Das Sommerheim der deutschen Kaiserin

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Titel: Das Sommerheim der deutschen Kaiserin
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aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 338–342
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Das Sommerheim der deutschen Kaiserin.


Coblenz! Das Ziel unserer Fahrt, die wir von Bingen ab rheinabwärts angetreten haben. Von Stolzenfels an arbeiten die Schaufelräder des Dampfers in beschleunigtem Tempo. Die scharfen Contouren des Ehrenbreitsteins mit seiner undurchdringlichen Panzerumgürtung von fast cyklopischen Mauern tauchen rechts aus den Fluthen höher und höher auf; zwei Rheinbrücken mit ihrem leichten Gegitter spannen sich in kühnen Bogen quer über den Strom; links fallen die vulcanischen Berge der Eifel in runden Kuppen nach dem Flusse zu ab; die graue Schlacke bedeckt sich mit üppigem Grün, und weiter nach der Stadt zu zieht sich am linken Ufer entlang, bespült von den hellgrünen Rheinwellen, ein herrliches Gelände – Garten, Park, Landschaft. Als nächstes Bild folgt auf dem linken Ufer ein imposanter Schloßbau. Eine prächtige Façade, ein zwischen zwei Eckpavillons von sechs ionischen Säulen getragener Mittelpavillon mit einem Giebelfelde darüber, hebt sich über die hohen und dichten Baumkronen eines terrassenförmigen Gartens empor. Es ist das Schloß von Coblenz, das Sommerpalais der deutschen Kaiserin, die frühere Residenz des letzten Kurfürsten von Trier, dessen Wappen im Giebelfelde noch erhalten ist.

Die Schiffsglocke läutet; wir sind vor der Brücke von Coblenz angelangt. In einladender Weise legen sich am Ufer zwei jener Paläste aus, welche der moderne Unternehmungsgeist dem verallgemeinerten Lebensgenusse baut, die Hôtels „Bellevue“ und „Zum Riesen“. Unsere Gedanken und unsere Schritte aber führen uns dem Schlosse zu, welchem unsere Rheinfahrt galt.

An der Stelle des heutigen aus Triassandstein erbaueten Schlosses waren vor hundert Jahren nur Weinberge und Baumgärten zu schauen. Die Stadt Coblenz hatte damals bei Weitem noch nicht ihren heutigen Umfang erreicht; die alte Stadt dehnte sich mehr nach der Moselseite aus. Die Fläche, auf welcher heute die Straßen und Plätze der Neustadt sich in weiter und vornehmer Ausladung um das Schloß gruppiren, nahmen früher Obstgärten ein, die den Einwohnern an schönen Sommerabenden als Zielpunkte ihrer Spaziergänge dienten. Mit dem Schlosse ist auch erst der neue Stadttheil von Coblenz entstanden.

Man hat die Stadt wegen ihrer beherrschenden Lage an der Mosel und am Rhein, dieser Pulsader des deutschen Westens, das deutsche Gibraltar genannt. Als befestigter Platz ist es der Schlüssel zum Mittelrhein und dem deutschen Moselgebiet und gegenwärtig eines stärksten Bollwerke, die Deutschland gegen auswärtige Feinde besitzt. Ueber allen historischen Zweifel ist es erhaben, daß die Stadt Coblenz ihre erste Entstehung einem von Drusus gegen die germanischen Völkerschaften erbauten Castell verdankt. Die Römer hatten für derartige natürliche Stützpunkte ein sehr scharfes Auge.[1] Schon im sechsten Jahrhundert ward das römische Castrum zu einem Königshof, in welchem fränkische Könige und später deutsche Kaiser lange Zeit weilten. Hierfür spricht neben anderen Beglaubigungen auch, daß man vor mehreren Jahren in der Nähe des Coblenzer Schlosses im Rhein eine kunstvoll gearbeitete goldene Armspange aufgefunden hat, welche ohne Zweifel aus jener fränkischen Zeit stammt; sie bildet, als Eigenthum der Kaiserin Augusta, jetzt einen der merkwürdigsten Gegenstände des Kurfürstensaales, von dem weiter unten noch die Rede sein wird.

