« 15. Vortrag Wilhelm Löhe
David und Salomo
17. Vortrag »
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XVI.
1. Chron. 23, 2–5; 6–13; 14–Cap. 24, 1.


1.
 Von der ersten Stunde seines Königreiches an bis zu seinem Ende war es Davids immerwährendes Bestreben, dem HErrn ein Haus zu bauen und den Dienst des Hauses Gottes aufs innigste zu vereinen mit seinem Königthum. An Einem und demselben Orte sollten beide, sein Gott und er selbst, mit einander wohnen und thronen und so die Idee der Theokratie verwirklicht werden. In diesem Bestreben bleibt sich David gleich sein ganzes Leben hindurch. Er hat den Ort gekauft, wo er das Haus des HErrn bauen wollte, auch die Stätte des Brandopferaltars hat er bestimmt, da er stehen sollte für die ganze Zeit des Vorbilds und vielleicht auch des Urbilds, und nun hat er, da er als blutiger Kriegsmann den Tempel des HErrn nicht bauen darf, nichts Besseres zu thun als Vorrath herbeizuschaffen und alles zuzurichten, damit sein Sohn nur beginnen darf. Aber in Israel gab’s keine Künstler, kaum die nöthigsten Handwerker; das Kunsthandwerk hatte in Israel keine Heimath; da muß die Schaar der Fremdlinge, die im Lande hin und her giengen, Gewerbe und Künste betrieben, in Dienst genommen werden. Wir erfahren aus 2. Chron. 2, daß die Zahl dieser Fremdlinge 153600 Mann betrug. Daraus kann man sich einen Begriff machen, was es zu thun gab, denn alle diese Leute aßen das Brot des Königs nicht feiernd, sondern schafften in täglicher eifriger Arbeit; 3600 Aufseher waren bestellt sie zur Arbeit anzutreiben. Alle diese Leute stellt David schon an, wie sie auch Salomo nachher zum Tempelbau verwendete, und nun fängt er an herbeizuschaffen, was der Tempel bedarf:| Steine, Eisen, Kupfer, Holz, Cedern ohne Zahl und Gold und Silber in Menge. Sein Grundsatz war, Salomo, dem zarten Jüngling, nicht die große Last aufzubürden, darum will er selbst, der alte König, alles herbeischaffen, damit sein Sohn in die geordnete Arbeit eintreten kann. Er gibt ihm das Modell, die Risse zum Tempel, die Anweisung wie alles gemacht werden solle – und dann stirbt er. Wie Moses das Land Canaan kennt und es beschreibt wie kein Geograph, aber jenseits des Jordans sterben muß und nur vom Berge aus hineinschauen darf, so hat auch David sein Lebensziel vor Augen, schafft und arbeitet dafür, aber er darf’s nicht erreichen. Er muß die Noth und Arbeit der Vorbereitung für sich behalten und die Freude des Bauens und der Vollendung des Baus dem nachfolgenden Geschlechte überliefern. – Arbeiten können, wo man nicht genießen darf, eine Saat aussäen, deren Ernte man nicht erblicken und einheimsen darf, und dennoch arbeiten, als gälte es eignen Besitz: das ist Größe eines königlichen Herzens, die wir, wie so vieles andre an David bewundern, und auch der heilige Geist hat es Werth geachtet in den heiligen Büchern aufzeichnen zu lassen die letzte Arbeit des großen Königs David.


2.
