Textdaten
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Autor: A. Bernstein
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Titel: Das deutsche Patentgesetz
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aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 632–634
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Das deutsche Patentgesetz.


1. Ist ein Patentschutz nöthig?

Im Sommer 1871 trat ein Mann in mein Arbeitszimmer mit der Bitte, einen von ihm erfundenen Ofen zu beurtheilen und günstigen Falls ihm einen Käufer dafür zu schaffen. Nach längerem Sträuben, von einer Erfindung Kenntniß zu nehmen, die doch jedenfalls vorläufig geheim gehalten werden müsse und mich leicht in den Verdacht der Untreue bringen könnte, wenn sie auf anderweitigem Wege verrathen würde, mußte ich mich doch den dringenden Bitten des Erfinders fügen, der fast mit Thränen in den Augen versicherte, keinen Menschen zu kennen, dem er mehr Vertrauen schenken möchte. Ich bestellte ihn auf eine gelegene Stunde des nächsten Tages, wo er sich denn auch einfand und mich mit Hülfe einer ziemlich verständlichen Zeichnung in den Stand setzte, mein unmaßgebliches Urtheil auszusprechen.

Dieses Urtheil lautete dahin, daß für den Privatgebrauch solch eine Heizungsvorrichtung zu umständlich sein würde und auf den Vortheil des zu ersparenden Brennmaterials in solchem Falle in der Praxis nicht viel Werth würde gelegt werden. Dagegen schien mir die Erfindung für die Heizung in den Fabriken wohl rathsam, weil man da specielle Heizer hat, die das Verfahren richtig beobachten können, und wo gar viel darauf ankommt, mit möglichster Ersparung von Brennmaterial zu arbeiten.

Auch guten Rath konnte ich dem Erfinder ertheilen: „Kommen Sie mit! In meiner Nachbarschaft wohnt ein Freund von mir, der Fabrikant J. M., dem Sie volles Vertrauen schenken können. Er hat mehrere Dampfmaschinen in Gang und interessirt sich lebhaft für die Ersparnisse in der Heizung. Er ist zwar kein Maschinenbauer und wird Ihre Erfindung auch nicht selber ankaufen, aber er kennt vielleicht Jemanden, der es thut, und sein praktisches Urtheil ist jedenfalls für einen Unternehmer Ihrer Erfindung maßgebender als meines.“

Wir machten uns auf den Weg. Zur Freude des Erfinders war Freund M. auch ganz und gar meiner Ansicht und hielt jedenfalls die Erfindung eines Versuches werth. Um uns unseres Vertrauensamtes noch in Gegenwart des Erfinders entledigen zu können, ließ Freund M. sofort einspannen, und so waren wir bald in dem Sprechzimmer eines jungen unternehmenden Maschinenbauers, dem wir ein lebhaftes Interesse für die Erfindung zutrauen mochten.

Aber was wir hier erfahren mußten, war nicht blos betrübend und niederdrückend, sondern im vollen Sinne des Wortes empörend.

„Eine neue Erfindung?“ sagte der junge Mann mit einem feinen Lächeln, noch ehe er wußte, um was es sich handelte, „da muß ich danken; die kann ich nicht gebrauchen. Ein neuer Ofen?“ fügte er auf die Bemerkung meines Freundes hinzu, „ich bedaure.“

Auf meine Entgegnung, daß ich die Erfindung für patentfähig halte, zuckte er die Achseln in einer Weise, daß ich mich der Entrüstung gar nicht erwehren konnte, aber der junge Maschinenbauer blieb sehr ruhig und entgegnete auf meine empfindliche Bemerkung Folgendes:

„Ich zweifle nicht an der Neuheit und an der praktischen Brauchbarkeit Ihrer Erfindung, aber Sie müssen mich entschuldigen, wenn ich dieselbe vom Standpunkte der geschäftlichen Ertragsfähigkeit aus betrachte. Der Herr Erfinder,“ fuhr er nach einer Pause fort, „wird mit Recht einen Kaufpreis beanspruchen. Die praktische Ausführung nebst Verbesserungen, Veränderungen und Versuchen würde meine Mittel in nicht geringem Grade in Anspruch nehmen, und ich müßte froh sein, wenn ich nach zwei Jahren die Aussicht habe, den neuen Ofen brauchbar hinzustellen und im folgenden dritten Jahre seine Einführung in’s Leben zu rufen. Mit dem dritten Jahre indessen ist mein Patent in Preußen zu Ende, und jeder meiner Concurrenten ist dann im Stande, den Ofen weit billiger zu liefern als ich, weil er weder ein Erfinderhonorar zu bezahlen, noch Verbesserungen, Veränderungen und kostspielige Versuche anzustellen hat und eine Erfindung, welche mich vielleicht dreitausend Thaler und viel Kopfzerbrechen und Sorgen gekostet, ehe sie mir einen Heller einbringt, ganz umsonst hat. – Sehen Sie,“ sagte er und wies mit dem Finger zum Fenster hinaus, „dort drüben wohnt ein Concurrent von mir, der vielleicht so schwärmerisch ist, die neue Erfindung zu kaufen. Es wird mir viel Vergnügen machen, wenn er das thut und mir nach drei Jahren den Vortheil bietet, eine praktische schöne Erfindung ganz umsonst zu bekommen und billiger als er selbst auszubeuten.“

Ich war außer mir und sprach dies auch in recht deutlichen Worten über den „geistigen Diebstahl“ und „die Schande der Nachahmungsarbeit“ aus. Freund M. machte der peinlichen Scene ein Ende durch die Aufforderung zum Fortgehen, und bald saßen wir denn auch nach einem sehr kurzen Abschiede, von dem tiefbetrübten Erfinder begleitet, in dem Wagen, um uns daheim von der Blamage zu erholen.

Auch bei der Tasse Kaffee im Hause meines Freundes konnte ich der inneren Empörung nicht Herr werden. Freund M. dachte anders.

„Es ist empörend,“ sagte er, „aber der Mann hat geschäftlich nicht Unrecht. Bei dem jetzigen Zustande der Patentgesetze kann er nicht anders handeln. Es wird, so leid es mir thut, auch ein weiterer Versuch nichts helfen, diese Erfindung an den Mann zu bringen.“

Es war ein trostloser Ausspruch für den Erfinder. Uns blieb nichts anderes übrig, als ihn mit Nachhülfe einiger Freunde so weit zu unterstützen, daß er sich eine ordentliche Zeichnung und Beschreibung anfertigen und ein Patentgesuch für England konnte ausarbeiten lassen, von dessen Erfolg ich indessen nichts weiter zu hören bekam. Aber lehrreich war dieses Erlebniß für mich jedenfalls. Ich war von da ab der festen Ueberzeugung, daß ohne ein gutes Patentgesetz unsere Industrie unfähig ist, mit Ehren in einen Wettkampf mit anderen Staaten einzutreten, in welchen sich die Erfinder eines guten Schutzes zu erfreuen haben.


