18. Die Existenz der Geschlechter im quadratischen Körper.
§ 71. Der Satz von den Normen der Zahlen eines quadratischen Körpers.
Es bleibt noch übrig, den anderen Teil des Fundamentalsatzes 100 als richtig zu erkennen, d. h. den Nachweis zu führen, daß die eben gefundene Bedingung, welche ein System von
Einheiten
notwendig erfüllen muß, damit dasselbe als das Charakterensystem eines Geschlechtes in
vorkommen kann, auch für diesen Umstand hinreichend ist. Dieser Nachweis kann auf zwei völlig verschiedenen Wegen erbracht werden; der erste Weg ist rein arithmetischer Natur, der zweite benutzt wesentlich transzendente Hilfsmittel. Der erste Beweis geschieht durch folgende Überlegungen:
Satz 102[2]. Wenn
‚
zwei ganze rationale Zahlen bedeuten, von denen
keine Quadratzahl ist, und die für jede beliebige Primzahl
die Bedingung
|
|
erfüllen, so ist die Zahl
stets gleich der Norm einer ganzen oder gebrochenen Zahl
des Körpers
.
Beweis. Wegen
ist gemäß der Bemerkung auf S. 172 oben wenigstens eine der beiden Zahlen
,
positiv. Wir dürfen voraussetzen, daß
und
keine rationalen quadratischen Faktoren enthalten. Bedeutet dann
eine in
als Faktor enthaltene Primzahl, welche zugleich in der Diskriminante
des Körpers
aufgeht, so ist
gleich der Norm eines Ideals in
. Bedeutet ferner
eine ungerade, in
, aber nicht in
aufgehende Primzahl, so ist, wegen
,
|
|
diese Primzahl
ebenfalls gleich der Norm eines Ideals in
. Ist endlich die Primzahl 2 in
, aber nicht in der Diskriminante des Körpers
enthalten, so ist wegen
wiederum die Primzahl 2 gleich der Norm eines Ideals in
, und mithin gibt es in
gewiß stets ein Ideal
derart, daß
wird. Wir wählen nun in der
durch
bestimmten Idealklasse ein solches Ideal
aus, dessen Norm
ist, wo
die Diskriminante des durch
bestimmten Körpers bedeutet. Dies ist nach Satz 50 stets möglich. Wir setzen dann
und
; dabei bedeutet
eine ganze oder gebrochene Zahl in
, und es wird
, wo das positive oder das negative Vorzeichen gilt, je nachdem
positiv oder negativ ausfällt. Die ganze rationale Zahl
fällt daher insbesondere gewiß positiv aus, falls
negativ ist. Da
den Wert
oder
hat, so ist gewiß
, und hieraus folgt
, sobald
, d. h.
ist. Andererseits gilt wegen
die Gleichung
und dann nach Formel
in Satz 98 auch
für jede beliebige Primzahl
.
Wir machen nun die Annahme, daß der zu beweisende Satz 102 bereits
für jeden Körper
feststehe, bei welchem die bestimmende Zahl
,
mag sie positiv oder negativ sein, der Ungleichung
genügt. Sowie
die vorhin gefundene Zahl
die Bedingung
erfüllt und keine
Quadratzahl ist, muß dann, da. auch die Bedingung
für jede
beliebige Primzahl
gilt, infolge der angenommenen Gültigkeit unseres Satzes 102, die Zahl
die Norm einer Zahl
im Körper
sein, d. h. es gibt zwei ganze oder gebrochene rationale Zahlen
und
derart, daß
wird; wenn aber
eine Quadratzahl ist, so versteht sich die
Möglichkeit dieser Gleichung ohne weiteres. Da
sein muß, so folgt hieraus
, d. h. es ist
die Norm einer Zahl
im Körper
. Die Verbindung dieser Tatsache mit der Gleichung
ergibt
‚ wo
wieder eine Zahl in
bedeutet.
Der vollständige Beweis unseres Satzes 102 wird hiernach offenbar geführt sein, sobald wir seine Richtigkeit für alle die Fälle erkannt haben, in denen
und zugleich
statthat. Bei dieser Einschränkung der Zahlen
,
treffen die Bedingungen des Satzes 102 nur in 8 Fällen zu. Die Gleichungen
zeigen, daß in diesen 8 Fällen unser Satz 102 gültig ist.
