David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie/Kapitel 7.28

7.27 Anwendungen der Theorie des Kreiskörpers auf den quadratischen Körper. David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie (1932) von David Hilbert
7.28 Die Zerlegung der Zahlen des Kreiskörpers im Kummerschen Körper.
7.29 Die Normenreste und Normennichtreste des Kummerschen Körpers.
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Fünfter Teil.
Der Kummersche Zahlkörper.


28. Die Zerlegung der Zahlen des Kreiskörpers im Kummerschen Körper.
§ 125. Die Definition des Kummerschen Körpers.

Es bezeichne eine ungerade rationale Primzahl und den durch bestimmten Kreiskörper. Ist dann eine solche ganze Zahl in , welche nicht zugleich die -te Potenz einer Zahl in wird, so erweist sich die Gleichung -ten Grades

als irreduzibel im Rationalitätsbereich . Bedeutet eine irgendwie in bestimmter Weise ausgewählte Wurzel dieser Gleichung, so sind

deren übrige Wurzeln. Den durch und bestimmten Körper nenne ich einen Kummerschen Körper. Ein solcher Kummerscher Körper ist vom Grade ; er enthält den Kreiskörper als Unterkörper und ist in bezug auf ein relativ Abelscher Körper vom Relativgrade . Durch die Operation der Vertauschung von mit in einer Zahl oder in einem Ideal dieses Kummerschen Körpers geht man zu der relativ konjugierten Zahl bezüglich dem relativ konjugierten Ideal über. Dieser Übergang werde durch Vorsetzen des Substitutionszeichens angedeutet.

Man beweist leicht die Tatsachen:

Satz 147. Der durch und bestimmte Kummersche Körper ist im Bereiche der rationalen Zahlen dann und nur dann ein Galoisscher Körper, wenn unter den symbolischen Potenzen eine die -te Potenz einer Zahl in wird. Dabei ist , worin eine Primitivzahl nach bedeutet.

Der Kummersche Körper ist insbesondere dann und nur dann ein Abelscher Körper, wenn die -te Potenz einer Zahl in wird.

Wenn der Kummersche Körper ein Galoisscher oder insbesondere ein Abelscher Körper ist, so entsteht dieser Körper, wie man auf Grund der in § 38 entwickelten Begriffe ersieht, durch Zusammensetzung aus dem Kreiskörper und einem gewissen Körper -ten Grades.

§ 126. Die Relativdiskriminante des Kummerschen Körpers.

Unsere erste Aufgabe ist die Ermittlung der Relativdiskriminante von in bezug auf . Wir beweisen zunächst die folgende Tatsache:

Hilfssatz 23. Wenn ein Primideal des Kreiskörpers gleich der -ten Potenz eines Primideals des Kummerschen Körpers wird und eine ganze durch , aber nicht durch teilbare Zahl in ist, so enthalten die Relativdiskriminante der Zahl und die Relativdiskriminante des Kummerschen Körpers in bezug auf genau die gleiche Potenz von als Faktor.

Beweis. Jede ganze Zahl des Kummerschen Körpers ist offenbar in der Gestalt

(68)

darstellbar, so daß , , , …, , ganze Zahlen in sind. Ist dabei durch teilbar, so folgt, daß auch der Zähler des rechter Hand stehenden Bruches kongruent nach sein muß. Wegen nach geht hieraus nach und, da in liegt, auch nach hervor. Aus der letzten Kongruenz ergibt sich

, ,

und da , , , …, nach ist, so folgt nach und daher auch nach , also ist auch

, ().

Wegen , , …, nach folgt nach und daher auch nach . Fahren wir so fort, so erkennen wir, daß notwendig alle Koeffizienten , , , …, durch teilbar sein müssen. Ist jetzt eine ganze Zahl in , welche durch teilbar, aber nicht durch teilbar ist, so werden die Zahlen , , …, sämtlich durch teilbar. Wir setzen

, , …,

und erhalten dann

, (69)

wo die im Nenner stehende Zahl jetzt einen Idealfaktor weniger enthält als . Wenden wir die eben auf (68) angewandte Schlußweise nunmehr wiederum auf (69) an usf., so gelangen wir schließlich zu dem Resultat, daß jede ganze Zahl des Körpers in der Gestalt

(70)

darstellbar ist derart, daß , , …, , sämtlich ganze Zahlen in sind, und daß außerdem zu prim ausfällt. Wir denken uns nun die Zahlen einer Basis des Kummerschen Körpers gemäß (70) ausgedrückt und bilden aus diesen Zahlen und den zu ihnen relativ konjugierten Zahlen die -reihige Matrix; es wird dann ersichtlich, daß die Relativdiskriminante des Kummerschen Körpers nach Multiplikation mit gewissen zu primen ganzen Zahlen des Körpers durch die Relativdiskriminante der Zahl teilbar werden muß, und hiermit ist der Hilfssatz 23 bewiesen.