2. Der Kampf.

Der Kampf für ein gutes Patentgesetz in Deutschland war kein leichter. Obwohl die Verfassung des deutschen Reiches ein einheitliches Gesetz zum Schutz der Erfindungen verheißen hatte, erhob sich doch in den Kreisen der deutschen Manchester-Männer nicht blos ein heftiger Eifer gegen die Erfüllung dieser Verfassungsbestimmung, sondern auch eine Agitation für die Abschaffung aller Patente. Der Wahn, daß jede Erfindung ein Eigenthum des Zeitalters sei, dessen Geist der Erfinder für sich ausbeuten will, daß demnach ein Patent ein Monopol schaffe, welches der Gesammtheit zum Schaden gereiche und sie in Benutzung alles Neuen beschränke, dieser Wahn wurde in Zeitungen und volkswirthschaftlichen Vereinen mit außerordentlichem Eifer gepredigt und fand unter dem verlockenden Titel der „Freiheit“ lebhaften Anklang, sowohl im Publicum, wie in Kreisen der Behörde. Da nur wenige Zeitungen den Muth hatten, dieser phrasenhaften Logik entgegenzutreten, so machte sich in den Kreisen der intelligenten Fachmänner, die den Werth der Erfindungen zu schätzen wußten, die Ueberzeugung geltend, daß nur ein möglichst großer Verein im Stande sein würde, diese Vorurtheile zu bewältigen. Die Elite deutscher Ingenieure ging hierin mit gutem Muth voran; bald schlossen sich auch die intelligentesten Fabrikanten diesem Streben an, bis endlich der Patent-Schutz-Verein unter der Direction des weltberühmten, erfindungsreichen Werner Siemens entstand, dessen Einfluß wir viel für die Entstehung des jetzt in’s Leben gerufenen deutschen Patentgesetzes zu verdanken haben.

Gleichwohl hätten vielleicht all diese geistigen Kämpfe nur wenig gefruchtet, wenn nicht trübselige Weltverhältnisse demselben einen gewaltigen, ja gewaltsamen Vorschub geleistet hätten.

In einem Lande, wo man keine einheimischen Erfindungen verwirklicht, ist die Industrie auf Nachahmungen fremder Erfindungen angewiesen. Dies war auch im deutschen Vaterlande der Fall. An Erfindungen ist Deutschland wahrlich nicht arm. Thatsächlich ist unser Vaterland der Geburtsort der zwei größten Erfindungen, welche die Welt beherrschen. Es sind dies die Telegraphie und die Schnellpresse. Aber in der Wirklichkeit sind wir auch hierin dermaßen überflügelt, daß auch nicht

[633] ein einziger Apparat deutschen Ursprungs auf unseren telegraphischen Stationen existirt und unsere Druckereien zu französischen und amerikanischen Schnellpressen ihre Zuflucht nehmen müssen, wenn sie nicht hinter der Zeit und ihren Leistungen zurückbleiben wollen.

Die Industrie Deutschlands lebte daher factisch nur von der Nachahmung fremder Maschinen und der Producte derselben. Ja, sie erfreute sich auch hierin sogar eines Aufschwunges, indem sie ihre Producte wohlfeiler ausbieten konnte, als die Originale. Natürlich ging das nur so lange, wie die Arbeitslöhne niedriger in Deutschland waren als in den andern Ländern, deren Originale man nachahmte. Jedoch von dem Moment ab, wo die unglückseligen Milliarden bei uns den Werth des Geldes herabsetzten, die Preise der Lebensmittel und der nothwendigsten Lebensbedürfnisse in die Höhe schraubten und damit ein Steigen der Arbeitslöhne hervorriefen, büßte unsere Industrie die Concurrenz-Fähigkeit auf fremdem Markte ein. Gründerschwindel und Verarmung des Mittelstandes kamen hinzu, um die einheimische Production zu beschränken und der Industrie einen lebensgefährlichen Stoß zu versetzen.

Vielleicht wäre auch dieser empfindliche Stoß nicht im Stande gewesen, die eigentliche Krankheits-Ursache vor Aller Augen klar zu legen, wenn nicht ein zweiter Umstand hinzugetreten wäre, vor dessen richtiger Erkenntniß es unmöglich war, sich noch ferner zu verschließen.