Man erkennt leicht, daß der Satz 102 auch in der Abänderung zutrifft, daß die Erfüllung der Bedingung
nur für alle ungeraden Primzahlen
verlangt, dann aber die Bedingung hinzugefügt wird, daß wenigstens eine der beiden Zahlen
,
positiv ist [Lagrange (1[1]), Legendre (1[3]), Gauss (1[4])]; in der Tat ist nach Hilfssatz 14 die Gleichung
dann von selbst miterfüllt.
§ 72. Die Klassen des Hauptgeschlechtes.
Am Schlusse des § 66 haben wir gezeigt, daß das Quadrat einer Idealklasse stets dem Hauptgeschlechte angehört. Durch den Satz 102 des § 71 haben wir ein Mittel, die umgekehrte Tatsache einzusehen.
Satz 103. In einem quadratischen Körper ist jede Klasse des Hauptgeschlechtes stets gleich dem Quadrat einer Klasse [Gauss (1[4])].
Beweis. Es sei
im Körper
eine Klasse des Hauptgeschlechts,
ein solches Ideal aus der Klasse
, welches zur Diskriminante
des Körpers
prim ausfällt, und
sei die mit dem bezüglichen Vorzeichen gemäß § 65 versehene Norm des Ideals
. Diese Zahl
erfüllt dann für jede beliebige Primzahl
die Bedingung
, und es ist mithin dem Satze 102
zufolge
, wo
eine ganze oder gebrochene Zahl des Körpers
bedeutet. Setzen wir
‚ wo
und
zueinander prime Ideale seien, so
folgt
, und mithin ist notwendigerweise
. Da
ist,
so folgt
.
Die eben bewiesene charakteristische Eigenschaft der Ideale des Hauptgeschlechts steht in engem Zusammenhange mit einer anderen gleichfalls charakteristischen Eigenschaft dieser Ideale, welche in folgendem Satze ihren Ausdruck findet:
Satz 104. Sind
,
Basiszahlen des quadratischen Körpers
und
,
Basiszahlen eines zum Hauptgeschlecht von
gehörigen Ideals
, und ist endlich
eine beliebig gegebene ganze rationale Zahl, so lassen sich stets vier rationale Zahlen
,
,
,
finden, deren Nenner zu
prim sind, für welche die Determinante
den Wert
hat, und vermittelst derer
|
|
wird.
Beweis. Man bestimme ein zu
äquivalentes Ideal
‚ welches zu
prim ist. Wie in dem Beweise zum Satz 103 bereits benutzt wurde, ist
, wenn das Vorzeichen gemäß § 65 gewählt wird, stets gleich der Norm einer ganzen oder gebrochenen Zahl
im Körper
. Dabei kann
so gewählt werden, daß es eine zu
prime ganze rationale Zahl
gibt, so daß
ganz wird. Das Ideal
besitzt die Basiszahlen
|
|
wo
,
,
,
ganze rationale Zahlen bedeuten. Wegen
ist die Determinante
und daher besitzen die vier
Zahlen
,
,
,
, die im Satze behauptete Eigenschaft.
§ 73. Die ambigen Ideale.
Im quadratischen Körper
werde ein Ideal
ein ambiges Ideal genannt,
wenn es nach Anwendung der Operation
ungeändert bleibt, und wenn es außerdem keine ganze rationale Zahl
als Faktor enthält. (Vgl. § 57.) Es gilt die Tatsache:
Satz 105. Die
in der Diskriminante
des Körpers
aufgehenden, voneinander verschiedenen Primideale
, …,
, und nur diese, sind ambige
Primideale in
. Die
Ideale
,
,
, …,
, …,
…
machen die Gesamtheit aller ambigen Ideale des Körpers
aus.
Beweis. Daß die Primideale
, …,
, und nur diese, ambig sind, folgt aus Satz 96. Ist nun
ein beliebiges, in Primideale zerlegtes ambiges Ideal, so müssen wegen
die zu den Primidealen
,
, …,
konjugierten Primideale
,
, …,
, von der Reihenfolge abgesehen, mit
,
, …,
übereinstimmen. Wenn etwa
sich herausstellen würde,
so besäße
den Faktor
, welcher gleich einer ganzen rationalen Zahl ist; da dieser Umstand der Erklärung des ambigen Ideals zuwider wäre, so muß notwendig
sein und ebenso
, …,
, d. h. die einzelnen Primideale
,
, …,
sind sämtlich ambig. Da die Quadrate der Ideale
, …,
gleich ganzen rationalen Zahlen werden, so schließen wir ebenso, daß die Ideale
,
, …,
notwendig untereinander verschieden sind; damit ist auch der letzte Teil des Satzes 105 bewiesen.