Satz 148. Es werde und gesetzt. Geht ein von verschiedenes Primideal des Kreiskörpers in der Zahl genau zur -ten Potenz auf, so enthält, wenn der Exponent zu prim ist, die Relativdiskriminante des durch und bestimmten Kummerschen Körpers in bezug auf genau die Potenz von als Faktor. Ist dagegen der Exponent ein Vielfaches von , so fällt diese Relativdiskriminante prim zu aus.

Was das Primideal betrifft, so können wir zunächst den Umstand ausschließen, daß die Zahl durch teilbar ist und dabei genau in einer solchen Potenz enthält, deren Exponent ein Vielfaches von ist; denn alsdann könnte die Zahl sofort durch eine zu prime Zahl ersetzt werden, so daß derselbe Körper wie ist. Unter Ausschluß des genannten Umstandes haben wir die zwei möglichen Fälle, daß genau eine Potenz von enthält, deren Exponent zu prim ist, oder daß nicht durch teilbar ist. Im ersteren Falle ist die Relativdiskriminante von in bezug auf genau durch die Potenz von teilbar. Im zweiten Falle sei der höchste Exponent , für den es eine Zahl in gibt, so daß nach ausfällt. Jene Relativdiskriminante ist dann im Falle zu prim; sie ist dagegen im Falle genau durch die Potenz von teilbar.

Beweis. Gehen wir zunächst auf den ersten Teil des Satzes 148 ein. Es sei eine durch , aber nicht durch teilbare ganze Zahl in , und weiter sei eine durch teilbare, aber zu prime ganze Zahl in .

Ist der Exponent der in enthaltenen Potenz von kein Vielfaches von , so können wir zwei ganze rationale positive Zahlen und bestimmen, so daß ist. Dann ist durch , aber nicht durch teilbare ganze Zahl in , und es erweist sich, wenn gesetzt wird, , und wenn wir den gemeinsamen Idealteiler von und im Körper mit bezeichnen,

, .

Das Ideal ist also ein ambiges Primideal des Kummerschen Körpers in bezug auf den Unterkörper ; nach Satz 93 tritt dasselbe daher in der Relativdiskriminante von in bezug auf als Faktor auf. Da ferner die Zahl durch , aber nicht durch teilbar ist, und da die Relativdiskriminante der Zahl in bezug auf den Wert hat, so ist nach Hilfssatz 23 das Ideal auch in der Relativdiskriminante des Körpers genau zur -ten Potenz enthalten.

Ist dagegen der Exponent der in enthaltenen Potenz von ein Vielfaches von , so ist eine nicht durch teilbare ganze Zahl in ; da die Relativdiskriminante der Zahl in bezug auf den Wert hat, so ist sie zu prim. Das gleiche gilt mithin von der Relativdiskriminante des Körpers in bezug auf .

Jetzt betrachten wir die Verhältnisse in betreff des Primfaktors . Im Falle, daß derselbe in zu einem solchen Exponenten erhoben aufgeht, der kein Vielfaches von ist, verfahren wir in entsprechender Weise, wie im ersten Teil dieses Beweises bei Behandlung des Primideales verfahren wurde, indem wir an die Stelle von eine Zahl bringen, die durch , aber nicht durch teilbar ist. Da die Relativdiskriminante der Zahl den Wert hat, so ist, nach der Beschaffenheit von , dem Hilfssatze 23 zufolge die Relativdiskriminante des Körpers in bezug auf genau durch teilbar.

An zweiter Stelle haben wir den Fall zu untersuchen, daß nicht durch teilbar ist. Der für diesen Fall in Satz 148 bezeichnete Exponent sei zunächst ; es gebe also eine ganze Zahl in derart, daß nach ist; dabei wird dann eine ganze Zahl in , und folglich besitzt die Gleichung -ten Grades in

.

lauter ganze Koeffizienten. Da , wo gesetzt ist, eine Wurzel dieser Gleichung ist, so erweist sich die Zahl des Körpers als ganze Zahl. Die Relativdiskriminante dieser Zahl ist gleich , wo eine Einheit bedeutet, und folglich ist auch die Relativdiskriminante des Körpers in bezug auf zu prim.