 Hat uns die vorige Lection die Größe des sterbenden Regenten gezeigt, so zeigt uns diese die Größe des Vaters. David steht da in all seiner Würde und Weisheit, und vor ihm steht sein junger Sohn, zitternd vor der Aufgabe, die seiner wartet, so daß der Vater ihn ermahnen muß unverzagt zu sein. Der Vater sagt dem Sohn: es wird dir gelingen, aber er weist ihn nicht blos auf die Hilfe Gottes hin, sondern er sagt ihm auch die Bedingung an, an welche die Verheißung| geknüpft ist: wenn du hältst seine Gebote. Obgleich der Segen auf Salomo ruhte und David deshalb ruhig seine Augen zuthun konnte, so macht er seinen Sohn doch auf die Möglichkeit aufmerksam, daß er durch eigene Schuld alles was ihm verheißen war, zerstören könne. Wenn Salomo vor Beendigung des Tempelbaus in die Sünde seines Alters gefallen wäre, so wäre ihm das Glück genommen worden das Haus des HErrn zu bauen, und die Verheißung würde auf einen andern Sohn Davids übergegangen sein. David hatte also vollkommen Recht, daß er seinen jungen Sohn nicht blos tröstete, sondern auch warnte und ihm die Bedingung alles Segens und Gelingens: den Gehorsam gegen Gottes Gebote, einschärfte. Der alte König hat es ja selbst erfahren: wie viel Leid und Wehe hat er als Strafe seiner Sünde kosten müßen, bis er in sein letztes Lebensstadium treten und untergehen konnte wie eine Sonne. – David hat das Wehe nun innerlich überwunden, daß er das Haus des HErrn nicht bauen darf; himmlische Freude bildet den Grund seiner Ergebung. „Ich – sagt er zu seinem Sohn – darf’s nicht thun, denn ich bin ein Kriegsmann und habe viel Blut vergießen müßen, aber du bist ein Fürst der Ruhe und des Friedens, wenn auch Wetter drohen, so werden sie doch unter dir nicht ausbrechen; darum wirst du das Werk des Friedens ausrichten können.“ – David und Salomo stehen sich hier einander gegenüber. Beide sind Vorbilder auf Christum.
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 David ist ein Vorbild auf den HErrn JEsus; ja, man kann sagen: alles ist – mit Ausnahme seiner Sünde – an ihm vorbildlich; seine Psalmen laden immer ein zur Beziehung auf den andern David. Rechnet man die Sünde vom Leben Davids ab, so hat man den Schattenriß für den Lebensgang des Hochgelobten in seiner Erniedrigung und| Erhöhung. Auch Salomo ist ein Vorbild auf Christum nach Abrechnung seines schweren Falles, der aber vielleicht auch seine Rückkehr gehabt hat. Die beiden Seiten, die des Siegers und Triumphators und die des Friedenskönigs, können aber in Einem Menschenleben nicht dargestellt werden. Darum vertheilt sich im Vorbild auf David und Salomo was in der Person des HErrn im Urbild vereinigt ist. Der HErr JEsus in Seinem Kampf und Leiden kann nicht besser dargestellt werden als in David, Sein Friedens- und Herrlichkeitsreich nicht besser als in Salomo, nur daß Krieg und Leiden, Sieg und Triumph Davids dem des Erlösers doch verwandter ist als das Friedensreich Salomos dem des ewigen Königs. Das Leiden ist uns eben hienieden überhaupt vertrauter als die Freude. Wenn man in ein Meer von Leiden schaut – das faßt man; aber in ein Meer von Freuden zu schauen, das fassen wir nicht, wer faßt hier „ewige Seligkeit“ und „ewige Freude?“ Daher bleibt David weitaus der Seele näher als Salomo; Salomos Reich wird man mehr verstehen, wenn man die Erfahrungen jener Welt hat.


3.
