Das meteorologische Observatorium auf dem Brocken
Das meteorologische Observatorium auf dem Brocken.
Die jüngst stattgehabte Feier der Einweihung der meteorologischen Warte auf dem Brocken hat dieser Schöpfung ein allgemeines Interesse zugelenkt. Es wird daher vielen Lesern der „Gartenlaube“ willkommen sein, über die Warte selbst und über die allgemeinen Gesichtspunkte, die bei Anlage und Unterhaltung derartiger der Wissenschaft dienenden Institute maßgebend sind, etwas Näheres in Erfahrung zu bringen.
Die Witterungskunde beruhte bis in die Mitte der siebziger Jahre fast ausschließlich auf Ergebnissen und Beobachtungen, die man in der Ebene oder höchstens an Orten gewann, die zwar an sich hochgelegen, im strengsten Sinne des Wortes jedoch keine Hochstationen waren. Die Ansicht brach sich immer mehr Bahn, daß zur weiteren Erkenntnis der atmosphärischen Vorgänge eine planmäßig eingerichtete Erforschung der höheren Luftschichten dringend geboten sei, und so säumte man denn nicht, dieser letzteren eingehende und fortgesetzte Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Es wurden zunächst an solchen Bergspitzen, wo die Verhältnisse hierfür günstig lagen, wie auf der Schneekoppe, dem Inselsberg und dem Brocken, die in den Hotels überwinternden Kellner bezw. Hausdiener in der Ausführung meteorologischer Beobachtungen eingeübt. Die Thätigkeit solcher Hilfskräfte kann selbstverständlich für die Wissenschaft nur dann von Wert sein, wenn die Beobachtungen mit der nötigen Zuverlässigkeit, Peinlichkeit und Regelmäßigkeit gemacht werden. Auf Berggipfeln, die während des Sommers stark besucht werden, sind nun die Hoteldiener derart beschäftigt, daß sie nur zu oft die ihnen anvertrauten Beobachtungen vernachlässigen. Namentlich auf dem Brocken ist der Fremdenverkehr so stark, daß einer der Hotelangestellten das ganze Jahr hindurch die Beobachtungen nicht ausführen kann, weshalb man sich im Anfange der achtziger Jahre damit zu behelfen suchte, daß im Sommer der amtierende Postgehilfe und im Winter einer der Kellner die Beobachtungen ausführte. Aber dieses Verfahren erwies sich als auf die Dauer nicht durchführbar, denn der Postbeamte sowohl als auch die auf dem Brocken bediensteten Kellner und Hausdiener wechselten fortwährend und von einer Stetigkeit der Beobachtungen konnte keine Rede sein.
Es waren demnach hinsichtlich der Personenfrage Gründe vorhanden, die es geboten erscheinen ließen, einen besonderen, Sommer und Winter auf dem Brocken wohnenden Beobachter anzustellen, der die Ausführung der Beobachtungen als seine Hauptaufgabe zu betrachten hätte, während die übrigen ihm zur Besserung seines Einkommens übertragenen Posten nur eine Nebenbeschäftigung bilden sollten. Dringend notwendig erschien es ferner, die Station mit besseren Instrumenten auszustatten, ein regelrechtes meteorologisches Observatorium zu erbauen. Die norddeutschen Sektionen des Deutsch-österreichischen Alpenvereins nahmen die Sache energisch in die Hand. Im Frühjahr 1895 war die ganze Angelegenheit schon so weit gediehen, daß mit dem Bau im folgenden Sommer begonnen, und am 1. Oktober desselben Jahres, also mit dem Eintritt der kälteren Jahreszeit im meteorologischen Sinne, die Beobachtungen von dem seitens des Königl. preuß. meteorol. Instituts als Beobachter angestellten Ludwig Koch aufgenommen werden konnten.
Jetzt durfte man auch daran gehen, die meteorologische Station 2. Ordnung, als welche der Brocken bislang galt, in eine solche 1. Ordnung und damit auch in ein eigentliches Observatorium umzuwandeln. Durch fortschreitende Vermehrung der Instrumente sucht man allmählich dies Ziel zu erreichen.