An das Erzstift Trier kam die Stadt Coblenz durch die Freigebigkeit Kaiser Heinrich des Zweiten, der wohl das ganze Deutschland an die Kirche gegeben, wenn nicht die steigende Unzufriedenheit und sein Tod dieser Liberalität ein Ziel gesetzt hätte. Bei Trier ist Coblenz mehr als sieben Jahrhunderte hindurch bis zum Jahre 1794 verblieben, wo die Sansculotten mit ihrer Marseillaise in die Stadt einzogen und dem Reichsfürstenthum des „Curé de Trèves“ ein Ende machten. Der letzte Kurfürst war Clemens Wenceslaus aus dem Kurhause Sachsen. Schon seine nächsten Vorgänger hatten als Residenz Coblenz der Hauptstadt des Kurfürstenthums, der Stadt Trier, vorgezogen. Vor der Hand mußte der neue Kurfürst noch in dem alten Kurfürstenschlosse unter dem Ehrenbreitstein wohnen. Dasselbe bot wenig Raum, war baufällig und dazu mehr Castell als Palast, sodaß unter diesen Umständen die Anlage eines neuen Schlosses eher als eine Nothwendigkeit, denn als ein Luxus erschien. Am 5. October 1777 ließ der Kurfürst auf dem Platze, wo sich heute das Schloß erhebt, ein hohes Gerüste aufschlagen und bestieg dasselbe mit seinem Gefolge, um aus der Umschau den Platz für das neue Schloß zu bestimmen. Ohne Zweifel hatte die Fernsicht seinen Beifall. Das Terrain wurde festgehalten und der Schloßbau begonnen. Die Geschichte des Baues ist insofern interessant, als in dieselbe der Name eines jungen Architekten verflochten ist, der später bei den architektonischen Schöpfungen Ludwig’s des Ersten von Baiern zu hohem künstlerischem Ansehen kommen sollte, des späteren Oberbaudirectors von Gärtner. Franzosen hatten den Coblenzer Schloßbau angefangen, waren aber in Gnade oder auch in Ungnade entlassen worden, und der deutsche Künstler vollendete ihn, so daß am 25. November 1786 der Kurfürst seine Gemächer in der [339] ersten Etage, dieselben, welche die Kaiserin Augusta jetzt inne hat, beziehen konnte.

Nicht lange durfte er den Frieden seines neuen und gar prächtigen Heims genießen. Die Brandungen der französischen Revolution schlugen auch an das Kurfürstenhaus am Rheine. Zuerst kamen die Söhne Josepha’s, der Schwester des Kurfürsten, die Brüder König Ludwig’s des XVI. Sie waren im Exil, Verbannte ihrer Grundsätze, ihrer Meinungen, ihrer Familientradition; sie waren seine Familie; denn als Priester konnte er keine andere haben. Mit den französischen Prinzen kamen die Edelleute, die Officiere, die Bischöfe, welche den Eid auf die Constitution nicht haben leisten wollen. Die Franzosen wurden dem geistlichen Herrn mit der Zeit recht unbequeme Gäste – politisch sowohl wie finanziell. Die Erbitterung gegen „den Hof von Coblenz“, namentlich nach den in Pillnitz zwischen dem deutschen Kaiser und dem Könige von Preußen gepflogenen Verabredungen zur Bekämpfung der Revolution, steigerte sich in der französischen Nationalvertretung zu einem Grade, der dem Kurfürsten für sein Land und seine Sicherheit die ernstesten Besorgnisse einflößen mußte. Zudem lagen seine Neffen und deren ganzer Anhang ihm immer lästiger auf den Taschen.

Die glänzendsten Tage unter Clemens Wenceslaus hat das Schloß Coblenz gesehen, als König Friedrich Wilhelm der Zweite von Preußen in Coblenz erschien, um an der Spitze seiner Armee die Sache der Monarchie gegen die mächtig gewordene Revolution zu verfechten. Die damals rege gewordenen Hoffnungen aber zerstoben bald. Auf der Seite der jungen Republik war die Macht der Einheit, auf deutscher Seite nur die traurige Ohnmacht deutscher Zerfahrenheit. So kam es denn, daß in der Nacht vor dem 5. October 1794 in der Stille mehrere Rheinschiffe mit Archivsachen und Kostbarkeiten befrachtet wurden; sie nahmen ihren Curs rheinaufwärts; ihnen folgte am andern Tage der Kurfürst auf das rechte Ufer. Er hat Coblenz nie wieder gesehen. An seiner Statt kamen die Franzosen, welche als Pathengeschenk der neuen Freiheit, die sie brachten, eine Contribution von vier Millionen Franken beanspruchten. Ein Freiheitsbaum mit der Jacobinermütze wurde vor dem Schlosse aufgepflanzt und das kaum erst vor acht Jahren mit größter Pracht und wahrhaft künstlerischem Geschmacke eingerichtete Schloß von oben bis unten ausgeraubt und verwüstet, wobei die Coblenzer Republikaner sich alle Mühe gaben, die französischen zu überbieten.

