Das wüthende Heer bei Wiesenthal und im Erzgebirge

Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Das wüthende Heer bei Wiesenthal und im Erzgebirge
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. S. 428–430
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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499) Das wüthende Heer bei Wiesenthal und im Erzgebirge.
Mündlich. S. a. b. Flader a. a. O. S. 98. Lehmann. Obererzg. Schauplatz S. 77.

Im ganzen Erzgebirge, besonders in dem höhern Theile desselben läßt sich das wüthende Heer sehen und hören. Man [429] hört ein starkes Jägergeschrei und gewöhnlich den Ruf: Hu! hu! hu! So reiste zu Ende des 17. Jahrhunderts ein alter Geistlicher von Wiesenthal, Namens David Ryhl, nach Annaberg durch einen dicken Wald, und es erhob sich mitten im Walde ein ungemein lauter Jägerlärm, um welche Zeit doch kein Arbeiter noch Jäger auf dem Felde zu finden war. Der Fuhrmann besann sich bald darauf und sagte: „Herr, es ist das wüthende Heer, wir wollen in Gottes Namen fahren, es kann uns nicht schaden.“

Eines Tags sind noch in diesem Jahrhundert zwei Brüder, Spitzenhändler, in der Schneeberger Gegend auf der Straße von Stangengrün nach Hirschfeld geritten, da haben sie plötzlich am hellerlichten Tage auf freiem Felde das laute Hohoschreien des wilden Jägers gehört, aber ihn selbst nichts gesehen, nur unter ihren Pferden, die sich furchtbar gebäumt, sind eine Menge kleiner Dachshunde herumgelaufen, ohne daß sie jedoch einen derselben hätten von den Pferden treten sehen, und plötzlich ist Alles wieder verschwunden gewesen.

Manchmal hört der Wanderer, wenn er in dem obern Erzgebirge durch die einsamen Wälder und Felder geht, immer etwas theils im Gebüsch, theils im Korne neben sich hergehen, gerade wie wenn ein großes Thier, eine alte Kuh das Getreide niedertritt, gleichwohl sieht er nichts, und man schreibt auch diesen Ton dem wilden Heere zu.

Einstmals ist im Dorfe Steinpleiß die ganze wilde Jagd mit Hundegebell, Peitschenknall und Jagdgeschrei um Mitternacht mitten durch den Hof des Richters gegangen.

Ein anderes Mal ritt ein beherzter Mann ganz allein in der Abenddämmerung nicht weit von Annaberg auf der gewöhnlichen Heerstraße, da sah er einen alten Bergmann vor sich hergehen. Als er an ihn herankam, bot er ihm einen guten Abend, erhielt aber keine Antwort, ebenso wenig auf die Wiederholung des Grußes, und da er etwas hitzig war, schrie er: „ei so soll Dich Grobian gleich der Teufel –!“ und zog ihm eins mit der Reitgerte über. Aber siehe auf einmal wußte er nicht mehr wo er war, er ritt bis in die [430] Nacht in der Irre herum und erst gegen Mitternacht hörte er Stimmen, er rief, es kamen Leute, er fragte, wo er sei, und erfuhr, er sei in seinem eigenen Heimathsorte, man führte ihn bis an sein Haus, und immer noch kannte er sich nicht aus, erst als seine alte Mutter mit einem Lichte vor die Thüre trat, wußte er wieder, wo er war. Der wilde Jäger hatte ihn geäfft.

Im Jahre 1626 ritt Junker Rudolf von Schmertzing, Erbsaß auf dem Hammergut Förstel, halbtrunken von Annaberg weg, ganz allein und vermeinte den geraden Weg über Schlettau auf die Scheibenbergischen Mühlen durch die untern Scheibner Räume zu nehmen. Es verführte ihn aber eine Jagd von Jägergeschrei und Hundegebell, welchem er nachritt, und er verfiel mit seinem Pferde in einen Morast, darin das Pferd halb versunken stecken blieb. Er machte sich mit großer Mühe los, lief zu den benachbarten Fuhrwerken, kleidete sich aus und ließ Leute auftreiben, die das Pferd mit Stangen und Seilen wieder aus dem Morast ziehen mußten.