Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Das Wasser bekommt Balken
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aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 768
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[768] Das Wasser bekommt Balken. Während der beiden letzten Jahre sind nicht weniger als 14 große Dampfschiffe erster Classe Englands und Amerikas mit 2572 Menschen und 7 Millionen Pfund Sterling Werth und Waare spurlos im Ocean verschwunden. Andere Nationen haben vielleicht ebenso große Opfer dem furchtbaren Weltmeere bringen müssen. Was auf Segelschiffen und an Küsten von Menschen und Fahrzeugen verloren ging, belief sich allein während des vorigen sturmreichen Sommers blos an den englischen Küsten hoch in die Tausende.

Läßt sich dagegen gar nichts thun? Worin liegt der Grund des Uebels? In der Hohlheit und Verbrennlichkeit der Schiffe. Kommt ein Loch in die Haut eines Schiffes oder entzündet sich ein Dampfer, so ist selten Rettung möglich. Macht man also Löcher und Feuer unmöglich oder unschädlich, so würde der Rücken des Weltmeeres so sicher, wie fester Boden. George Catlin, der sich viel in Amerika, auf Meeren und besonders unter den Odschibbeway-Indianern herumgetrieben, hat jetzt ein ganzes Buch über die Mittel, sicher auf den Oceanen zu fahren, herausgegeben und nachgewiesen, daß alle Schiffbrüche aufhören würden, wenn man die Schiffe flach baute. Die Grundform aller Sicherheit ist das auf den meisten Flüssen bekannte Floß, wie man Bauholz auf dem Wasser transportirt. In der That machen auch Schiffbrüchige, die Geistesgegenwart, Zeit und Material finden, immer solche Flöße, um sich von untergehenden, stolzesten, vollkommensten Dampfern zu retten. Ein paar Stückchen Balken, Maste, Breter, Holz auf irgend eine Art zusammengebunden – und sie haben das sichere Rettungsmittel. Warum nicht solche Flöße gleich von vornherein bauen, wenigstens für Menschentransport? Ja, warum nicht? „Fahrt auf solchen Flößen mit Dampf und allen Bequemlichkeiten, die euch der vollkommenste Dampfer nur bieten kann,“ sagt Catlin.

Ich schlage vor: Floß von 250 Fuß Länge, 50 Fuß Breite für 1000 Passagiere aus weißem Fichten- oder Baumwollenholz, sich diagonal kreuzend, in regelmäßigen Quadratstücken, fest aneinander gepreßt durch hölzerne und eiserne Riegel und Krampen schief eingetrieben, verpicht und vertheert, das Ganze fest mit Eisenplatten überzogen und gesichert gegen Feuer und Wasser. Auf diesem Floß baut man dann nach Lust und Laune alle Bequemlichkeiten für Passagiere, Kajüten, Salons, Vorrathsräume – Alles überm Wasser, auch einen Dampf-Apparat für den Propeller, der unten in der Mitte wirken soll, so daß er im Sturme nie aus dem Wasser gehoben wird, wie so oft die Schaufeldampfer. Auch gibt’s auf solchen Dampfflößen keine Seekrankheit, die eigentlich Kielkrankheit heißen sollte. In den tollsten Wogenbewegungen des Meeres ist keine Spur von Erregung des Ekels der Seekrankheit. Die höchsten Wogenberge sind die ergötzlichste Schaukel zwischen Himmel und Erde. Hindern wir die Bewegungen einer Schaukel und lenken sie in unregelmäßigen Zuckungen ab, wird der Darinsitzende sofort seekrank. Dieselbe Unregelmäßigkeit und Verwirrung des Schaukelns auf umstürmten Schiffen macht ebenfalls seekrank.

Ein Floß würde den Bewegungen der Wogen einfach folgen und im schlimmsten Falle eine großartige Schaukel bilden, welche das Floß gegen Felsen und Eisberge schleudern könnte, ohne es zum Sinken zu bringen, da das Holz auch in seinen Stücken (obgleich eine Zerstückelung nach der Catlin’schen Construction, die sehr sinnreich und durchdacht ist und in seinem Buche selbst studirt werden muß, unmöglich sein würde) vollkommen seine Schwimmkraft behalten würde.

Ist denn aber die ganze Geschichte nicht am Ende blos ein dummer Einfall, praktisch, unmöglich? Freilich auch die Dampfschiffe wurden Jahre lang nach der Erfindung als unmöglich verhöhnt. Vor einiger Zeit kam ein ungeheures Floß Bauholz von Amerika in England an. Also geht’s, und wir werden auch lebenssicher auf dem Oceane schaukeln.