§ 74. Die ambigen Idealklassen.
Wenn
ein Ideal der Klasse
ist, so werde diejenige Idealklasse, der das Ideal
angehört, mit
bezeichnet. Ist insbesondere
, so heißt
die Idealklasse
eine ambige Idealklasse. Da das Produkt
ist, so wird
; und folglich ist das Quadrat einer jeden ambigen Klasse gleich der Hauptklasse 1. Umgekehrt, wenn das Quadrat einer Klasse
gleich
ist, so wird
, und folglich ist
eine ambige Klasse.
§ 75. Die durch ambige Ideale bestimmten ambigen Idealklassen.
Es entsteht nun die Aufgabe, alle ambigen Klassen in
aufzustellen. Da offenbar ein jedes ambige Ideal
vermöge seiner Eigenschaft
eine ambige Klasse bestimmt, so haben wir vor allem zu untersuchen, wie viele voneinander verschiedene ambige Klassen aus den
ambigen Idealen entspringen. Wir bezeichnen allgemein irgend welche vorgelegte Idealklassen als voneinander unabhängige Idealklassen, wenn keine darunter die Klasse 1 ist und auch keine gleich einem Produkte von Potenzen der übrigen dieser
Klassen gesetzt werden kann. Wir sprechen dann folgende Tatsache aus:
Satz 106. Die
ambigen Primideale bestimmen im Falle eines imaginären Körpers stets
voneinander unabhängige ambige Klassen; im Falle eines
reellen Körpers bestimmen sie
oder
voneinander unabhängige ambige Klassen, je nachdem die Norm der Grundeinheit
des Körpers
oder
ist. Die sämtlichen
ambigen Ideale bestimmen im
Falle eines imaginären Körpers
und im Falle eines reellen Körpers, entsprechend der eben gemachten Unterscheidung,
bez.
voneinander verschiedene ambige Klassen.
Beweis. Das Produkt aus sämtlichen in
aufgehenden Primidealen ist gleich
und mithin ein Hauptideal in
. Ist zunächst
negativ, jedoch von
und
verschieden, und
ein ambiges Hauptideal in
, so muß
als Einheit notwendig
sein, wo
die Werte
oder
haben kann; hieraus folgt:
|
oder ,
|
d. h.
ist dann eine ganze rationale Zahl. Damit ist bewiesen, daß in einem imaginären Körper
– von
und
abgesehen – gewiß außer
und
kein ambiges Hauptideal vorhanden ist. Die beiden hier zunächst ausgeschlossenen Fälle erledigen sich unmittelbar im Sinne des zu beweisenden Satzes 106.
Bei der Entscheidung der fraglichen Verhältnisse für einen reellen Körper
kommt es darauf an, ob die Norm der Grundeinheit
des Körpers gleich
oder
ausfällt.
Ist nämlich
, so kann man nach Satz 90 die Formel
durch eine ganze Zahl
in
befriedigen und noch
ohne rationalen Faktor
voraussetzen. Wegen
ist dann
ein ambiges Hauptideal. Dieses Hauptideal
ist von
und von
verschieden; denn wäre
oder
, wo der Exponent
eine ganze rationale Zahl bedeutet, so würde
( bzw. )
|
|
folgen; letzterer Ausdruck aber ist stets von
verschieden. Ist ferner
ein beliebiges ambiges Hauptideal des Körpers
, so ist notwendigerweise
, wo die Exponenten
und
ganze rationale Zahlen bedeuten. Setzen wir
‚ so folgt
, d. h.
ist eine rationale Zahl, und danach gibt es außer
,
und
nur noch ein ambiges Hauptideal, das durch Befreiung des Produkts
von etwaigen ganzen rationalen Faktoren
entsteht.
Ist andererseits
, so gibt es kein von
und
verschiedenes
ambiges Hauptideal in
; denn ist
ein beliebiges ambiges Hauptideal in
,
so gilt notwendigerweise eine Gleichung
mit ganzen rationalen
,
; wegen
ergibt sich
, d. h.
ist eine gerade Zahl. Setzen wir
, so folgt
, d. h.
ist eine
rationale Zahl.
Wir drücken nun von den
ambigen Primidealen in
ein geeignetes durch
und die
übrigen ambigen Primideale und, wenn der Körper
reell und zugleich
ausfällt, weiter noch von diesen
ambigen
Primidealen ein geeignetes durch
und die
übrigen dieser Ideale aus. Hierdurch erkennen wir die Richtigkeit des zweiten Teiles des Satzes 106.
