David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie/Kapitel 9

8. Über die Theorie der relativquadratischen Zahlkörper. David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie (1932) von David Hilbert
9. Über die Theorie des relativquadratischen Zahlkörpers.
9.I Allgemeine Definitionen und vorbereitende Sätze
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9. Über die Theorie des relativquadratischen Zahlkörpers.
[Mathematische Annalen Bd. 51, S. 1–127 (1899).]
Einleitung.

Es sei ein beliebiger Zahlkörper zugrunde gelegt; der Grad dieses Körpers heiße und die zu konjugierten Zahlkörper mögen mit bezeichnet werden. Die Anzahl der Idealklassen des Körpers werde genannt.

Bezeichnet irgendeine ganze Zahl in die nicht gleich dem Quadrat einer Zahl in ist, so bestimmt zusammen mit den Zahlen des Körpers einen Körper vom Grade welcher relativ quadratisch in bezug auf den Körper ist und mit oder auch kurz mit bezeichnet wird. Es entsteht die Aufgabe, die Theorie der relativquadratischen Zahlkörper aufzustellen und zu begründen. Dieses Problem erscheint mir als eine naturgemäße Verallgemeinerung desjenigen Problems, das den Gegenstand der „disquisitiones arithmeticae“ von Gauss bildet.

Die Theorie des relativquadratischen Körpers führte mich zur Entdeckung eines allgemeinen Reziprozitätsgesetzes für quadratische Reste, welches das gewöhnliche Reziprozitätsgesetz zwischen rationalen Primzahlen nur als ein vereinzeltes Glied in einer Kette der wunderbarsten und mannigfaltigsten Zahlenbeziehungen erscheinen läßt.

Die Methoden, welche ich im folgenden zur Untersuchung der relativquadratischen Körper angewandt habe, sind bei gehöriger Verallgemeinerung auch in der Theorie der relativ-Abelschen Körper von beliebigem Relativgrade mit gleichem Erfolge verwendbar und führen dann insbesondere zu den allgemeinsten Reziprozitätsgesetzen für beliebig hohe Potenzreste innerhalb eines beliebigen algebraischen Zahlenbereiches[1].

Wenn man den in der vorliegenden Arbeit dargelegten Beweis des allgemeinen Reziprozitätsgesetzes für quadratische Reste auf die von Kummer behandelte Theorie der -ten Potenzreste im Körper der -ten Einheitswurzeln überträgt, so entsteht ein neuer Beweis des Kummerschen Reziprozitätsgesetzes für -te Potenzreste, welcher sich sowohl von den Kummerschen wie von meinen bisher gegebenen Beweisen wesentlich dadurch unterscheidet, daß darin das besondere aus der Kreisteilung herstammende Eisensteinsche Reziprozitätsgesetz nicht zur Verwendung gelangt.

Unter den Anwendungen meiner Theorie nenne ich hier die Aufstellung der Kriterien dafür, daß eine quadratische diophantische Gleichung mit beliebigen algebraischen Koeffizienten in dem durch diese Koeffizienten bestimmten Rationalitätsbereiche lösbar ist.

Die vorliegende Arbeit zerfällt in zwei Abschnitte. Der erste Abschnitt behandelt die allgemeinen Definitionen und vorbereitenden Sätze in der Theorie der relativquadratischen Körper für einen beliebigen Grundkörper , der zweite Abschnitt entwickelt vollständig die Theorie des relativquadratischen Körpers in bezug auf einen solchen Grundkörper , der nebst seinen sämtlichen konjugierten Körpern imaginär ist und überdies eine ungerade Klassenanzahl besitzt. Was den Fall eines beliebigen Grundkörpers betrifft, so gedenke ich die wichtigsten Sätze der entsprechenden Theorie demnächst in den Göttinger Nachrichten mit einer kurzen Angabe der Beweise zu veröffentlichen[2].

  1. Vgl. das von der K. Gesellschaft der Wiss. zu Göttingen für das Jahr 1891 gestellte Preisthema.
  2. Vgl. meinen in der Mathematiker-Vereinigung zu Braunschweig 1897 gehaltenen Vortrag „Über die Theorie der relativquadratischen Zahlkörper“. (Dieser Band Abh. 8, S. 364–369.)
8. Über die Theorie der relativquadratischen Zahlkörper. Nach oben 9.I Allgemeine Definitionen und vorbereitende Sätze
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