Das verfallene Schloß auf dem Stromberge bei Weissenberg

Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Das verfallene Schloß auf dem Stromberge bei Weissenberg
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. S. 235–243
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
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Originaltitel:
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Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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839) Das verfallene Schloß auf dem Stromberge bei Weissenberg.

Nr. I–III b. H. Klar, Die helle Sagenzelle. Löbau o. J. (1852) 12 S. 71 sq. Nr. IV–VIII v. Pescheck bei Büsching a. a. O. Bd. II. S. 201 sq. (Darnach b. Lyser, Abendl. 1001 Nacht, Bd. XI S. 23 sq. und Preusker Bd. I. S. 85 sq.) Haupt Bd. I. S. 207. 217 fgg.

Zwischen Löbau und Weissenberg in einer sehr anmuthigen Gegend liegt eine kegelförmig sich erhebende Anhöhe, die ganz mit Kirschbäumen bepflanzt ist, und der Stromberg genannt wird. In diesem soll ein großer Schatz verborgen liegen, so von bösen Geistern gehütet wird. Derselbe rührt vermuthlich von den einstigen Bewohnern einer Burg her, die auf seinem Gipfel lag und von der nur noch wenige Trümmer von Mauerwerk und eine zerstörte Treppe Zeugniß geben.

I. Sobald das Schloß auf dem Berge zur Ruine geworden war, und dies geschah vor der Erbauung Weissenbergs, fanden sich Berggeister in demselben ein, welche sorgfältig die verschütteten Schätze der ehemaligen Besitzer des Schlosses hüteten, namentlich einen langen Kasten aus Eisenblech gefertigt und eine Braupfanne. Diese räthselhaften Wesen zeigten sich meist einzeln oben auf dem Berge, zuweilen aber auch in einer ganzen Schaar. Mehrere der Ansiedler des genannten Ortes hegten schon längst den Wunsch, ein bekanntes bierartiges Getränk zu brauen, nur fehlte zur Verwirklichung desselben eine Braupfanne. Dieses Geräth zu kaufen waren sie nicht vermögend, und sie zu borgen, bot sich keine Gelegenheit dar. Da erfuhren sie endlich, daß aus dem zerstörten Schlosse des Stromberges eine Braupfanne sich vorfinde, die aber von Bergeistern verwahrt werde. Lange sann man hin und her, wie man wohl am Besten in den Besitz der Pfanne komme, und endlich entschloß man sich, zwei Männer durchs Loos zu erwählen, welche dann nach dem Bergschloß gehen und ihr Begehren da aussprechen sollten. Dies geschah. Zwei Männer erstiegen den Stromberg und sprachen zitternd und bebend [236] ihr Anliegen vor den verwüsteten Mauern aus. Kaum war das geschehen, so erhielten sie mit dumpfer Stimme den Bescheid, nur bei Sonnenaufgang mit einem Wagen unten am Berge zu halten, da würden sie die Pfanne erhalten. Nach dem Gebrauche sei aber von ihnen ein Silberblechstück und ein kleines Weizenbrod in dieselbe zu legen und wieder an den Ort zu bringen, wo der Empfang stattgefunden habe. Unter diesen Bedingungen stehe ihnen immer die Pfanne zum Leihen bereit. Froh und muntern Schrittes eilten die Abgesandten zu ihren harrenden Freunden zurück, und thaten, wie ihnen gesagt war. Mit Sonnenaufgang hielt ein Wagen am Berge und nahm die ansehnliche Braupfanne, welche allda auf zwei Stücken Holz ruhte, in Empfang. Nach dem Gebrauche legte man ein Silberblechstück und ein Weizenbrod darein und lud am Fuße des Berges das geborgte Braugeräth wieder ab. Gar oft wiederholte sich diese Scene, bis endlich auf einmal die Berggeister erzürnt Steine nach den Abgesandten warfen und die Stiere tödteten, welche die Braupfanne ziehen sollten. Der Grund zu dieser Veränderung war folgender. Einer der Männer, welche die Pfanne zurück nach dem Berge zu schaffen hatten, nahm das Weizenbrod und aß es, und das Silberstück steckte er in die Tasche, die Pfanne aber verunreinigte er und lies davon. Von dieser Zeit an hat Niemand mehr die Pfanne geborgt erhalten, auch Niemand mehr dieselbe zu sehen bekommen.