§ 76. Die ambigen Idealklassen, welche kein ambiges Ideal enthalten.
Es gilt die folgende Tatsache:
Satz 107. Es gibt im quadratischen Körper
dann und nur dann eine ambige Klasse, welche kein ambiges Ideal enthält, wenn der Körper
reell ist, das Charakterensystem von
in ihm aus lauter positiven Einheiten besteht und endlich die Norm der Grundeinheit gleich
ausfällt. Sind diese Bedingungen erfüllt, so entstehen alle überhaupt vorhandenen Klassen von jener Beschaffenheit dadurch, daß man eine beliebige unter ihnen der
Reihe nach mit allen aus den ambigen Idealen entspringenden Klassen multipliziert.
Beweis. Wenn der Körper
reell ist und das Charakterensystem von
in ihm aus lauter positiven Einheiten besteht, so gibt es nach Satz 102 in
stets eine ganze oder gebrochene Zahl
, deren Norm
wird. Ist
ferner die Norm der Grundeinheit
, so ist diese Zahl
notwendig
eine gebrochene. Setzen wir
, wo
und
zueinander prime Ideale sein
sollen, so wird
, und hieraus folgt
, also
, und
bestimmt folglich eine ambige Klasse. Diese ambige Klasse enthält kein ambiges Ideal. Wäre nämlich ein Ideal
, wo
eine ganze oder gebrochene Zahl des Körpers
bedeutet, ambig, so würde
folgen, und
mithin wäre
gleich einer Einheit, etwa
, und folglich
, was der Konstruktion der Zahl
zuwiderliefe. Darnit ist bewiesen, daß die durch
bestimmte ambige Klasse kein ambiges Ideal enthält.
Es sei jetzt
eine beliebig gegebene ambige Klasse und
ein Ideal derselben, so ist
gleich einer ganzen oder gebrochenen Zahl
des Körpers
,
und es wird die Norm
entweder
oder
sein. Der erstere
Fall ist der einzig mögliche, wenn der Körper
imaginär ist, oder wenn der Körper
reell ist und wenigstens einer von den Charakteren
den Wert
besitzt. Sowie nun
ist, folgt nach Satz 90, daß
wird, wo
eine ganze Zahl in
bedeutet; dann ist
, d. h.
gleich dem Produkt eines ambigen Ideals in eine rationale Zahl, und die Klasse
enthält mithin ein ambiges Ideal. Ist andererseits
und zugleich
, so wird
, und wir beweisen wie vorhin, daß die Klasse
ein ambiges Ideal enthält. Daraus ersehen wir, daß jede ambige Klasse ein ambiges Ideal enthält, falls der Körper
imaginär ist, und desgleichen, falls der Körper
reell ist und für ihn entweder einer der Charaktere von
den Wert
besitzt oder
ausfällt.
Nehmen wir endlich in dem weiteren Falle, daß keiner dieser Umstände zutrifft, an, es gebe in
mehrere ambige Idealklassen, die kein ambiges Ideal enthalten, und wählen aus zweien darunter je ein Ideal,
und
, aus, so zeigt die vorhin dargelegte Entwicklung, daß die Normen der beiden Zahlen
und
notwendig den Wert
besitzen, und es wird folglich
. Nach Satz 90 ergibt sich hieraus eine Darstellung
mit Hilfe einer geeigneten ganzen Zahl
in
. Setzen wir
‚
wo
eine rationale Zahl und
ein Ideal ohne ganzen rationalen Faktor
bedeute, so folgt wegen
die Gleichung \mathfrak
‚ d. h.
ist ein ambiges Ideal; und dabei ist
. Damit haben wir auch den letzten Teil unseres Satzes 107 bewiesen.
§ 77. Die Anzahl aller ambigen Klassen.
Die Sätze 106 und 107 ermöglichen die Berechnung der Anzahl aller
ambigen Klassen.
Satz 108. Es gibt in jedem Falle im Körper
genau
voneinander unabhängige ambige Klassen, wo
die Anzahl der Einzelcharaktere bedeutet, die das Geschlecht einer Klasse bestimmen. Die Anzahl der sämtlichen voneinander verschiedenen ambigen Klassen ist daher gleich
.