Die Weltausstellung in Philadelphia deckte die Kümmerlichkeit der deutschen Industrie in erschreckender Weise auf. Zum Glück hatte Deutschland einen tüchtigen Fachmann, den Geheimrath Reuleaux[WS 1] dahin gesendet, der, fern von jeder Art nationaler Schönfärberei, das Kind beim rechten Namen nannte. Seine Urtheile fielen mit gewaltiger Wucht in den Wust der Selbsttäuschungen und der verkehrten Theorien. Sein Urtheil, daß wir ohne einen gesunden Schutz der Erfindungen nicht mehr im Stande sein werden in einen Wetteifer mit der fremden Industrie einzutreten, war von um so mächtigerem Einfluß auf Regierung und Volk, als Reuleaux, an der Spitze der Berliner Gewerbe-Akademie stehend, auch eine hervorragende Stellung im preußischen Patent-Amt einnahm und neben seiner Autorität in der Wissenschaft auch als ein gründlicher Kenner der gesammten Industrie anerkannt ist.

Man schritt mit rühmlichem Eifer an die Arbeit. Die Entwürfe des Patent-Schutz-Vereins, die Gutachten der Fachmänner, der Ernst der Reichsregierung und der rege Sinn des Reichstags ließen kaum mehr eine phantasiereiche Opposition aufkommen. Das deutsche Reich erfreut sich jetzt eines guten Gesetzes, dessen Verbesserung wir getrost einer erfahrungsreichen Zukunft anheimstellen können.


3. Charakter des Patentgesetzes.

Wir unsererseits haben uns hier nur die Aufgabe gestellt, den deutschen Erfindern, welche besser in neuen Ideen, als in formellen Paragraphen Bescheid wissen, einige Fingerzeige in Benutzung des Gesetzes zu geben und den Freunden deutschen Geistes und deutscher Begabung die Pflicht in's Gewissen zu rufen, auch mit ihrer Theilnahme demselben förderlich zu sein.

Eine neue Erfindung, welche gewerblich ausgebeutet werden kann, ist in Deutschland patentfähig, wenn die Verwerthung nicht den Gesetzen widerspricht und wenn sie den guten Sitten nicht zuwider ist. Nahrungs-, Genuß- und Arzneimittel, wie chemische Stoffe, werden an sich nicht patentirt, wohl aber ist ein neues Verfahren zu ihrer Herstellung patentfähig.

Diese Grundbestimmung des deutschen Patentgesetzes ist von größter Wichtigkeit. Eine Erfindung muß neu sein. Sie wird nicht als neu betrachtet, wenn sie sich irgendwo so vollständig in öffentlichen Schriften beschrieben findet, daß ein Fachmann sie nachahmen kann. Ferner ist eine Erfindung nicht patentfähig, wenn sie bereits in Deutschland offenkundig benutzt worden ist.

Laut dieser Hauptbedingungen zur Patentirung ist z. B. ein Patent nicht zu ertheilen auf eine allgemeine Herstellung von Kartoffelmehl, wohl aber kann ein neues Verfahren, Kartoffelmehl herzustellen, patentirt werden. Unter Genußmitteln, die nicht patentirt werden, sind nur solche Massen verstanden, welche gegessen oder getrunken werden. Geruchsmittel, Pomaden, Seifen, Schönheitsmittel, Schminken etc. gehören nicht dazu. Sie sind patentfähig, wenn sie neu sind.

Patentfähig ist nur eine „Erfindung“, nicht aber eine „Entdeckung“. Der Unterschied zwischen beiden liegt darin, daß die „Erfindung“ etwas darstellt, was sonst in der Natur in dieser Zusammenstellung nicht vorhanden ist, eine „Entdeckung“ besteht in der Benutzung einer Naturkraft oder eines Naturproducts, welches längst existirt, ohne daß man sie bis dahin zu verwenden wußte. Daß es Entdeckungen von großer Wichtigkeit giebt, ist altbekannt. So hat man bis vor etwa dreißig Jahren für den elektrischen Strom in der Telegraphie stets zwei Leitungen gebraucht, bis Steinheil in München die Entdeckung machte, daß man nur eine Leitung nöthig hat und statt der zweiten Leitung die Erde benutzen kann, die ein vortrefflicher Leiter der Elektricität ist. Diese Entdeckung war für die Telegraphie ein außerordentlicher Gewinn, es würde dieselbe aber nicht patentirt werden, wenn sie erst jetzt gemacht würde. Gleichwohl wird eine neue Art, wie man die Erde einschalten kann, eine Erfindung sein, die an sich patentirt werden kann. In ähnlicher Weise verhält es sich auch mit der Entdeckung neuer Stoffe. So ist z. B. Aluminium ein Metall, das erst in unserem Zeitalter entdeckt worden ist. Diese Entdeckung ist an sich nicht patentfähig, wenn jedoch Jemand ein neues Verfahren erfindet, aus Thonerde das Aluminium metallisch herzustellen, so muß man ihm dieses Verfahren wohl patentiren.