Unter den historischen Schätzen des Kurfürstensaales befindet sich ein kostbares Album, welches die Damen von Coblenz dem Kaiser Wilhelm und der Kaiserin Augusta zum Andenken an den denkwürdigen Tag verehrten, mit welchem die zweite Geschichte des Schlosses von Coblenz beginnt. Ein in Wasserfarben von Prof. Scheuren ausgeführtes Blatt dieses Erinnerungsalbums stellt den Moment dar, wo der Prinz und die Prinzessin von Preußen am 17. Mai 1850 mit dem Dampfschiffe in Coblenz anlangten, um mit ihren Kindern im Schlosse sich einen zweiten Familiensitz zu gründen. Während der sechsundfünfzig Jahre, die seit der Abreise des kurfürstlichen Erbauers verflossen waren, hatte das Gebäude unter der Franzosenherrschaft abwechselnd als Lazareth und Magazin gedient, dann, nachdem im Jahre 1814 durch den Gang der Ereignisse die französischen Schildwachen vom deutschen Rhein nach Hause geschickt worden waren und ein Jahr später die preußischen Posten die Wachen von Coblenz bezogen hatten, wieder theils als Lazareth, theils als Assisengerichtsgebäude, bis an einem Januartage des Jahres 1842 Baurath Stüler vom Hofmarschallamte in Berlin im Auftrage des Königs Friedrich Wilhelm des Vierten in Coblenz erschienen war, um das Schloß auf’s Neue zu einem Königssitze umzugestalten.

Die ganze Mitteletage wurde wieder fürstliches Appartement und dem Prinzen von Preußen in seiner Eigenschaft als Militärgouverneur von Rheinland und Westfalen eingeräumt. Durch acht Jahre verbrachte hier das prinzliche Paar den größten Theil des Jahres. Nur in die Zeit von Mitte November bis Mitte Februar fiel ein Aufenthalt in Berlin, welchem ein Besuch in Weimar bei der Mutter der Prinzessin, der einst von Schiller gefeierten Großherzogin und Freundin Goethe’s, folgte; dann ging es wieder zurück nach Coblenz, dessen Schloß seinen Insassen von Jahr zu Jahr trauter und heimlicher wurde. Der Prinz von Preußen hatte sich sein Arbeitszimmer im südlichen Eckpavillon gewählt, mit der herrlichsten Aussicht, die man in deutschen Landen finden kann, auf den wogenden Strom hinüber nach Ehrenbreitstein und weiter bis hinauf nach Stolzenfels.

Das Zimmer ist mit seiner einfachen Ausstattung in lichtem Möbelkattun heute noch dasselbe, wie vor achtundzwanzig Jahren, wogegen sich die anderen Räume, dem erhöhten Anspruch der Zeit an Glanz und Comfort und der königlichen, nunmehr kaiserlichen Würde entsprechend, von Jahr zu Jahr verschönert haben.

Diese Zeit des Aufenthaltes im Coblenzer Schlosse wurde für das prinzliche Paar gleichsam zur Vorschule, zur ernstesten Vorbereitung für seinen späteren königlichen Beruf. Kommende Geschlechter werden erst die hohe Bedeutung dieses Aufenthaltes, welcher in die Jahre kurz nach der Bewegung von 1848 bis zur Uebernahme der Regentschaft fiel, für die Geschicke der Monarchie, für den Gang späterer Ereignisse zu würdigen im Stande sein, wenn ihnen die Geschichte das ganze Material zu dieser Würdigung in die Hand gegeben haben wird. So wenig auch der Prinz von Preußen und seine Gemahlin damals in den Vordergrund des staatlichen, politischen Lebens treten konnten, so übten sie doch in ihrer Stellung hier am Rheine unverkennbar einen politischen Beruf aus. Die Rheinlande verharrten nach dem Jahre 1848 noch weit mehr als vordem in einer selbstständigen Richtung dem nordöstlichen Wesen gegenüber. Die französischen Erinnerungen saßen den Rheinfranken noch ziemlich fest im Sinn, und es war noch gar nicht so lange her, daß die Bevölkerung zwischen sich und den Nachbarprovinzen einen sehr merkbaren Unterschied machte. Diese Gegensätze auszugleichen oder wenigstens zu mildern, die Bevölkerung der neuen Ordnung der Dinge geneigter zu machen – das war die Aufgabe, welche sich die beiden fürstlichen Ehegatten gestellt hatten. Sie theilten sich in diese ihre Arbeit. Das Wirken der Prinzessin bethätigte sich in Werken und Anstalten der Barmherzigkeit, welche letztere später für die ganze Monarchie Anregung und Muster wurden.