Beweis. Es sei wieder
die Anzahl der verschiedenen in der Diskriminante
des Körpers
aufgehenden rationalen Primzahlen. Betrachten wir
zunächst den Fall, daß
ein imaginärer Körper ist, so folgt aus den Sätzen 106 und 107 das Vorhandensein von genau
ambigen Klassen in
; diese
entspringen sämtlich aus ambigen Idealen. Jetzt sei der Körper
reell; besteht das Charakterensystem der Zahl
in
aus lauter positiven Einheiten, so folgt desgleichen aus den Sätzen 106 und 107 das Vorhandensein
von genau
ambigen Klassen in
; von diesen
ambigen Klassen entspringen hier entweder sämtliche oder nur die Hälfte aus ambigen Idealen,
je nachdem
oder
ausfällt. Besitzt jedoch die Zahl
für
wenigstens einen negativen Charakter, so ist stets
; nach den
Sätzen 106 und 107 gibt es nur
ambige Klassen in
, und diese entspringen sämtlich aus ambigen Idealen. Nun ist die Anzahl
der Einzelcharaktere
, wenn der Körper
reell ist und überdies die Zahl
für
wenigstens einen negativen Charakter besitzt; es ist
in jedem anderen Falle; damit ist unser Satz 108 bewiesen.
§ 78. Der arithmetische Beweis für die Existenz der Geschlechter.
Die gewonnenen Resultate setzen uns in den Stand, auf die Frage nach der Anzahl der Geschlechter die Antwort zu finden, die im Fundamentalsatze 100 ausgesprochen ist; wir können nämlich beweisen, daß diese Anzahl stets gleich
ist, und daß mithin alle diejenigen Charakterensysteme, die der Bedingung des Satzes 100 Genüge leisten, wirklich unter den Geschlechtern vertreten sind. Wir bezeichnen die Anzahl der voneinander verschiedenen existierenden Geschlechter mit
und die Anzahl der Klassen des Hauptgeschlechtes mit
. Da nach § 66 alle Geschlechter die gleiche Anzahl von Klassen enthalten, so ist die Anzahl
sämtlicher Klassen des Körpers
. Bezeichnen wir ferner die
Klassen des Hauptgeschlechtes mit
, …‚
so können wir nach dem Satze 103
, …,
setzen, wo
, …‚
gewisse
Klassen des Körpers bedeuten.
Es sei jetzt
eine beliebige Klasse des Körpers; da
offenbar zum Hauptgeschlecht gehört, so ist
, wo
eine ganz bestimmte der eben eingeführten Klassen
‚ …,
bedeutet. Es ist dann
, d. h. diejenige wieder ganz bestimmte Klasse
, für welche
wird, eine ambige Klasse, und es stellt also der Ausdruck
, wenn
alle ambigen Klassen und
die
Klassen
, …‚
durchläuft, eine jede überhaupt vorhandene Idealklasse des Körpers dar, und auch jede nur auf eine Weise. Da nach Satz 108 die Anzahl der
ambigen Klassen
beträgt, so ergibt sich
, und es führt die Zusammenstellung dieser Gleichung mit der oben gefundenen
zu der Beziehung
. Damit ist der Fundamentalsatz 100 vollständig bewiesen [Gauss (1[4])].
§ 79. Die transzendente Darstellung der Klassenanzahl und eine Anwendung darauf, daß der Grenzwert eines gewissen unendlichen Produktes positiv ist.
Der zweite Beweis für die Existenz der
Geschlechter beruht auf transzendenter Grundlage; wir entwickeln der Reihe nach die folgenden Sätze:
Satz 109. Die Anzahl
der Idealklassen des quadratischen Körpers
mit der Diskriminante
bestimmt sich durch folgende Formel:
|
.
|
Hierin ist das Produkt rechter Hand über alle rationalen Primzahlen
zu erstrecken, und das Symbol
hat die in § 61 festgesetzte Bedeutung. Für den Faktor
gilt, je nachdem der Körper
imaginär oder reell, also
negativ oder positiv ist:
|
bez. .
|
Dabei bedeutet
für
die Zahl
, für
die Zahl
, für jedes andere negative
die Zahl
; andererseits verstehe man für einen reellen Körper
unter
jetzt speziell diejenige seiner vier Grundeinheiten, welche
ist, und unter log
den reellen Wert des Logarithmus dieser Grundeinheit
[Dirichlet (8[5], 9[6])].