 Der König David ist 70 Jahre und wird ausdrücklich „alt“ genannt (24, 1), wiewol seine Väter älter wurden. Aber manches Leben ist mit hundert Jahren nicht reifer als manches von wenig Jahren. Das Alter hängt nicht sowol von der Zahl der Jahre ab, als von Thaten, Kämpfen und Leiden, die das Leben füllten. David war aber nicht blos alt, sondern auch lebenssatt (Cap. 24, 1). Das will etwas heißen. Die Erfahrung ist, daß zwar die Jugend oft gerne sterben will – wenn auch manchmal in Thorheit –, das Alter aber will in der Regel nicht sterben. Dem 80jährigen Greis| fällt ein, er sei von gestern her, es sei, als wenn er erst gestern jung gewesen wäre. David aber ist lebenssatt. Er ist alt mehr durch Erfahrung als durch Jahre, und ist satt des Lebens, so groß und herrlich es gewesen; aber seines Gottes ist er nicht satt noch seiner heiligen Religion, er ist nicht stumpf für die höchsten Interessen seiner Seele. Das Leben kann er entbehren, denn er kann warten auf das Heil Gottes. Er weiß, daß es jetzt hinunter geht in den Scheol, in die Ruhe, und wenn das auch noch nicht die im neuen Testament dem Volke Gottes vorhandene Ruhe ist, so klagt er nun doch nicht mehr wie im 6. Psalm: „Wer wird Dir in der Hölle danken?“ denn er weiß, daß der Zustand nach dem Tod besser ist als dieses Leben und daß er im Tode nicht bleiben wird. Er nennt dieses Leben ein Elend. Aus seinem Elend (Luther: Armuth) heraus hat er die große Stiftung zum Hause Gottes gemacht. So wenig ist er seines Gottes müde, so wenig hat er sich satt gebetet und gesungen, daß alle Gedanken seiner Seele in der ganzen Zeit seines Alters dahingehen, der Nachwelt Gottesdienste zu überliefern, wie niemand sonst als Israel sie haben konnte, und deren Ruhm in alle Lande strahlt. Seiner Arbeit kann ein Mann satt werden, aber wie einer der Gottesdienste satt werden kann, das sollte man nicht begreifen. Eine jede Seele sollte so viel Freude an den schönen Gottesdiensten des HErrn haben, daß sie derselben ewig zu genießen und unter dem lauten Sang und Klang der Gottesdienste hier auf Erden hinüberzugehen wünschte zu den ewigen im Himmel. So hinterläßt denn David seinem Volke das Beste, indem er ihm Gottesdienste stiftet. 100000 Centner Gold, 1 Million Centner Silber, alles was man zum Bauen brauchte, hat er herbeigeschafft. Wer hat je wie er gestiftet? Denkt an den Hirtenjüngling! Was hat er damals gehabt? Und nun er| alt worden ist, hat ihm Gott all diesen Reichthum geschenkt. Denn wenn auch jener Centner nicht gleich dem unsrigen ist, so muß man doch den höheren Wert des Geldes in damaliger Zeit bedenken. Aber David stiftet nicht blos selbst, sondern er beruft auch einen Landtag, und da muß alles stiften. Der alte König, der sich nicht mehr erwärmen, der kaum mehr auf den Füßen stehen kann, nimmt noch einmal seine Kraft zusammen. Er ermuntert die Obersten seinem Sohne Salomo treulich zu helfen. Er sagt: der HErr hat alle Einwohner des Landes in meine Hände gegeben, ihr habt nun nichts mehr zu thun, mein Erbe, das ich euch hinterlasse, ist die Ruhe, die euch Gott gegeben hat; wenn ich nun in meine Todesruhe gehe, so thut ihr das schönste Werk der Lebensruhe und baut das Haus des HErrn, daß man die Lade des Bundes des HErrn und die heiligen Gefäße hineinbringe etc. Das war die letzte Rede Davids, der man nichts von Altersschwäche anmerkt, aus der uns die Morgenluft einer andern Welt anweht. So muß David eifern für die schönen Gottesdienste des HErrn und ihren Fortbestand auch über seine Lebenszeit hinaus, damit anzudeuten, daß Gottes Preis und Lob bleiben soll auf Erden, bis hereinbrechen wird das Reich des ewigen Salomo und das ewige Freudenleben beginnt, das kein Ende nehmen wird. Amen.
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