem fünfsylbigen und von jedem andern.


  1. Zum Beispiel lauten in der angeführten Kanzone Poscia etc. der zweite und dritte Vers:

    Non per mio grato,
    Che stato non avea tanto giojoso,

    wo also stato den antwortenden Nachhall bildet.

Anmerkungen (Wikisource)