Beweis. Nach § 27 gilt, so lange
reell und
ist:
|
,
|
wo das Produkt über alle Primideale
des Körpers
zu erstrecken ist. Ordnen wir dieses Produkt nach den rationalen Primzahlen
, aus welchen
die Primideale
herstammen, so gehört, wie aus Satz 97 folgt, zu einer beliebigen rationalen Primzahl
in dem Produkte das Glied:
|
oder oder ,
|
je nachdem
,
,
ist. Wir schreiben diese drei Ausdrücke in der ihnen gemeinschaftlichen Form:
|
|
und erhalten so:
|
,
|
wo die beiden Produkte rechter Hand über alle rationalen Primzahlen
![{\displaystyle p}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/81eac1e205430d1f40810df36a0edffdc367af36)
zu erstrecken sind. Wegen
,
|
|
wo
alle positiven ganzen rationalen Zahlen durchläuft, wird dann:
.
|
|
Die Richtigkeit unseres Satzes 109 folgt nun aus Satz 56, wenn wir den Wert von
nach § 25 aufstellen. Zur Ermittelung von
ist zu berücksichtigen, daß der Körper
die
Einheitswurzeln
,
‚ der Körper
die 4 Einheitswurzeln
,
, dagegen ein jeder andere imaginäre quadratische Körper
nur die beiden Einheitswurzeln
enthält (vgl. § 62).
Die wichtigste Folgerung der eben bewiesenen Tatsache ist der Satz:
Satz 110. Bedeutet a eine beliebige ganze rationale positive oder negative
Zahl, nur nicht eine Quadratzahl, so ist der Grenzwert
|
|
stets eine endliche und von
verschiedene Größe [Dirichlet (8[5], 9[6])].
Beweis. Es sei
, wo
die größte in
aufgehende Quadratzahl sein soll; es sei ferner
die Diskriminante des durch
bestimmten quadratischen Körpers. Dann folgt für jede ungerade und nicht in
aufgehende rationale Primzahl
gewiß die Gleichung
. Die beiden unendlichen Produkte
und
|
|
können demnach nur in einer endlichen Anzahl von Faktoren voneinander abweichen. Da das erstere Produkt nach Satz 109 in der Grenze für
endlich bleibt, so gilt daher dasselbe auch von dem zweiten Produkt.
§ 80. Das Vorhandensein unendlich vieler rationaler Primzahlen, nach denen gegebene Zahlen vorgeschriebene quadratische Restcharaktere erlangen.
Mit Hilfe des Satzes 110 beweisen wir der Reihe nach folgende Tatsachen: [Dirichlet (9[6]), Kronecker (10[7])].
Satz 111. Bedeuten
,
‚ …‚
irgend
ganze rationale, positive oder negative Zahlen von der Art, daß keine der
Zahlen
,
, …,
,
‚ …,
, …‚
eine Quadratzahl wird, und sind
,
, …,
, nach Belieben vorgeschriebene Einheiten
oder
, so gibt es stets unendlich viele rationale Primzahlen
, für die
|
, , …,
|
ist.
Beweis. Wir haben, solange
ist:
|
|
Da der Ausdruck
, wie in § 50 gezeigt worden ist, für
endlich bleibt, so folgt, daß die über alle rationalen Primzahlen
erstreckte Summe
|
(26)
|
bei Annäherung von
an
über alle Grenzen wächst. Ist ferner
eine beliebige ganze rationale Zahl, so gilt ähnlich für
stets:
|
|
ist
nicht eine Quadratzahl, so bleibt nach Satz 110
für
endlich, und da das gleiche von dem Ausdruck
gilt, so folgt,
daß dann auch die Summe
|
(27)
|
für
sich einer endlichen Grenze nähert. Wir setzen nun in (27)
|
|
ein und geben jedem der
Exponenten
‚
, …,
den Wert
oder
, jedoch so, daß das Wertsystem
,
, …,
ausgeschlossen
bleibt. Wird dann jede so aus (27) herzuleitende Summe noch mit dem
entsprechenden Faktor
multipliziert, und werden die hervorgehenden
Ausdrücke sämtlich zu (26) addiert, so entsteht:
.
|
(28)
|
Diese Summe wird, ebenso wie (26), bei Annäherung von
an
über alle Grenzen wachsen. Sehen wir von den Gliedern ab, die den in
aufgehenden Primzahlen
entsprechen und die nur in endlicher Anzahl vorhanden sind, so ist im übrigen die Summe (28) gleich
, wo
nur alle diejenigen Primzahlen
durchläuft, für welche die im Satze 111 verlangten Bedingungen sämtlich erfüllt sind. Da mithin auch diese letzte Summe für
über alle Grenzen wächst, so folgt, daß jene Primzahlen
in unendlicher Anzahl vorhanden sein müssen. Damit ist Satz 111 bewiesen.
