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Titel: Das neue Museum zu Leipzig
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aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 143–145
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Das neue Museum zu Leipzig.

Am 18. December 1858 feierte die Stadt Leipzig in der würdigen Vollendung und Uebergabe des für Aufnahme und Aufstellung von Kunstwerken bestimmten neu erbauten Museumgebäudes ein Freudenfest, dessen Veranlassung wohl nicht ohne Nachahmung bleiben wird. Die Entstehung dieses Baues, der in seiner Intention und in seiner Lösung das Interesse auch außerhalb Leipzigs auf sich gezogen hat, verdanken wir dem reichen Erbe an Kunstschätzen und eines erheblichen Capitals, welches ein edler Bürger Leipzigs, A. Schletter, seiner Vaterstadt vermachte, und einer reichlichen Spende, welche die Stadt in höchst ehrender Weise aus ihren eigenen Mitteln diesem Unternehmen zuwies.

Der Plan zu diesem Gebäude, welches sowohl die alte Leipziger Gallerie nebst ihren sonstigen Kunstschätzen wie die von Schletter geschenkten Gemälde aufnehmen sollte, wurde durch eine Concurrenz bestimmt; unter achtzehn eingelaufenen Plänen wurde der von Professor Ludwig Lange in München für den besten erklärt und in Folge dessen demselben die Ausführung des Baues übertragen.

Ein nach allen Seiten freiliegender Platz war für dieses Gebäude bestimmt und somit nach allen Richtungen hin eine ebenbürtige Ausführung bedingt. – Im Juli 1856 wurde der erste Stein gelegt und in der kurzen Zeit von nicht ganz drei Jahren wurde das Ganze vollendet.

Der überaus günstige Eindruck, den das Gebäude an sich und hinsichtlich seiner Einrichtung und Ausstattung bei der Eröffnung auf den Beschauer machte, gibt uns Veranlassung, diesen Bau und besonders sein Inneres in unserem vielgelesenen Blatte näher zu besprechen. Ein besonderes Verdienst erwarb sich hierbei der Architekt durch seinen klar gedachten Plan, dessen Aeußeres und Inneres in der schönsten Harmonie sich abwiegt; kein verlorner Raum, keine Ueberschreitung von Maß, sondern was ist, das ist bedingt.

Wir wollen nun zur näheren Beschreibung des Baues übergehen und, um das System kennen zu lernen, welches unser Architekt dabei zu Grunde legte, eine Wanderung durch dasselbe vornehmen.

Am südlichen Ende der Längenachse des großen Grimmaischen Platzes, der die Alt- und Vorstadt östlich scheidet, erhebt sich auf einem soliden Unterbaue von Rustika-Quadern das in seiner Höhe in zwei Geschosse abgetheilte Museumsgebäude und bietet diesem Platze entgegen die Hauptfronte; längs derselben breitet sich eine Terrasse aus, die durch schmälere Treppen von der Seite und durch eine majestätische Haupttreppe in der Mitte zugängig ist. Von der Ebene derselben führen noch einige Stufen zu dem durch Säulen und einen Balkon besonders ausgezeichneten Portale, und zu der mit Sculpturen, die drei Künste darstellend, nach Zeichnungen von M. Schwind, geschmückten Eingangsthüre.

Von da gelangt man zuerst in einen breiten schönen Corridor, der in seinem architektonischen Schmucke, mit seinen Pilastern, Gesimsen und Casettendecke zu einem würdigen Empfange eingekleidet ist. Zu beiden Seiten führen daselbst Thüren nach der Garderobe und dem Versammlungssaale. – Dem Eingange gegenüber schließt sich das Vestibule (Vorhalle) an, zu dem man einige Stufen aufwärts durch einen Porticus (Bogenthor) gelangt. Sogleich beim Eintritt in das Gebäude gewährt der Blick dahin, der sich durch das Vestibule nach dem daranliegenden Sculptursaale und so in’s Freie fortsetzt, eine überraschende Perspective, die um so anmuthiger wirkt, als verschiedene Raumverhältnisse und verschiedene Lichtwirkung in diesem Bilde zur Erscheinung kommen, was noch höher gesteigert werden könnte, wenn in der Mitte des Sculptursaales ein größeres plastisches Werk unmittelbar das Auge fesseln würde. Das Vestibule nimmt die Mitte des Gebäudes ein und bildet ein von acht Portiken umschlossenes Octogon (Achteck), das in vier Zugänge und vier Fensternischen abgetheilt ist und durch die hell beleuchteten Nachbarräume sein Licht empfängt, was auf den im Ganzen hell gehaltenen, reich decorirten Raum eine magische Wirkung ausübt.