Eben dieselben Grundsätze gelten auch für die Herstellung von Maschinen zur Benutzung von Kräften, welche in der Natur vorhanden sind. So weiß man seit langer Zeit, daß man durch Magnete einen elektrischen Strom erzeugen und sich dessen zur Herstellung von elektrischem Licht, von chemischem und mechanischem Wirken bedienen kann. Die Anwendung von Magneten zu solchem Zweck ist daher frei und wird durch kein Patent beschränkt. Wohl aber sind die Maschinen, welche man hierzu gebraucht, wichtige Erfindungen, in welchen sich in neuester Zeit verdienstvolle Männer wie Wilde, Siemens, Gramme und Hefner-Alteneck ausgezeichnet haben. Diese Maschinen sind patentfähig.

Worauf wir aber noch besonders zu achten haben, ist Folgendes:

Man nimmt im gewöhnlichen Leben an, daß eine Erfindung nur von Wichtigkeit sei, wenn ihre Wirkung großartig ist und gewaltige Umwälzungen in der Welt hervorruft, wie die Anwendung des Dampfes und der Elektricität. Allein in Wahrheit sind auch kleine, fast unbeachtete Erfindungen von großem Werth und Nutzen, wie z. B. ein Drillbohrer, ein guter Quirl, schwedische Streichhölzchen, die Verbesserung der Lampendochte, ein vortheilhaftes Kochgeschirr und tausend andere Dinge für den alltäglichen Gebrauch in Werkstatt, Haus und Küche. Alle solche wenig Aufmerksamkeit erregende Erfindungen sind nicht blos nützlich, sondern auch werthvoll. Sie sind es hauptsächlich, welche eine nationale Industrie fördern und in der Regel auch mehr Gewinn bringen, als manche für den Großbetrieb dienende Maschinen. Die Pflege dieser kleinen Erfindungen durch das neue Patentgesetz, das sie schützt, ist auch für Deutschland vielversprechend.

Wer nun eine solche patentfähige Erfindung gemacht hat, sie sei groß oder klein, der soll sich seines Anspruchs auf ein Patent bedienen. Es ist nöthig, sich's klar zu machen, daß er damit nicht blos sich und Allen, welche die Erfindung gern in Gebrauch nehmen, einen guten Dienst leistet, sondern auch den Geist von vielen Tausenden fördert, die durch ihn auf neue Ideen gebracht werden. Die Beschreibung und Zeichnung, welche er dem Patentamt übergiebt, wird nämlich von diesem veröffentlicht und zur allgemeinen Kenntniß gebracht. Dadurch regt jede neue Erfindung, auch wenn sie nicht praktisch ist, viele andere Denker zu anderweitigen Erfindungen und Verbesserungen an. Wie klein auch oft der Beitrag ist, welchen eine Erfindung im Schatz des Vorhandenen bildet, die Anregung, welche sie bietet, kann sehr groß sein. Diesem Verdienste um die gemeinsame Geistesarbeit sollte sich Niemand entziehen.

Wie aber, wenn sich Jemand eine große, wichtige, gemeinnützige Erfindung patentiren läßt und aus Eigensinn oder Eigennutz den Gebrauch jedem Andern versagt, ohne selber für die Benutzung hinreichend Sorge zu tragen?