Zweitens sei , so daß also nicht einer -ten Potenz nach kongruent gesetzt werden kann; wir setzen nach , wo eine ganze Zahl in , ferner der im Satze erklärte Exponent ist und eine ganze rationale, nicht durch teilbare Zahl bedeutet. Wir betrachten nun das Ideal

.
Die Zahl ist sicher keine ganze Zahl, da ihre Relativnorm in bezug auf , d. h. wegen eine gebrochene Zahl ist, also ist die Zahl nicht durch teilbar; mithin ist das Ideal von verschieden. Andererseits ist auch nicht , da die Relativnorm der Zahl wegen
,  (71)

durch teilbar ist. Da sich erweist, so ist ein ambiges Ideal, und da dasselbe ein Faktor von sein muß, so gehört unter den gegenwärtigen Umständen zur ersten von den drei in § 57 beim Beweise des Satzes 93 unterschiedenen Arten von Primidealen des Unterkörpers, d. h. wir haben , wo ein Primideal und offenbar ersten Grades im Körper bedeutet. Aus der Kongruenz (71) ergibt sich dann .

Nunmehr bestimmen wir zwei ganze rationale positive Zahlen und , so daß wird, und setzen

.

Wegen folgt

,

und wir schließen aus diesem Ausdrucke, daß genau durch die -te Potenz von teilbar ist. Da von jeder Differenz aus irgend zwei zu relativ konjugierten Zahlen das gleiche gilt, so enthält die Relativdiskriminante der Zahl in bezug auf genau die -te Potenz des Ideals . Hieraus folgt, da nur durch die erste Potenz von teilbar ist, nach Hilfssatz 23, daß auch die Relativdiskriminante des Körpers in bezug auf genau durch die angegebene Potenz von teilbar sein muß.

Durch den eben bewiesenen Satz 148 ist die Relativdiskriminante des Kummerschen Körpers in bezug auf den Körper völlig bestimmt, und nach Satz 39 kann man aus dieser Relativdiskriminante sogleich auch die Diskriminante des Kummerschen Körpers finden.

§ 127. Das Symbol .

Für die weiteren Entwicklungen ist es nötig, das in § 113 eingeführte Symbol in folgender Weise zu verallgemeinern, so daß es auch in den Fällen eine Bedeutung hat, wo in aufgeht, und wo ist.

Es sei ein beliebiges Primideal in und eine beliebige ganze Zahl in , welche nicht -te Potenz einer ganzen Zahl in ist. Wenn dann die Relativdiskriminante des durch und bestimmten Kummerschen Körpers durch teilbar ist, so habe das Symbol den Wert .

Ist dagegen die Relativdiskriminante dieses Körpers nicht durch teilbar, so kann man nach Satz 148 stets eine Zahl in finden derart, daß eine ganze, nicht mehr durch teilbare Zahl in wird. Ist selbst zu prim, so erfüllt bereits diese Bedingung. Wir definieren dann, wenn ist, das fragliche Symbol durch die Formel

.

Wenn aber ist, so kann, da die Relativdiskriminante von prim zu sein soll, nach dem Satze 148 die Zahl überdies so gewählt werden, daß nach ausfällt. Ist dies geschehen, so gilt eine Kongruenz von der Gestalt

, ,

wo eine bestimmte Zahl aus der Reihe , , , …, bedeutet. Ich definiere dann das Symbol durch die Gleichung

.

Ist die -te Potenz einer ganzen Zahl in und ein beliebiges Primideal in , so werde stets genommen.

Auf diese Weise ist der Wert des Symbols für jede ganze Zahl und für jedes Primideal in eindeutig festgelegt, und zwar wird dieser Wert entweder gleich oder gleich einer bestimmten -ten Einheitswurzel.

Ist endlich ein beliebiges Ideal des Körpers und hat man , wo , , …, Primideale in sind, so möge, wenn eine beliebige ganze Zahl in ist, das Symbol durch die folgende Gleichung definiert werden:

.

Sind , beliebige Ideale in , so gilt dann offenbar die Gleichung:

.
§ 128. Die Primideale des Kummerschen Körpers.

Es sei eine ganze Zahl in , aber keine Zahl dieses Körpers. Die Aufgabe, die Primideale des Kreiskörpers in Primideale des Kummerschen Körpers zu zerlegen, wird durch folgenden Satz gelöst:

Satz 149. Ein beliebiges Primideal in ist in dem durch und bestimmten Kummerschen Körper entweder gleich der -ten Potenz eines Primideals oder zerlegbar in voneinander verschiedene Primideale oder selbst Primideal, je nachdem oder oder gleich einer von verschiedenen -ten Einheitswurzel ausfällt.

