Das Technikum Mittweida. Eine Lehrstätte der deutschen und europäischen Industrie

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Titel: Das Technikum Mittweida. Eine Lehrstätte der deutschen und europäischen Industrie
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aus: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil, in: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild.
Herausgeber: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Technikum Mittweida.


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Das Technikum Mittweida.
Eine Lehrstätte der deutschen und europäischen Industrie.

Es ist keine Fabrik mit hochragenden Schloten und mächtig arbeitenden Dampfmaschinen, die auf der nebenstehenden Abbildung dem Beschauer sich darstellt, sondern eine Lehranstalt, eine Pflegstätte industrieller Theorie und Praxis, die mit Rücksicht darauf, daß aus ihr Tausende von Werkmeistern und Ingenieuren hervorgegangen und als Kulturpioniere in die ganze Welt hinausgesandt worden sind, einen Ehrenplatz in dem vorliegenden Werke verdient. –

Das Technikum Mittweida, das in diesem Jahre (1892) sein 25jähriges Jubiläum mit einer Frequenz von 1198 Hörern – Vertretern aller europäischen Staaten, sowie von Asien, Afrika und Amerika – feierte, wurde 1867 ohne jede staatliche und private Unterstützung von dem jetzigen königlichen Kammerrat, Ritter pp. Herrn Karl Georg Weitzel ins Leben gerufen. Mit nur 17 Schülern begann der Unterricht, aber noch im ersten Schuljahre erhöhte sich deren Zahl auf 54. Die Frequenz stieg nur sehr allmälig, und im Jahre 1871 besuchten immer erst 88 Hörer die junge Anstalt. Kaum im Begriff, einen mäßigen Aufschwung zu nehmen, wurde sie durch den Ausbruch des französischen Krieges vor eine ernste Krisis gestellt. Lehrer und Schüler eilten zu den Fahnen. Als indeß nach den glorreichen Siegen der Armee ein rapider Aufschwung der deutschen Industrie eintrat, der gebieterisch die höchsten Anforderungen an die technische Bildung der Ingenieure und Werkmeister stellte, begann auch für das Technikum Mittweida eine Blüteperiode, die noch bis heutigen Tages andauert. Nachdem man sich drei Jahre mühsam mit zerstreut in verschiedenen Gebäuden befindlichen Lehrsälen beholfen hatte, entschloß sich die Stadt Mittweida, ihr ein eigenes Heim zu errichten. So entstand 1873 das in der Nähe des Galgenberges stehende Gebäude, das, 3 Stockwerke hoch, 8 Auditorien enthielt, ohne die Büreauräume und die Hausmannswohnung. Bis 1885 betrug die Jahres-Frequenz mit nur ganz geringfügigen Schwankungen durchschnittlich 400 Schüler. Dann aber trat eine so wesentliche Zunahme ein, daß bereits an eine Erweiterung des Lehrgebäudes durch einen Seitenflügel mit 3 Hörsälen für je 100 Studierende gedacht werden mußte. Zwei Jahre später wurden die Räume von neuem zu eng, und es wurden zwei weitere Seitenflügel von denselben Dimensionen hinzugefügt; und 1890 endlich sah man sich gezwungen, das Vordergebäude noch um einen Stock zu erhöhen. So verfügt denn die Anstalt jetzt über 19 Hörsäle, in denen Schüler von 16 bis 54 Jahren ihren Unterricht erhalten.

Das Lehrziel des Technikums Mittweida erstreckt sich auf die Ausbildung von Maschineningenieuren und Werkmeistern. Das Erstere wird, je nach den Vorkenntnissen der Hörer, in einem Kursus von 5, beziehungsweise einen solchen von 6 Semestern erreicht. Es erstrebt die Heranbildung von praktischen Konstrukteuren für die Privatindustrie, und zwar durch wissenschaftliche Schulung und Übung in selbstständiger Gedankenarbeit – nicht durch Unterweisung im Gebrauch unverdauter und unverstandener Formeln. Die Absolventen der Anstalt werden soweit gebracht, daß sie jedem neuen Problem mit kritischem Urteilsvermögen gegenüber zu treten im Stande sind. Besonders bemerkt sei hierbei noch, daß die rapide Entwickelung der Elektrotechnik Veranlassung zur Einführung eines besonderen elektro-technischen Praktikums gab, in dem an den Dynamomaschinen verschiedener Systeme und mit Hülfe der besten Meßinstrumente praktische Demonstrationen und Arbeiten stattfinden.

[Ξ] Die Werkmeisterschule umfaßt einen Kursus von drei Semestern und bezweckt die Ausbildung von Werkmeistern, Aufsehern in Maschinenfabriken, Zeichnern und ähnlichem Personal. Dem späteren Berufe der Schüler entsprechend, erfolgt dieselbe innerhalb der Grenzen des praktischen Bedarfs; die theoretische Schulung beschränkt sich dementsprechend nur auf das Notwendige und wird wesentlich durch Übung in der Ausführung von Konstruktionen ersetzt.

Das Technikum Mittweida, das, wie wir gesehen haben, aus einer bescheidenen Technikerschule zu einer Anstalt von Weltruf emporgewachsen ist, erfreut sich an leitender Stelle der besonderen wohlwollenden Aufmerksamkeit und wurde auch durch den Besuch König Alberts von Sachsen ausgezeichnet, dem von Seiten der Studierenden zweimal ein solenner Fackelzug dargebracht wurde; es feierte vom 19.–21. März 1892 unter lebhafter Beteiligung der königlichen und städtischen Behörden sowie vieler früherer Schüler das Jubiläum seines 25jährigen Bestehens. Die Leitung des Instituts wurde von da ab in die Hände des Herrn Direktors A. Holzt gelegt.