Textdaten
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Autor: George Freiherr von Dyherrn
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Titel: Das Wort der Mutter
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aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 800
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[800]
Das Wort der Mutter.
Von George Freiherr von Dyherrn.[1]

Könnt’ ich beschreiben dir den Klang
      Der Stimme, die mit süßem Ton –
Wie ist es her so lang, so lang –
      Einst zu mir sprach: „Geliebter Sohn!
Kein Laut auf weiter Welt ist gleich
      Dem Wort aus meiner Mutter Mund;
Noch macht es glücklich mich und reich,
      Noch klingt es fort zu jeder Stund’.

Als ich geeilt war Nacht und Tag
      Und dann an’s Bett der Mutter trat –
O, nimmer ich’s vergessen mag,
      Wie ich um dieses Wörtlein bat.
Und eh’ aus Fieberphantasie
      Ihr Geist zum ew’gen Licht entflohn,
Das Wort, das eine Wort sprach sie
      Im Tod zu mir: „Geliebter Sohn!“

Hinein nun in mein Leben hallt
      Der süße Klang zu jeder Zeit,
Liebkosend sanft und mahnend bald,
      Bald hell voll Lust, bald leis voll Leid.
Er segnet mich am Morgen früh
      Und sagt mir Abends: „Gute Nacht!“
Er hilft mir tragen jede Müh’,
      Der süße Klang voll Zaubermacht!

Wer ward beweint wie du, so heiß,
      Und doch, wie gönn’ ich dir die Ruh!
Mein einsam Herz voll Hoffnung weiß:
      Einst, Mutter kehrest wieder du;
Dann sterbend ist es mir bewußt,
      Daß du mir nahst, verkläret schon;
Du nimmst mich lächelnd an die Brust
      Und sprichst zu mir: „Geliebter Sohn!“

  1. Der Verfasser obigen Originalgedichts veröffentlichte bereits vor zwei Jahren einen Band Poesien unter dem Titel „In stiller Stund’“.
    Die Redaction.