Beweis. Der erste Teil dieses Satzes bezieht sich auf die in der Relativdiskriminante des Kummerschen Körpers aufgehenden Primideale; dieselben sind nach Satz 93 ambig. Hieraus oder aus dem Beweise des Satzes 148 ergibt sich für diese Primideale die Richtigkeit der Behauptung.

Wenn ein nicht in der Relativdiskriminante des Körpers aufgehendes Primideal ist, so möge eine durch nicht teilbare ganze Zahl von der Art sein, daß der Quotient gleich der -ten Potenz einer Zahl in ist. Der Körper wird dann auch durch und festgelegt.

Wir untersuchen zunächst den Fall, daß ist. Wenn dann ausfällt, so ist nach Satz 139 die Zahl ein -ter Potenzrest nach . Wir bestimmen, was offenbar möglich ist, eine ganze Zahl in derart, daß

,  und , 

wird; alsdann bilden wir die relativ konjugierte Ideale

und erhalten leicht

.

Wegen

ist von , und folglich sind alle Primfaktoren , , ..., des Ideals untereinander verschieden. Das Primideal in gehört also zu der zweiten der drei im Beweise zu Satz 93 aufgezählten Arten von Primidealen des Unterkörpers: es zerfällt in in voneinander verschiedene Primideale. Umgekehrt, wenn ein Primideal des Körpers , wo jetzt auch sein kann, in voneinander verschiedene Primideale , , ..., des Körpers zerfällt, so wird, wenn die durch teilbare rationale Primzahl und die Norm von ist,

,

und mithin ist die Norm von , im Körper genommen, , ebenfalls gleich . Die Gleichheit der Normen und läßt, wie in § 57, die Tatsache erkennen, daß eine jede ganze Zahl des Körpers einer ganzen Zahl des Körpers nach kongruent gesetzt werden kann; setzen wir insbesondere nach , wo in liegen soll, so folgt nach , und da eine Zahl in ist, so muß auch nach sein, d. h. es gilt . Damit ist zugleich für ein von verschiedenes Primideal der letzte Teil des Satzes 149 vollständig bewiesen.

Was endlich das Primideal anbetrifft, so gilt, falls die Relativdiskriminante des Körpers in bezug auf durch nicht teilbar ist, für die Zahl dem Satze 148 gemäß eine Kongruenz von der Gestalt

, ,

wo eine ganze rationale Zahl bedeutet. Soll nun , d. h. durch teilbar sein, so folgt daraus eine Kongruenz von der Gestalt

, ,

wo wiederum eine ganze rationale Zahl bedeutet. Ist hierin nicht durch teilbar, so setzen wir ; ist dagegen durch teilbar, so setzen wir , dann folgt

, .

Demnach genügt die Zahl stets einer Kongruenz

, ,

wo nun eine ganze rationale, nicht durch teilbare Zahl bedeutet, und hieraus folgt, wenn und

gesetzt wird, für die Zerlegung

.

Wegen

ist von verschieden, und daher sind auch alle Primideale , , …, untereinander verschieden.

Umgekehrt, wenn eine Zerlegung dieser Art im Kummerschen Körper gestattet, so stimmen nach einer oben gemachten und, wie dort erwähnt, auch für zutreffenden Bemerkung die Normen von in und von in überein, und es muß daher jede ganze Zahl des Körpers einer ganzen Zahl des Körpers nach kongruent sein. Da alsdann nach Satz 93 gewiß nicht in der Relativdiskriminante des Körpers in bezug auf enthalten ist, so können wir nach Satz 148 nach setzen, und demgemäß ist eine ganze Zahl. Da ein Primideal ersten Grades in wird, so können wir diese ganze Zahl kongruent nach setzen, so daß eine ganze rationale Zahl bedeutet; dann folgt, wenn als Bezeichnung der Relativnorm in bezug auf dient, die Kongruenz

d. h.

es ist mithin . Diese Tatsachen beweisen auch für das Primideal den letzten Teil des Satzes 149.

Durch den Satz 149 haben wir ein einfaches Mittel erlangt, um die im Beweise des Satzes 93 aufgezählten drei Arten von Primidealen eines Körpers in Hinsicht auf einen relativ-zyklischen Oberkörper von einem Primzahlrelativgrade für den vorliegenden Fall der Körper und zu unterscheiden.

7.27 Anwendungen der Theorie des Kreiskörpers auf den quadratischen Körper. Nach oben 7.29 Die Normenreste und Normennichtreste des Kummerschen Körpers.
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