II. Lange nach jener Zeit, in der die Berggeister die Braupfanne verborgten, arbeitete einst ein Bauer derselbigen Gegend auf seinem Felde in der Nähe des Stromberges; da sah er von Zeit zu Zeit die Berggeister in graue Gewänder gehüllt, runde Kuchen, auf dergleichen Bretern tragend hin- und herlaufen. „Was haben die grauen Männchen nur heute für ein Fest?“ dachte er bei sich selbst, und von Appetit getrieben, rief er laut den Geistern zu: „Laßt mich doch auch mitessen!“ „Wir werden Dir Etwas zukommen lassen,“ rief eins der grauen Männchen, „komme nur in der Mittagsstunde zu jenem großen Steine, der dort im Grünen liegt!“ [237] Sobald die Sonne ihren höchsten Stand eingenommen, säumte der Bauer nicht, nach dem bezeichneten Ort zu gehen. Zu seinem großen Erstaunen fand er einen Tisch gedeckt, und darauf lag ein wohlgerathener Kuchen. Noch ehe sich der Bauer niedersetzte, vernahm er deutlich die Worte: „nun iß den Kuchen, doch anschneiden darfst Du ihn nicht!“ Da ward ihm ganz eigen zu Muthe, und fast hätte er den Kuchen ungegessen gelassen und würde davon gegangen sein, wenn er nicht endlich von Ungefähr auf den Gedanken gekommen wäre, den Kuchen rundum auszuschneiden. Außerordentlich mundete ihm das Gebäck, und als er satt war, sagte er den Geistern seinen Dank, stand auf und wollte wieder an seine Arbeit gehen; allein kaum war er einen Schritt fortgegangen, so rief eine Stimme ihm die Worte nach: „der Teufel hat Dich klug gemacht. Hüte Dich, daß wir nicht auch an Dir thun, was Du an unserem Kuchen gethan hast!“ Nach Jahren fand man einen Leichnam unten am Stromberge im Blute liegen. Die Brust war aufgeschlitzt und das Herz zerfleischt. Dieser Unglückliche aber war jener Bauer, der den Kuchen ausgeschnitten hatte.

III. Ein reisender Cavalier aus Flandern kam auf seiner Reise nach Polen in die Gegend des Stromberges. Seine Liebe zu Abenteuern kam seinem Muthe vollkommen gleich, und darum entschloß er sich, sogleich zur Nachtzeit das Schloß des Berges mit dem Schwerte in der Hand zu besuchen, als er die Kunde vernommen hatte, daß da übermenschliche Geister ihr Wesen trieben. Der Vollmond mit seinen milchweißen Strahlen übergoß zauberisch die alten Schloßruinen und der Cavalier trat zu den Mauern der Burg. Alles war still und offen stand ein kleines Pförtchen. Der Held schritt da hinein und kam in eine weite Halle, in deren Mitte eine mit Gold und Edelsteinen gefüllte Braupfanne und ein langer eiserner Kasten stand. Ein Augenblick genügte, und die Halle hatte sich mit einer Schaar grauer Männchen gefüllt. Der Cavalier stand staunend an einem Pfeiler und wußte nicht, ob er seinen Augen trauen [238] sollte. Da trat eins der grauen Männchen zu dem Kasten heran und öffnete durch einen Tritt darauf denselbigen. Welch Wunder! Ein langes, schneeweißes Menschengerippe richtete sich empor und wandte die hohlen Augenhöhlen nach allen Seiten umher. Die grauen Männchen winkten freundlich dem staunenden Cavalier, näher zu dem unermeßlich reichen Schatze zu treten. Er that es, doch im Nu sank unter fürchterlichem Getöse die gefüllte Braupfanne in ein unterirdisches Gewölbe hinab, und der Boden verschloß sich wieder. Ein gellendes Gelächter erschallte aus dem Munde der Berggeister, das bleiche Gerippe aber verfolgte den aus der Halle entfliehenden Cavalier mit einem blinkenden Messer in der knöchernen Faust. Sobald der Cavalier aus dem Bereiche des Schlosses war, sah er sich wieder allein. Kein Lüftchen regte sich und schweigend blickte der volle Mond auf den bleichen Ritter und auf die hohen Schloßruinen herab, doch nicht mehr gelüstete es ihn, nochmals in das Gemäuer zurückzukehren.