Von dem Vestibule gelangt man östlich durch eine der Portiken nach dem Treppenhause. Eine reiche Treppenwange mit festen Doggen und dunklen Marmorsäulen, die das Treppenpodest tragen, zeigt uns den Weg nach diesem Raume, über den durch ein mächtiges Oberlicht eine brillante Beleuchtung ausgegossen ist. – Bei näherem Zutritt dahin wird der Beschauer unwillkürlich durch den Anblick eines Fensters gefesselt, das oberhalb der Treppe nach einer [144] Gallerie führt und das nicht ohne Absicht durch einen reichen architektonischen Schmuck hervorgehoben scheint. Mit Wohlgefallen blickt man dahin und sieht in diesem reich umrahmten Bilde Vorübergehende und im Geiste schon sich selbst vorüberziehen. – Weiter schreitend auf soliden, breiten Stufen von Granit, die durch eine steinere Brustwehr gefaßt sind, erhebt man sich auf dieser schmucken Treppe zu dem oberen Geschosse nach einem breiten Podeste hin und gelangt so zu dem Portale des Empfangsaales, das, geöffnet, durch seine breite Pforte einen freien Blick in die Länge des Gebäudes gewährt. – Wenn Treppen im gewöhnlichen Dienste des Lebens nur zur Vermittelung dienen, um zu einem weiteren Geschosse sich zu erheben, so ist hier der dieselbe umgebende Raum zugleich ein Palladium des Hauses geworden. Durch eine reiche Pilasterstellung nämlich sieht man die Wände des oberen Geschosses in Flächen abgetheilt, wovon bereits eine, zunächst die, welche dem Zutretenden zuerst entgegensteht, das Reliefbild Schletter’s in würdiger Weise eingerahmt enthält. Man erkennt hier recht, was der Künstler wollte, und sieht im Geiste schon die würdigen Männer folgen.

Entsprechend dem im Parterre liegenden Vestibule, nur in erweitertem und mächtig erhöhtem Raume, empfängt uns hier oben


Das neue Museum in Leipzig.


abermals ein Octogon, mit einer Kuppel und einfallendem Lichte umschlossen. Dieser Raum, durch seine Verhältnisse besonders wirkungsvoll, ist vollständig dazu gemacht, dereinst Perlen der Kunst an seinen wohlbeleuchteten Wänden zu tragen. Graue Granitflächen mit Emblemen in der Mitte bilden die Decoration der Seitenwände, während in den acht Feldern der Kuppel in großen Medaillons acht Darstellungen aus der Mythe von Amor und Psyche zum Ausdruck gebracht sind. Dieselben wirken als helle Zeichnungen auf Goldgrund und geben in gesteigertem Maße die Lichtpunkte ab zu den sie umgebenden musivisch gehaltenen Ornamenten.

Von dem Kuppelsaale kommt man, die Richtung des Einganges verfolgend, in den Vorraum des westlichen Saales, der durch einen dreibogigen Porticus mit demselben verbunden ist. Dieser Saal wird durch drei große Fenster an der gegenüberliegenden Seite beleuchtet und ist durch eine reiche ebene Decke mit Consolenfries sehr wirkungsvoll hervorgehoben. – Dieser Raum enthält die Hauptschätze, soweit das Museum im Besitz von solchen ist, aus der altdeutschen und altitalienischen Schule. Er dient zugleich als Verbindung, um nach den südlichen Sälen und den Cabineten zu gelangen. Durch die dreifache Verbindung, die der Saal hat, und besonders durch die mit dem Porticus vermittelte nach dem Kuppelsaale, gewährt er ein reizendes Bild, in welchem der Beschauer als wohlthätige Staffage mitwirkt; begibt man sich nach der mittleren Fensternische und blickt von da durch den Porticus und den Kuppelsaal nach dem Eingange zurück in das Treppenhaus, so empfängt man eine reizende Perspective, die durch die beständige Abwechselung von Ab- und Zutretenden und durch die verschieden beleuchteten Räume von nachhaltiger Wirkung ist. – Die Stimmung des Westsaales zu erhöhen, dienen einzelne kleine plastische Werke, die man zum Theil auf einem in der Mitte des Saales stehenden Tische, theils auf den Brüstungen, die der Porticus bietet, angebracht hat.

Es ist gewiß, daß es in dem Charakter eines Museums liegt, daß Plastik und Malerei nicht zu strenge geschieden sind, daß sie sich vielmehr von Zeit zu Zeit begegnen und ergänzen.

An diesen Saal schließen sich längs der südlichen Fronte drei Säle an, von denen die Endsäle eine quadratische Grundform, der mittlere ein längeres Oblongum (längliches Viereck) bilden.

Eine anpassende Höhe, so daß die Bilder dem Auge nie zu fern sind, das einfallende Licht, das aus einer gewölbten Decke zutritt, sowie ihr Zusammenhang und ihre einheitliche Decoration gibt diesen Sälen einen, wenn auch in kleinerem Maßstabe, dennoch großartigen und einheitlichen Ausdruck. Die Wände derselben sind roth, und an den gewölbten Decken wirken musivisch gemalte Ornamente abwechselnd mit verschiedenen Emblemen, deren Darstellungen in den Ecksälen auf die reale und ideale Kunstrichtung, in dem Langsaale auf die Ausübung und die Sammlung von Kunstwerken sich beziehen.

Der Künstler hat es wohl verstanden, die Bestimmung seiner Räume stets im Auge zu behalten und sowohl durch seine Ornamentik geeignete Gedanken zu erwecken, als auch durch günstige Farbenstimmung die Wirkung der Bilder zu erhöhen.