Das Observatorium selbst, wie es durch unsere Abbildung veranschaulicht wird, ist an der nördlichen Seite des Hauptgebäudes des Hotels angebaut und erhebt sich drei Stockwerke hoch über die nächsten Dächer der anliegenden Gebäude hinweg. Es enthält im Erdgeschoß und in [540] der ersten Etage je ein Wohnzimmer, von denen das erstere für den Beobachter bestimmt ist und das zweite dazu dient, Fachgelehrten, die auf dem Brocken specielle wissenschaftliche Untersuchungen ausführen wollen, zeitweilige Unterkunft zu gewähren.
Im dritten Stockwerke befindet sich das „Instrumentenzimmer“, das zur Unterbringung aller der Instrumente bestimmt ist, die im Zimmer funktionieren, dann auch zur Aufbewahrung der Reserveapparate dient. Außerdem kann der Beobachter im Instrumentenzimmer seine schriftlichen Arbeiten verrichten.
Es wird nun zunächst der Luftdruck beobachtet, und zwar mittels eines Fuesschen sogenannten kompensierten Gefäßbarometers, dem zur fortdauernden Aufzeichnung des Luftdruckes noch ein Barograph zur Seite steht. Beide Instrumente befinden sich im Instrumentenzimmer und sind gleichzeitig die einzigen, die überhaupt im Zimmer funktionieren. Die Temperatur wird auf der Plattform in der sogenannten englischen Hütte bestimmt, und zwar werden momentane Ablesungen zu den vorgeschriebenen Beobachtungsterminen veranstaltet und außerdem wird die Temperatur durch einen Thermographen fortlaufend registriert. Zur Messung der Luftfeuchtigkeit wird ein Hygrometer und zu derjenigen des Windes ein Anemometer benutzt. Außerdem ist noch ein Wolkenspiegel vorhanden, mittels dessen Zugrichtung und Geschwindigkeit der oberen Wolken ermittelt werden kann, während für die Messung der Dauer des Sonnenscheins ein Sonnenschein-Autograph und für die Bestimmung der Intensität desselben ein Aktinometer benutzt wird.
Die mit diesen Instrumenten auszuführenden Beobachtungen werden im Winter durch die Bildung von Rauhreif und Eisbehang sehr erschwert. Die Instrumente überziehen sich bei eintretendem Nebel sofort mit Eis; dieses wird immer dicker, bis es schließlich ein Freihalten der Skala der Instrumente nicht mehr zuläßt. Außerdem ist die Gefahr einer Verletzung der Instrumente bei Rauhreif besonders groß, da häufig der Reifansatz das Instrument in seiner Lage verändert und ein Betasten desselben an unrichtiger Stelle ein Zerbrechen herbeiführt.
Auch sonst ist im Winter die Wetterbeobachtung mit großen Schwierigkeiten verknüpft die sich zu ungeahnter Höhe steigern, wenn stürmischer Ostwind und Nebel sich einstellen. Da bei letzterer Windrichtung häufig Kältegrade von 15° eintreten, so überziehen sich beim Hinaustreten ins Freie die Augenlider durch den gefrierenden Nebel sofort mit einer Eiskruste, und innerhalb weniger Minuten sind die Augen zugefroren, weshalb man auf dem Brockengipfel im Winter bei strenger Kälte die äußerste Vorsicht anwenden muß, um im Freien nicht auf elende Weise umzukommen.
Daß die ganz im Freien aufgestellten Instrumente, wie z. B. die Regen- und Schneemesser, hinsichtlich der Zuverlässigkeit der mit ihnen gewonnenen Resultate am ungünstigsten dastehen, bedarf nach den obigen Ausführungen keiner Erörterung.
Es ist deshalb die Frage, ob der Brockengipfel der niederschlagreichste
Punkt Deutschlands ist, nach einjährigen Messungen, auch wenn letztere
höhere Werte als jede andere
Station Deutschlands ergeben haben, noch nicht zu bejahen, da eben die
Messung der Niederschläge noch zu mangelhaft ist. Sicher werden aber
fortgesetzte Beobachtungen zu Ergebnissen führen, die den Meteorologen
in Stand setzen werden, tiefer in die vielfachen Geheimnisse der Witterung
unserer Heimat einzudringen. R. S.