§ 81. Das Vorhandensein unendlich vieler Primideale mit vorgeschriebenen Charakteren in einem quadratischen Körper.
Satz 112. Sind
|
|
die
Einzelcharaktere, welche das Geschlecht eines Ideals
in
bestimmen, und bedeuten
, …,
beliebig angenommene, der Bedingung
genügende
Einheiten
‚ so gibt es stets unendlich viele Primideale
im Körper
, für welche
|
|
ist.
Beweis. In der Diskriminante
des Körpers seien die
rationalen Primzahlen
, …,
, enthalten. Es ist
oder
; in letzterem Falle sei
‚ und die Bedingung
diene zur Bestimmung des Vorzeichens in
. Zugleich schreiben wir in diesem Falle
. Wir beweisen nun zunächst, daß es unendlich viele rationale Primzahlen
gibt, für welche
|
|
ist, und unterscheiden zu dem Zweck drei Fälle, je nachdem
,
, oder
nach
ist.
Im ersten Falle gehen wir von den Forderungen
|
|
aus. Nach Satz 111 gibt es unendlich viele Primzahlen
, welche diesen Gleichungen genügen. Da die erste Gleichung auf
nach
hinauskommt, so wird für diese Primzahlen
dann
|
|
für
gelten.
Im zweiten Falle sei unter den Primzahlen
, …,
etwa
, die Primzahl
. Ist dann
, so legen wir die Forderungen
|
|
zugrunde, und es folgt nach Satz 111, daß es unendlich viele diesen Gleichungen genügende Primzahlen
gibt. Wegen der ersten Gleichung wird
und überdies
für
, …,
‚
, …‚
. Ist dagegen
‚ so fordern wir:
|
|
und die unendlich vielen, diesen Gleichungen genügenden Primzahlen
erfüllen zugleich die Bedingungen:
und
|
|
für
‚ ...‚
,
, ...‚
.
Im dritten Falle endlich suchen wir wieder
heraus. Wir stellen die Forderungen:
, ;
|
|
es existieren nach Satz 111 unendlich viele Primzahlen
, welche ihnen genügen, und für welche dann
|
|
und überdies
für
, …‚
‚
‚ …‚
wird.
Es bedeute nun
eine beliebige solche rationale Primzahl, daß
|
|
gilt. Nach Hilfssatz 14 ist dann
|
|
und folglich
;
|
|
also findet man
im Körper
in das Produkt zweier Primideale
und
zerlegbar. Jedes dieser Primideale
und
erfüllt die Bedingungen des zu beweisenden Satzes 112.
§ 82.
Der transzendente Beweis für die Existenz der Geschlechter und für die übrigen in § 71 bis § 77 erlangten Resultate.
Der Satz 112 zeigt nicht nur die Existenz der
Geschlechter von neuem, sondern er deckt zugleich eine andere tiefer liegende Tatsache auf:
Satz 113. Unter den Idealen eines beliebigen Geschlechtes im quadratischen Körper gibt es stets unendlich viele Primideale.
Hat man den Satz von der Existenz der
Geschlechter auf dem zweiten transzendenten Wege unabhängig von den Sätzen 102, 103 und 108 festgestellt, so ist es leicht, nachträglich auch diese Sätze zu gewinnen. Man hat nämlich dazu nur noch die Kenntnis der Tatsache nötig, daß die Anzahl
der ambigen Klassen in
jedenfalls
ist. Diese Tatsache folgt aus Satz 106 über die Anzahl derjenigen ambigen Klassen, welche aus ambigen Idealen entspringen, in Verbindung mit den Schlüssen im zweiten und dritten Absatz des Beweises zu Satz 107; sie steht bei solcher Ableitung völlig unabhängig von Satz 102 da.
Es bezeichne dann, wie oben,
die Anzahl der Klassen des Hauptgeschlechtes,
die Anzahl der Geschlechter und ferner
die Anzahl derjenigen unter den
Klassen des Hauptgeschlechtes, welche gleich Quadraten von Klassen sind. Es folgt wie in § 78, daß
ist, und da nunmehr bereits
bewiesen, ferner
sicher ist, und selbstverständlich
besteht, so ergibt sich hieraus
und
. Die erste Gleichung beweist den Satz 103, die zweite den Satz 108 und sodann den Satz 102 für
. Aus Satz 103 und dem letzten Ergebnisse endlich folgt der Satz 102 vollständig. Denn die Zahl
darin ist wegen der für sie gestellten Bedingungen gleich der Norm eines Ideals
des Hauptgeschlechtes, versehen mit einem Vorzeichen in der in § 65 festgesetzten Weise. Bedeutet dann
ein solches Ideal, daß
ist, so muß
eine ganze oder gebrochene Zahl des Körpers
sein, und zwar ergibt sich
, woraus der Satz 102 folgt, sobald man berücksichtigt, daß er für
gilt.