Obwohl solch ein Fall äußerst selten vorkommen möchte, hat doch das Patentgesetz dagegen Fürsorge getroffen. Ein Patent kann in solchen Fällen nach drei Jahren von Seiten des Patentamtes als erloschen erklärt werden, womit die Erfindung ein Gemeingut für Alle wird.

[634] Da das deutsche Patentgesetz in diesem Punkte (§ 11) von allen Patentgesetzen anderer Staaten wesentlich abweicht, so ist es nöthig, die Bedeutung desselben näher zu betrachten.

Zunächst ist es immerhin möglich, daß sich ein Sonderling, ein Misanthrop eine wichtige Erfindung patentiren läßt und sie durchaus nicht praktisch verwirklichen lassen will. Einem solchen Erfinder gegenüber macht das Gesetz die richtige Anschauung geltend, daß ein Patent nicht erteilt ist, um eine Erfindung ungenützt liegen zu lassen, sondern um den Erfinder in dem Bestreben zu ermuntern die Erfindung Andern zugänglich zu machen. Sind drei Jahre verflossen, ohne diesen Zweck der Patentirung zu erfüllen, so kann das Patentamt das Patent für erloschen erklären. Es versteht sich von selbst, daß das Patentamt dies nur dann zu thun hat, wenn der Allgemeinheit damit ein Dienst geleistet wird.

Aber auch ein Fall des Eigennutzes ist denkbar, wo ein Einschreiten des Patentamtes von größter Wichtigkeit ist.

Es kann sich Jemand eine Erfindung in Deutschland patentiren lassen, die eine bestehende Fabrikationsweise ganz umgestaltet, wie z. B. die Verwandlung von Eisen in Stahl auf einem äußerst billigen und vortheilhaften Wege. Wenn nun solch ein Patentinhaber die Anwendung seines Verfahrens keinem deutschen Fabrikanten erlaubt, dagegen im Auslande große Stahlfabrikationen anlegt, so wäre er im Stande, durch seine ausländischen Fabriken alle inländischen zu ruiniren und sich damit ein Monopol des ganzen Fabrikationszweiges zu verschaffen. In einem solchen Falle, wo das „öffentliche Interesse“ es gebietet, daß die Benutzung der Erfindung auch Andern gestattet werden muß, schreibt das deutsche Patentgesetz vor, daß eine solche Erlaubniß gegen angemessene und sichergestellte Vergütigung von Seiten des Erfinders ertheilt werden muß. Weigert er sich dessen, so kann ihm das Patent nach drei Jahren entzogen werden. Was man eine „angemessene Vergütigung“ nennt, darüber entscheidet schließlich das Oberhandelsgericht nach Anhörung von Fachmännern.


4. Die Erfinder und das Publicum.

Die Form, in welcher ein Patent nachgesucht werden muß, ist im Gesetz und dessen Ausführungsverordnungen leicht ersichtlich. Wer hierin in Zweifel ist, der thut am besten, sich an einen gewissenhaften Patentagenten zu wenden, der ihm von guter Seite empfohlen wird. Dem Gesuch selbst ist eine Einzahlung von zwanzig Mark beizufügen, womit die Kosten der Prüfung und Veröffentlichung bestritten werden. Diese Zahlung wird nicht gestundet, sie ist auch so mäßig, daß selbst der Arme sie wird leisten können. Bei Ertheilung des Patents muß eine Gebühr von dreißig Mark gezahlt werden, und mit jedem Jahr steigert sich die Gebühr um fünfzig Mark. Wer jedoch seine Bedürftigkeit nachweist, dem werden die Gebühren in den ersten zwei Jahren gestundet. Im dritten Jahre wird mit Recht vorausgesetzt, daß sein Patent ihn in Stand gesetzt haben müsse, die Gebühren zu zahlen oder, wenn dies nicht der Fall sein sollte, daß er geneigt sei, die Werthlosigkeit desselben zu erkennen und auf die Fortdauer des Patents zu verzichten.