An der Südseite des Mittelsaales schließt sich eine Loggia an, welche durch drei große Fenster einen Blick nach außen und zwar auf die neue Promenade gewährt. Diese Loggia ist durch eine heitere Malerei geschmückt und gewährt eine freundliche Interpunction, indem sie eine Verbindung der Wirklichkeit des Lebens mit der Ideenwelt der Kunst erzielt.

Von dem Endsaale tritt man zur östlichen Loggia, die gleichsam die Brücke zu den Cabineten bildet. In diesem Raume gelangt man zu jenem Fenster, dem man schon früher beim Antritte der Treppe seinen Blick zugewendet hatte, und man erfreut sich abermals einer schönen Perspective, die uns hier durch die Längenachse [145] des Gebäudes gewährt wird. Es ist ein Bild, wie ein Paul Veronese, nur mit dem Unterschiede, daß die Figurengruppen in wechselnder Form sich zeigen.

Durch diese mehrfachen points de vue, die unser Künstler in seinen Bau so glücklich zu verweben wußte, hat er demselben eine Elasticität verliehen, die ihn geistig vergrößert und den Beschauer stets mit angenehmen Stimmungen belebt.

An diese Loggia reihen sich längs der nördlichen Fronte des Gebäudes die Cabinete an, die, neun an der Zahl, durch nördliches Seitenlicht beleuchtet werden. Dieselben gewähren durch ihre wohlgeordneten Raumverhältnisse genug Ruhepunkte, um in den Detailgenuß der verschiedenen hier aufgestellten Bildwerke einzugehen. – Am Ende dieser Cabinete tritt man wieder in den westlichen Saal zurück, wandert durch den Porticus in den Zwischenraum und von hier die Stufen aufwärts nach den Kupferstichcabineten, welche sich längs der nördlichen Fronte in dem oberen Theile des Gebäudes, da, wo die geringere Höhe der Cabinete einen Raum ermöglichte, ausbreiten. Eine reiche, nach kunstgeschichtlicher Entwickelung geordnete Sammlung von Kupferstichen hat hier ihren Anfang genommen und wird sich demnächst an den verschiedenen Wänden dieser Räumlichkeiten fortsetzen.

Durchsicht vom Westsaal aus.

Diese Sammlung bildet dereinst eine Gallerie für sich, die zum Studium der Kunst nicht günstiger angelegt werden konnte. Nicht allein diese Sammlung, sondern zugleich auch ihre kunstgerechte Aufstellung verdanken die Leipziger einem ihrer wackersten Mitbürger, Herrn Lampe, der seine höchste Freude darin sieht, die Wohlthaten, welche ihm seit Jahren der Kunstgenuß gewährt, seinen Nächsten näher zu bringen.

Diese Räume verlassend, schlägt man durch dieselbe Treppe seinen Rückweg ein, kommt durch den Porticusraum zum Kuppelsaale, zur Treppe, dem Vestibule und verfolgt seinen Weg in directer Linie nach dem Mittelsaale des Kunstvereins, durch welchen man in die drei Säle für plastische Werke gelangt. Von diesen drei Sälen ist der größere, mittlere um einige Stufen tiefer gelegt, wodurch diesem Saale ein schönes Verhältniß und dem Ganzen eine übersichtlichere Perspective gewährt wird.

Von dem letzteren Saale tritt man durch die untere östliche Loggia in den großen Parterresaal, welcher wohl bestimmt sein dürfte, einer Sammlung von Cartons von verschiedenen Meistern Raum zu bieten. –

Eine wohlthätige Einrichtung ist es, daß das ganze Gebäude durch eine circulirende Wasserheizung auch für den Winter ein freundliches Asyl bietet, sich hier in heiterem Leben ergehen zu können.

Der hohe, durchaus gewölbte Unterbau des Gebäudes bietet noch verschiedene Räume, eine Wohnung für den Custos, desgleichen für den Hausmeister, und können außerdem eine Reihe Gewölbe für reale Zwecke abgegeben werden.

Resumirt man sich unwillkürlich den Eindruck des Inneren des Gebäudes, so verbleibt ein sehr wohlthätiges Gefühl in der Erinnerung; wie musikalische Harmonie, so wirken hier die wohlgeordneten Räume.

In keiner Weise konnte unsere Zeit ein sichereres Zeugniß ihrer höheren Gesittung an den Tag legen, als daß sie bei den dermaligen gewaltigen Anregungen für industrielle Unternehmungen, bei dem Gewicht der materiellen Interessen auch der edlen Neigung nach Offenbarung der Seele, Kunst und Poesie, durch die Ausführung dieses Werkes Ausdruck zu geben wußte, einen Ausdruck, der durch lebhafte Anregung zur Kunst auf die Veredelung der Gewerbe eine nachhaltige Wirkung ausüben wird. – Wir glauben dieses um so mehr voraussetzen zu können, da dieser Bau bei seiner gewählten und vollendeten Form so ganz das Wesen an sich trägt, wodurch die Kunst sich heimisch macht, und das in seinen Räumen jeden Insassen mit dem Bewußtsein erfreut: auch ich habe meinen Theil daran!