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David und Salomo
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XXIV.
2. Chron. 6, 1–11; 12–21; 22–42.


1.

 Die Lection hat drei Theile. Der erste besteht aus dem Ausruf des Königs: Es hat dem HErrn gefallen im Dunkeln zu wohnen, und ich habe dem HErrn ein Haus gebaut. Salomo sieht die gewaltige Wolke und es geht über ihn ein Schauer; aber mitten in dem Schauer läßt er doch seine Stimme hören und freut sich, daß er dem HErrn ein Haus gebaut hat. Der zweite Theil enthält den Segen Salomos über das Volk. Salomos Auge klebt nicht neugierig an dem Dunkel, sondern er wendet sich vom Angesicht des HErrn zum Volk und spricht ihm den Segen. Der dritte Theil enthält ein Dankgebet des Königs, in welchem er alles was verheißen und erfüllt ist bis zu der Stunde, da er redet, zusammenfaßt mit einer Schicklichkeit, daß man sieht, wie wohl bedacht alles ist und wie er in dem was er sagt und verschweigt das Andenken seines Vaters schont und nichts sagt, was dem zur Unehre gereichen könnte, der im Grabe ruht.

 Und der, der sich so benimmt und so redet, ist ein Jüngling von 24 Jahren, noch unerfahren, der in Pracht und Herrlichkeit bis daher gelebt hat! Er kann so reden in| diesem Augenblick, er verliert die Sprache nicht vor dem Wunder, er kann die Wolke deuten als Zeichen der Gegenwart des HErrn und sich des von ihm erbauten Hauses freuen in dieser Stunde und findet den Muth zum Volke zu reden wie sein Vater David. Ein großes, königliches Gemüth des jungen Salomo! Er sieht die bisherige Erfüllung der Verheißungen und gibt in großartigen Worten Ausdruck und Gestalt dem was alle fühlen. Aus dem ganzen Benehmen, dem Reden und Handeln Salomos bei der Tempelweihe sieht man, was der Geist Gottes aus einem Menschen machen kann, der ihm nicht widerstreitet. Später hat er sich von seinem Gott gewendet, da sah er den HErrn nimmer im Licht, geschweige im Dunkeln, da hat er den Weg unter den Füßen verloren am hellen Mittag. Aber in seiner Jugend hatte er erleuchtete Augen, da war seine Seele offen, sein Geist mit Gott verbunden und Gottes Friede war mit ihm. Ruhiger, nüchterner und heiliger konnte Niemand in dieser Stunde reden und handeln. Darum sei Preis dem Gott, der dem Menschen solche Gaben des Geistes und Gemüths gibt, wenn er Seinen Geist in sich walten läßt. Laßt auch ihr den guten Geist in euch walten, widerstrebet nicht und betrübet nicht den Geist Gottes, daß ihr nicht, anstatt Gefäße zur Ehre, Gefäße zur Unehre werdet, zu eurer eignen Schmach und Schande.


2.
 Ihr habt eben gehört, daß für den hohen Feiertag vor dem Brandopferaltar eine eherne Kanzel aufgerichtet worden sei. Ihr könntet euch dabei erinnern, daß manchmal vor euch die Bemerkung gemacht worden ist: die Kanzel sei nicht sehr alt, sondern eine Erfindung der Prediger- und Bettelmönche, welche die Menge des zuhörenden Volks nöthig gemacht hat.| Und nun finden wir hier im Vorhof des Tempels eine eherne Kanzel 5 Ellen weit, 5 Ellen breit und 3 Ellen hoch. Was werdet ihr aber sagen, wenn ich euch eine andere Uebersetzung lese, die eben so großen Anspruch auf Richtigkeit macht und die die Worte so wiedergibt: Er hatte ein kupfernes Waschbecken gemacht und mitten in den Vorhof gestellt? Indessen ein anderer Gelehrter der Neuzeit läßt doch die „Kanzel“ hier stehen. Jedenfalls sieht man aus diesen verschiedenen Erklärungen, daß die Stelle eine widersprochene ist, aus der man auf das Alter der Kanzel keine Schlüsse machen kann. – Wichtiger ist die Bemerkung, die ich über das Gebet Salomos machen möchte: Es ist unverkennbar eine gewisse Beziehung des Gebetes auf den Ort, wo gebetet wird, vorhanden. Salomo sagt, daß aller Himmel Himmel Den nicht fassen können, dem er das Haus gebaut habe, geschweige das Haus selbst. Aehnliches hat er ja auch schon dem Könige Hiram geschrieben. Salomo kennt also ganz genau die Lehre von der Unermeßlichkeit, Allgegenwart und Allwissenheit Gottes, er weiß, daß ER keiner Bewegung an einen Ort hin bedarf, weil ER schon aller Orten gegenwärtig ist. Dennoch knüpft er das Gebet, sein eigenes Dank- und Bittgebet und das Gebet des Volks, an den Ort des irdischen Heiligthums: Höre das Gebet, das dein Knecht an dieser Stätte thut – höre das Flehen deines Knechts und deines Volkes Israel, das sie bitten werden an dieser Stätte etc. So wäre es also doch kein Unsinn, wenn ein Mensch bei aller Wissenschaft, daß Gott allgegenwärtig ist, seinen Sinn beim Gebet zu einem besonderen Ort richtet; es wäre kein falscher Gedanke, wenn wir den HErrn an einem besonderen Ort suchen und finden wollten; es wäre nichts der Lehre von der Allgegenwart Gottes Widersprechendes, wenn Jakob sagt: Gewißlich ist der HErr an diesem Ort;| hier ist nichts anderes denn Gottes Haus etc. Es ist leicht zu vereinigen und Salomo traut seinem Volke den Verstand zu, beides zusammenzureimen, daß der HErr gegenwärtig ist in der Wolke im Tempel und daß doch der Himmel die Stätte Seiner Wohnung ist (V. 21). Man muß eben sagen: der Allgegenwärtige ist an dem Ort, da ER eingekehrt ist, auf eine besondere Weise gegenwärtig. Dann ist ER aber auch auf besondre Weise gegenwärtig bei denen, zu denen Er gesagt hat: Wo zwei oder drei versammelt sind in Meinem Namen, da bin Ich mitten unter ihnen. Dann ist ER nach einer besonderen Weise Seiner Gegenwart auch bei denen, denen ER Sein Sacrament reicht, dann ist ER auch in unsrer Kirche, wenigstens so oft sich die Gemeinde versammelt, Sein Wort zu hören und Sein Sacrament zu empfangen. Es gibt demnach Gotteshäuser in alt- und in neutestamentlichem Sinn, und es wäre also nichts Schwärmerisches, nichts Romanisierendes, wenn wir singen: Heut kommt der HErr zu uns im Sacrament. Daraus geht dann aber auch für euch die Verpflichtung hervor, euch so zu benehmen, daß der HErr euch sehen kann, und euch in Andacht und Ehrfurcht zu bereiten, wenn der HErr euch Sein Wort verkündigen und Seine Himmelsgüter reichen läßt.