IV. Ein armer Knabe hütete einst auf dem Stromberge Kühe; als er nun aber müssig da und dort herumschlenderte, siehe! da lag plötzlich zu seinen Füßen ein Goldstück. Er bückte sich, um es aufzuheben, aber indem er dies that, blitzte ihm schon wieder ein anderes in die Augen, schnell langte er auch nach diesem, doch schon wieder ein neues glänzte daneben aus dem Grase hervor. So ging es immer fort, und schon hatte der Knabe 10 der schönsten Goldstücke in seine Mütze zusammengelesen, als ihm auch noch ein 11tes vor den Augen spiegelte. Auch dieses wollte er sich zueignen, doch dies war schon zu viel verlangt, eben als er sich darnach bückte, erhielt er von unsichtbarer Hand einen derben Backenstreich. Aber mit diesem waren auch seine ersten bereits gesammelten Goldstücke im Nu wieder verschwunden und er blieb alles Suchens ungeachtet so arm, als er vorher gewesen war.

V. Eine Frau, die am Fuße des Stromberges, wo einige Häuser stehen, wohnte, gewahrte einstmals, und zwar des [239] Sonntags unter dem Gottesdienste, daß an einem Orte jenes Berges Funken aus der Erde hervorsprüheten und blaue Flämmchen emporloderten. Alsbald erinnerte sie sich an die alte Regel, daß man, wenn man so glücklich sei, dies Zeichen wahrzunehmen, augenblicklich irgend etwas von Metall in jene Flämmchen werfen müsse, um den darunter befindlichen Schatz, dessen Anzeichen sie wären, fest zu bannen, um ihn vor dem Weiterrücken zu bewahren. Unverzüglich warf sie daher, da sie eben nichts Anderes bei sich hatte, ihr Taschenmesser auf jene vorbedeutungsvolle Stelle, lief sodann eiligst in ihre Wohnung zurück, um sich die nöthigen Werkzeuge zum Graben herbeizuholen, und schritt nun, mit diesen versehen, rüstig an’s Werk. Der ganze Platz, wo sie die bunten Flämmchen hatte spielen sehen, ward nun emsig von ihr durchwühlt und durchgraben, und siehe da! ihre Hoffnung hatte sie wirklich nicht getäuscht, denn sie fand, wenn auch nicht gerade pure Kremnitzer, doch wenigstens eine bedeutende Anzahl uralter Groschen. Sie war damit zufrieden und behielt daher ihren Schatz.

VI. Eine andere, ebenfalls in jener Gegend wohnende Frau, der die vorige, aus lauter Freude über ihr gehabtes Glück, den ganzen Vorfall von Anfang bis zu Ende und mit allen Nebenumständen erzählt hatte, nahm nun auch die Gelegenheit wahr, als einst während des Mittagsgottesdienstes wieder bunte Flämmchen aus der Erde hervor schielten, beobachtete dabei alle erforderlichen Umstände und war so glücklich, bei angestelltem Nachgraben eine große Menge alter harter Thaler zu finden. Gierig, die ihr jetzt so günstige Gelegenheit recht zu ihrem Vortheile zu benutzen, rafft sie so viel als möglich von jenem Gelde in ihre Schürze und eilt damit nach ihrer Behausung. Mit Emsigkeit zählt sie hier ihren Schatz auf vielen Tischen und Bänken auf, nur begierig, zu erfahren, wie viel ihr das sonst so neidische Glück, dem sie nun einmal die gute Stunde abgelauscht hatte, bescheert haben würde. Da aber, als sie im besten Zählen ist, däucht es ihr plötzlich, als ob sie Feuerlärm höre, das [240] ganze Dörfchen scheint in Flammen aufzugehen, daß die Lohe ihr glühendroth an’s Fenster schlägt; in der größten Bestürzung eilt sie plötzlich hinaus, die Gefahr zu untersuchen, aber o Wunder! Alles ist draußen still und in der größten Ruhe, als sie zum Hause hinaus tritt, und nicht die geringste Spur einer Feuersbrunst kann sie bemerken. Staunend kehrt sie jetzt wieder um, ihren Schatz vollends durchzuzählen, noch mehr aber staunt sie nun, als auch dieser jetzt zu Nichts hingeschwunden und auch nicht eine Spur davon mehr in der ganzen Stube zu bemerken ist.