Anders geartet war die Arbeit des Prinzen. Sein allem Scheinwesen abgewandter Sinn ertrug nur mit tiefem innerem Widerstreben die Thatsache, daß die allgemeine Wehrpflicht für Preußen nach dem bestehenden Zahlenverhältnisse zwischen Armee und Bevölkerung nur auf dem Papier vorhanden sei. Sie mußte zur That werden. In jenem vorhin erwähnten Arbeitszimmer wurden von ihm mit dem späteren Kriegsminister von Bonin die Grundzüge der Armee-Organisation erörtert und festgestellt, die den späteren König und Kaiser zu Siegen und Triumphen führen sollte. Außer dieser militärischen Aufgabe, welche der Prinz von Preußen glänzend löste, außer der wichtigen Stellung des vielseitigen Rathgebers für den König, die er auch in der Provinz festzuhalten wußte, knüpfte sich an die Zeit seines Verweilens daselbst (1850-1861) das erfreuliche Ergebniß einer Doppelerziehung, welche für beide Eltern zur Lebensfrage geworden war. Prinz Friedrich Wilhelm, der jetzige Kronprinz des deutschen Reiches, war damals als Bonner Student und dann beim Beginn seiner militärischen Laufbahn so oft wie möglich im elterlichen Hause in Coblenz. In diese denkwürdige Zeit fällt auch seine Verlobung mit der englischen Kronprinzessin. Mehr aber noch als ihr Bruder verdankt die Prinzessin Luise, jetzige Großherzogin von Baden, ihre Erziehung dem Coblenzer Schlosse, wo sie als kleines Kind eintraf, um dereinst von dort aus als anmuthige Braut in einen der schönsten Theile Süddeutschlands einzuziehen. Dieser Erziehung hatte sich die Prinzessin Augusta ganz gewidmet, und das Verhältniß natürlicher Bande des Blutes hat sich zu einem tief geistigen, seelischen erhoben, sodaß wir nun beide hohen Frauen mitten im Ernst des Lebens in gegenseitiger Unterstützung und Ergänzung vereint wirken sehen.

Seit Uebernahme der Regierung ist der Kaiser nur zu Besuchen seiner Gemahlin wieder in Coblenz eingekehrt. Das letzte Mal war er im verflossenen November hier, und damals allerdings auf längere Zeit. Für die Kaiserin jedoch ist Coblenz die zweite Residenz geworden. Das milde Klima, die Luft, Land und Leute behagen ihrem Innersten; sie fühlt sich hier wohl, und die Liebe, die sie diesem herrlichen Fleckchen Erde entgegenträgt, wird ihr durch gleiches Empfinden von Seiten der Bevölkerung gelohnt. Im Mai erscheint die Kaiserin in Coblenz; dann pflegt sie ihre Cur in Baden-Baden zu beginnen, um darauf den Monat Juni bis Mitte Juli wieder in Coblenz zuzubringen. Weiter gehört die Zeit von Ende October bis Ende November dem Rheinschloß. Nun geht es für den Winter nach Berlin zur [340] Erfüllung jener vielseitigen Pflichten, welche einer Kaiserin durch ihre Stellung auferlegt sind und die sich für eine so reich angelegte Natur mit jeder Erhöhung erweiterten, zu welcher sie vom Schicksal ausersehen war.