So sind durch die zuletzt entwickelte transzendente Methode die Resultate in § 71 bis § 78 gerade in umgekehrter Reihenfolge zum Nachweise gelangt, als sie auf dem zuerst eingeschlagenen rein arithmetischen Wege gefunden wurden.
§ 83. Die engere Fassung des Äquivalenz- und Klassenbegriffes.
Wenn wir den in § 24 dargelegten engeren Begriff der Äquivalenz zweier Ideale zugrunde legen, so erfahren die in den Kapiteln 17 und 18 aufgestellten Sätze nur einfache, leicht zu ermittelnde Modifikationen.
Zunächst ist klar, daß der engere Äquivalenzbegriff in einem imaginären Körper
unter allen Umständen und in einem reellen Körper
sicherlich immer dann mit dem ursprünglichen Äquivalenzbegriffe zusammenfällt, wenn für den Körper die Norm der Grundeinheit
ist. Wenn aber
reell ist und
aufweist, so löst sich eine Idealklasse im Sinne der früheren Einteilung bei der neuen Einteilung regelmäßig in zwei Klassen auf; insbesondere entstehen aus der früheren Klasse der Hauptideale die zwei durch das Hauptideal (1) und durch das Hauptideal
vertretenen Klassen der neuen Einteilung. Bezeichnet
die Anzahl der Idealklassen bei Benutzung des engeren Äquivalenzbegriffes, so ist daher unter den gegenwärtig angenommenen Umständen
[Dedekind (1[8])].
§ 84. Der Fundamentalsatz für den neuen Klassen- und Geschlechtsbegriff.
Dem neuen Klassenbegriff entspricht ein neuer Geschlechtsbegriff: das Geschlecht eines Ideals
im Körper
soll nämlich nunmehr in allen Fällen gleichmäßig durch die
Einheiten
, …,
|
|
charakterisiert werden, wo die Norm von
im Unterschiede von der früheren Festsetzung stets das positive Vorzeichen erhält. Für einen imaginären Körper
stimmt dieser neue Geschlechtsbegriff mit dem alten völlig überein. Das Gleiche gilt für einen reellen Körper
, falls das Charakterensystem der Zahl
in
aus lauter positiven Einheiten besteht. Der letztere Umstand muß offenbar immer eintreten, wenn für
die Norm der Grundeinheit
ist. Nun sei
reell und für
die Norm der Grundeinheit
, so sind zwei Fälle zu unterscheiden, je nachdem das Charakterensystem der Zahl
in
aus lauter positiven Einheiten besteht oder nicht.
Im ersteren Falle gehören die Ideale (
) und
beide zum nämlichen Geschlechte, da sich
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für
, …,
ergibt. Die neuen Geschlechter umfassen also die nämlichen Ideale wie die alten, und die Zahl der Geschlechter ist wiederum
.
Im zweiten Falle gehören die beiden Idealklassen, welche durch das Ideal (
) und durch das Ideal
repräsentiert werden, zu verschiedenen der neuen Geschlechter. Die Anzahl der neuen Geschlechter ist doppelt so groß, als die der alten; nun war für diesen Fall die Anzahl der Einzelcharaktere bei Zugrundelegung des ursprünglichen Geschlechtsbegriffs nur
und die Anzahl der alten Geschlechter daher
; es ergibt sich somit die Anzahl der neuen Geschlechter, ebenso wie im ersten Falle,
. Da ferner in jedem Falle das Produkt
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ist, so gilt der Fundamentalsatz 100 auch bei Zugrundelegung des neuen Klassenbegriffes mit dem entsprechenden Geschlechtsbegriffe, wenn nur darin
![{\displaystyle t}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/65658b7b223af9e1acc877d848888ecdb4466560)
statt
![{\displaystyle r}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/0d1ecb613aa2984f0576f70f86650b7c2a132538)
gesetzt wird.
Die übrigen Tatsachen und Beweise der Kapitel 17 und 18 lassen sich ebenfalls ohne Schwierigkeiten umgestalten, und einige derselben erhalten bei Verwendung der neuen Begriffe sogar noch einen einfacheren Ausdruck.