3.
 Wenn schon in dem allgemeinen Theil des Gebets Salomos, das den Inhalt der vorigen Lection bildet, die Beziehung auf das Haus, das hier gebaut und von der Wolke heimgesucht worden ist, sich nicht verkennen läßt, so tritt sie doch noch mehr hervor bei der folgenden Reihe der einzelnen Fürbitten. Der Refrain der einzelnen ist immer der gleiche. Es sind zunächst allgemeine Nöthe und Landplagen: Kriegsunglück, Dürre, Theuerung etc. genannt, um deren Abwendung| in diesem Hause gebetet werden wird; dann ist gedacht des Gebets der Fremdlinge; endlich schaut Salomo in die ferne Zukunft und faßt schon den Fall der Wegführung des Volkes in die Gefangenschaft ins Auge und fleht um Erhörung aller Gebete in jeglicher Noth, die an diesem Ort oder auch nur in der Richtung gegen diesen Ort zu Gott emporgeschickt werden. Aber nicht nur um Erhörung des Gebets in gemeiner Noth, sondern auch der Anliegen Einzelner geht Salomo den HErrn an (V. 29–31). Dabei ist ein Ausdruck bemerkenswerth. Es heißt nämlich: Wenn Jemand bittet – – so wollest Du gnädig sein und Jedermann geben nach allem seinem Wege, nachdem Du sein Herz erkennst. Der HErr behandelt einen Jeden nach dem Weg, den er einschlägt. Welche Richtung dein Herz nimmt, darnach wird ER dich behandeln in deinen Gebeten. Des Gerechten Gebet wird erhört, wenn es ernstlich ist; wenn aber dein Weg nicht richtig ist, so wird ER, der die Herzen kennt, sich darnach zu dir stellen. Daraus geht hervor, daß jeder Mensch, wenn Gott ihn behandelt wie er’s verdient, zur Buße sich wenden muß. Jeder Mensch muß Buße thun, denn Buße wandelt die Strafe; dem Bußfertigen erläßt Gott die Schuld, schont ihn und erquickt ihn und handelt mit ihm wie ein Vater mit seinem Sohne.
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 Der Schluß des Gebetes Salomos ist nicht minder schön. Wie Moses während des Wüstenzuges, so oft ein Lagerplatz gefunden war, den HErrn aufforderte, stille zu stehen, so lädt jetzt Salomo den HErrn ein, zu Seinem Heiligthum zu kommen als zu Seiner Ruhe, denn der HErr hat ja nun Jerusalem und den Berg Morija zu Seiner Wohnung erwählt, ER hat dem Salomo erlaubt ein Haus zu bauen, so kann ihn nun auch Salomo einladen, hier einzukehren zu Seiner Ruhe. Wenn aber der HErr über Seiner Lade thront,| so muß ER auch den rechten Dienst haben. Deshalb fährt Salomo fort: Laß Deine Priester sich kleiden mit Gerechtigkeit und Deine Heiligen sich freuen. Den Schluß macht Salomo so schön mit einer Bitte für sich und seine Nachfolger auf dem Thron: Wende nicht weg das Antlitz Deines Gesalbten, gedenke an die Gnade, die Du Deinem Knecht David verheißen. Sein eignes Bedürfniß tritt ihm zurück hinter dem was die Gemeinde bedarf. Wenn man in der Gemeinschaft der Heiligen lebt, dann kommen die Fürbitten zuerst; zu sich kehrt der Beter zuletzt ein. Es ist ein Fehler, wenn die Kirche und die Bedürfnisse des Ganzen dem Beter nicht im Vordergrund der Seele stehen. Aber manchmal wird der schwache Mensch nicht fertig, für sich selbst zu beten, und es geht ihm schwer sich aufwärts zu schwingen zur Fürbitte für andere. Was ist da zu thun? Nun du mußt freilich dem Zug deiner Seele folgen, wenn dein Herz von deinen eignen Anliegen so voll ist, daß du damit nicht fertig werden kannst: aber du mußt dich doch tadeln, wenn du den Weg Salomos nicht findest, und Buße thun, daß du es nicht fertig bringst all das Deine auf den HErrn zu werfen. Wenn du Buße thust für all dein Versäumniß in der Fürbitte, dann wird dein Gott dich bessern und in der heiligen Gebetskunst von einer Stufe zur andern führen.
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