Da die höchste Dauer eines Patents sich auf fünfzehn Jahre erstreckt, so sammelt sich die Gebühr, die sich alljährlich um fünfzig Mark steigert, zu der beträchtlichen Höhe von mehr als fünftausend Mark an. Aber man rechnet darauf, daß nur wirklich werthvolle Erfindungen sich ganze fünfzehn Jahre hindurch aufrecht erhalten, während werthlose bereits in den ersten Jahren erlöschen werden, weil es den Besitzern nicht lohnt, die Gebühren dafür zu zahlen.

In der Regel sind unsere lieben deutschen Erfinder nicht die Leute, welche es verstehen, ihre Ideen praktisch zu verwerthen, oder mit anderen Worten: Sie sind seine Denker, aber schlechte Geschäftsmänner. Es wird sich daher empfehlen, daß sie sich mit tüchtigen Geschäftsmännern in Verbindung setzen, die ihnen vom Gewinn der Erfindungen einen anständigen Antheil geben. Allein wir halten es für rathsam, dies erst dann zu thun, wenn sie das Patent in Händen haben. Die zwanzig Mark, welche die Prüfung kostet, muß der Erfinder schon aus seiner Tasche zahlen. Erst wenn er ein Patent hat, mag er einen Geschäftsmann für die Ausführung und Verwerthung suchen und sich durch einen gründlichen Kenner des Rechts einen guten, bindenden Contract ausarbeiten lassen, damit er nicht über's Ohr gehauen wird, wenn die Erfindung Gewinn bringt. Der Erfinder darf auch niemals vergessen, daß „Verbesserungen“ auch patentirt werden und es leicht möglich ist, daß eine wichtige Verbesserung von einem Andern erfunden wird, der dem ersten Erfinder den Vortheil leicht aus der Hand spielen kann. Darum soll ein Erfinder nicht allzu verliebt in seine ursprünglichen Ideen sein und stets darauf sinnen, wie und wo eine Verbesserung anzubringen ist. Er schützt sich dadurch vor dem Ueberflügeltwerden, das nicht selten die besten Köpfe lahm legt.

Aber dich, du liebes deutsches Volk, dich rufe ich ganz besonders auf, ein getreuer Schutzwächter des fleißigen deutschen Erfindungsgeistes zu sein, dem das Schutzgesetz wenig bieten kann, wenn du ihn vernachlässigst.

Es ist wahr, leider nur zu wahr, daß wir augenblicklich noch sehr im Nachtheil gegenüber den Ausländern stehen. Frankreichs feiner Geschmackssinn, Englands großer Unternehmungsgeist und Amerikas Geschicklichkeit, für Haus und Küche Mühen und Arbeitskraft zu ersparen, bilden einen Vorsprung, den wir nicht gar schnell überholen können. Aber mehr noch setzt uns in Nachtheil der viel verbreitete Glaube des Volkes, daß daheim nichts so gut, schön und vortheilhaft erfunden und geliefert werden kann, wie in der Fremde. Wir predigen nicht gern nationalen Stolz, am allerwenigsten gegenwärtig, wo er sich auf dem Gebiete der Politik schon ein wenig mehr, als gut ist, landläufig macht. Aber Pflege des heimatlichen Geistes, Förderung des heimathlichen Productes, Freude am heimathlichen Schaffen ehren den deutschen Künstler, den deutschen Gewerbsmann und die deutsche Hausfrau mehr als jeder Schmuck, den die Fremde bietet.

Achtest du deine Erfinder, so bist du selber achtenswerth; benutzest du fleißig die einheimische Erfindung, so erhebst du das liebe Vaterland zur gesunden Selbstbeachtung.

A. Bernstein.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. vgl. Franz Reuleaux: Briefe aus Philadelphia