VII. Der Schatz auf dem Stromberge blieb aber nicht immer daselbst, die ihn bewachenden Geister hielten es einst, vielleicht weil man demselben allmählig zu sehr auf die Spur gekommen war, für nöthig, ihn auf den felsigen Rothstein bei Sohland zu bringen. Man erzählt sich davon folgende Geschichte. Ein Paar Bauern aus dortiger Gegend ackerten einst am Fuße des Stromberges; plötzlich kam ein kleines graues Männchen, sie wußten selbst nicht recht, woher, auf sie zu und verlangte, daß sie ihm sogleich ein Gespann von 6 rothen Ochsen verschaffen sollten, weil die Braupfanne mit dem großen Schatze des Stromberges von diesem auf den benachbarten Rothstein gebracht werden solle. In nicht geringer Angst vor dem Berggeiste gaben sie ihm unverzüglich jeder die an seinen Pflug gespannten Ochsen, die zum Glück lauter rothe waren, und holten eiligst aus dem nahen Dorfe noch ein anderes Paar rother Ochsen hinzu, um den Wunsch des Geistes zu erfüllen. Dieser fragte sie hierauf, ob sie die Wegführung des großen Schatzes sehen oder hören wollten, und gab ihnen nicht undeutlich zu verstehen, daß sie Eins von den Beiden sich erwählen müßten. Die beiden Bauern, die sich nicht eben viel Gutes hiervon versprachen, dieses Anerbieten aber gänzlich auszuschlagen sich nicht getrauten, wählten das, wobei sie am wenigsten Gefahr zu laufen können glaubten und wollten sich gern mit dem bloßen Hören begnügen. Aber Zittern und Beben ergriff sie, als sie nun die Erde unter sich [241] dröhnen und den großmächtigen Schatz wie einen gewaltigen Donner dahin brausen hörten.

VIII. Zu gewissen Zeiten war aber auf diesem wunderreichen Berge ein Schloß zu sehen, und deutlich beobachtete man dann aus der Ferne, wie dessen Bewohner daselbst ihr Wesen trieben. Niemand aber wagte es so leicht, persönlich dort einen Besuch abzustatten und das Wesentliche jenes Schlosses näher zu untersuchen. Im Gegentheil warnte man einander eher mit bedenklichen Mienen davor, um sich nicht größeren Gefahren auszusetzen, als man vielleicht zu übersehen im Stande sein mochte. Dennoch aber geschah es einst, daß ein Bürger aus der jenem Berge benachbarten Stadt Löbau, ohne daß er selbst davon wußte, jenes Schloß und seine Bewohner näher kennen lernte. Die Geschichte, die man sich davon zu erzählen weiß, ist folgende. Vor langer Zeit war einst ein Schuhmacher aus Löbau in dem etwa zwei Meilen davon entfernten Städtchen Weissenberg zu Markte gewesen, wobei ihn sein Weg am Stromberge vorbeiführte. Als er spät Abends wieder nach Hause kehrte, verirrte er sich im Dunkeln in der Gegend des Berges. Lange schon ohne Weg und Steg im Finstern herumirrend, gewahrte er endlich auf der Höhe jenes Berges den Schimmer eines Lichtes. Ohne irgend etwas Unheimliches zu ahnen, ging er darauf zu, staunte aber nicht wenig, als er bei mehrerer Annäherung ein schönes großes und erleuchtetes Schloß gewahrte, das ihm nicht im Geringsten bekannt war. Denn daß es das berüchtigte Strombergschloß sein könnte, ahnete er entweder nicht, oder er kannte auch die Sage davon gar nicht einmal. Froh, sich endlich aus der Verlegenheit helfen zu können, suchte er den Eingang, um dort sich eine Laterne zu borgen, mit deren Hülfe er seine Reise besser und bequemer zu beendigen dachte. Ohne weitere Schwierigkeiten gelangte er in das Zimmer des Schlosses, welches erleuchtet war, und fand darin zwei Herren. Einer saß an einem Tische und schrieb eifrig, was ihm ein Anderer, der mit verschlungenen Armen in der Stube auf- und abging, in die Feder zu sagen [242] schien. Letzterer redete den Schuhmacher in einem rauhen Tone an und fragte ihn mit kurzen Worten, was er wolle. Dieser erzählte nun seine Geschichte und trug ihm sein Anliegen vor, erhielt aber für jetzt blos die Antwort von ihm, daß er es sich vor der Hand gefallen lassen müßte, 3 Tage und 3 Nächte bei ihnen zu bleiben, und daß es ihm nachgelassen sein solle, sich selbst die Arbeit zu wählen, die er bei ihnen während der Zeit verrichten wolle. Der Schuhmacher aber, der so wenig zu dem Einen als zu dem Andern Lust bezeigte, konnte sich zu keiner bestimmten Arbeit entschließen, es ward ihm daher von jenen beiden Herren auferlegt, während seines Aufenthalts auf dem Berge Steine zu karren. So beschwerlich ihm nun auch dieses Geschäft sein mochte, so wagte er aus Furcht einer möglichen gefährlichen Ahndung es doch nicht, sich dessen zu weigern. Endlich am Abend des dritten Tages entließen ihn jene beiden Herren seiner Arbeit wieder, gaben ihm nach seinem Wunsche eine Laterne und erlaubten ihm, nun nach Hause zu gehen. Doch der Schuhmacher, der wo möglich gern einen Ersatz für die dreitägige Versäumniß in seiner Arbeit gehabt hätte, war hiermit nun noch nicht zufrieden, sondern er wagte es sogar, sich einen Lohn für die ganze 3 Tage lang treulich geleistete Arbeit auszubitten. Auf vieles Zureden und Bitten empfing er endlich nicht mehr und nicht weniger als einen Silberdreier, und zwar mit der Bedeutung, daß er dadurch, ob es gleich nur ein Geldstück von sehr geringem Werthe sei, dennoch sehr glücklich sein werde, indem, so lange er dieses besitzen würde, es ihm nie an Gelde mangeln werde. Hiermit zufrieden, verwahrte der Schuhmacher diesen Dreier sorgfältig, beurlaubte sich dann von den beiden Herren, und trat seinen Weg nach Hause an. Spät erst in der Nacht kam er heim, und fand die Thüre seines Hauses schon verriegelt und verschlossen; er klopfte daher mit aller Macht und rufte und schrie, damit seine Frau ihn hören und sobald als möglich einlassen möge. Endlich aus dem Schlafe erweckt, erschien diese, prallte aber mit einem lauten Schrei des Entsetzens zurück, als sie in dem [243] Ankommenden ihren Mann erkannte, den sie schon längst für todt gehalten hatte. Denn anstatt daß er blos 3 Tage abwesend gewesen zu sein glaubte, war er nicht weniger als ein ganzes Jahr entfernt gewesen, und in seiner Heimath hatte man sich überredet, er müsse verunglückt sein, da er von dem damaligen Weissenberger Markte nicht zurückgekehrt war. Da er seinen Gedanken nach gar nicht lange abwesend geblieben, so war er mit der alten Ordnung der Dinge bald wieder vertraut, nur mit dem Unterschiede, daß er nun, seitdem der heilbringende Dreier vom Stromberge in seinem Beutel wohnte, und er diesen niemals leer werden ließ, sich selbst nicht mehr in jene Ordnung wieder hineinfügen wollte, und anstatt wie sonst fleißig zu arbeiten, jetzt nur dem Müßiggange und der Trunksucht sich ergab, weil er augenscheinlich bemerkte, daß er jenes nun nicht mehr nöthig habe, dieses ihm aber vergnügtere Tage gewähre. Doch dies, wozu ihn jener heilbringende Dreier verleitete, nämlich der Trunk, war im Gegentheil auch wieder die Ursache, daß er sich eines solchen unersetzlichen Schatzes verlustig machte. Denn als er einst in einem starken Rausche seinen vollen Beutel hervorsuchte und seine Zeche bezahlen wollte, aber aus Unachtsamkeit jenen heilbringenden Dreier ausgab, ward er dadurch, da er sich nun einmal an ein unmäßiges Leben gewöhnt hatte, zum Bettler.