Die Zimmer des Kaisers sind von denen der Kaiserin durch ein großes Speisezimmer getrennt. Eine dunkle Ledertapete bekleidet die Wände; ein dichter Smyrnateppich dämpft die Schritte; die Stühle sind von braunem Leder und tragen die Chiffre der Kaiserin; schöne Bronzen erfreuen das Auge des Kenners. Der allgemeine Aufgang zu den kaiserlichen Gemächern geschieht durch eine große breite Treppe, der für die Abendstunden rechts und links elegante Candelaber Licht geben. Den Schlußpunkt derselben bildet eine Nische. In dieser befindet sich die lebensgroße Erzstatue des letzten Kurfürsten von Trier; ihm, dem Erbauer des Schlosses, hat der König Friedrich Wilhelm der Vierte diese Statue setzen lassen.


Das Coblenzer Schloß von der Rheinseite aus.
Nach der Natur gezeichnet von A. Zick.


Der frühere Saal der kurfürstlichen Garden, der nach der Stadt zu gelegen ist und mit dem nach dem Rhein ausblickenden Tanzsaal correspondirt, ist von der Kaiserin zu einem Museum für die geschichtlichen Erinnerungen Kurtriers und speciell der Stadt Coblenz umgewandelt worden. Der Raum bietet ein großes historisches Interesse. Hier befindet sich auch die oben erwähnte, im Rheine gefundene fränkische Armspange. Die Wände dieses Museums sind mit den Portraits der Kurfürsten von Trier geschmückt; sie stammen zum Theil aus dem alten Schlosse von Ehrenbreitstein, und der leider nun verstorbene Archivrath von Eltester in Coblenz ist es, dessen Bemühungen man die Herstellung der vollständigen Reihenfolge verdankt. Ihm hatte überhaupt die Kaiserin die Completirung und Beaufsichtigung ihrer Sammlung übertragen, und bis zu seinem Lebensende war der gewiegte Kunst- und Alterthumskenner bemüht, Geräthe, Kupferstiche, Portraits, Stadtprospecte, Bücher, Karten und Manuscripte zu suchen, kurz eine Sammlung anzulegen, welche für diesen Punkt des Rheinlandes insofern von hoher Bedeutung ist, als dadurch die deutschen Erinnerungen, welche durch die französische Revolution wie ausgelöscht waren, neu belebt worden sind.

Durch den Kurfürstensaal tritt man in den Ballsaal, welcher die ganze Front des Mittelpavillons durch zwei Etagen einnimmt. Dieser mächtige Raum, von einem cassettirten Tonnengewölbe überspannt, frappirt durch seine edlen Verhältnisse. In derselben Flucht von Norden nach Süden liegen noch mehrere Gastgemächer und der Thronsaal, dessen Schmuck in einer Wandbekleidung und einem Thronbaldachine von rothem Damast besteht. Die Bildnisse des Vaters und des königlichen Bruders unseres Kaisers vergegenwärtigen die Beschützer des Rheinlandes. Dicht daran liegt das Wohnzimmer der Kaiserin, ein trauliches Gemach, angefüllt mit Erinnerungen und Kunstwerken.

In einem kostbar geschnitzten Behälter zwischen den beiden Fenstern ruht in silbernem, emaillirtem Prachtbande jenes berühmte Album, welches die rheinischen Stände dem Prinzen und der Prinzessin von Preußen an ihrem silbernen Hochzeitsfeste zum Geschenk dargebracht haben. Es enthält achtzig von den bedeutendsten Düsseldorfer Künstlern geschaffene Blätter aus dem Sagenbereich, aus der historischen Vergangenheit und Gegenwart der Rheinlande. In dem Alkoven, in welchem einst der sächsische Verwandte der Kaiserin, Clemens Wenceslaus, seine oft von schweren Sorgen unterbrochene Nachtruhe hielt, ist die Privatbibliothek der Kaiserin und eine kleine Sammlung von deutschen, französischen und englischen Werken aufgestellt. Wie die Kaiserin in allen Dingen ihre Anhänglichkeit an ihre thüringische Heimath bekundet, so nimmt auch hier ein kunstvoller, ihr von den Bewohnern der Ilmstadt geschenkter Schrank den Hauptplatz ein. Der Durchgang, welcher vom Wohnzimmer der Kaiserin in den [341] Empfangssalon führt, ist mit Holzschnitzereien, Aquarellen, Oelbildern und Gobelinportièren künstlerisch decorirt.

Die größere unserer Illustrationen (S. 333), von dem Urenkel desselben Meisters Zick gezeichnet, welcher den Plafond im Empfangssalon der Kaiserin mit den Fresken „Nacht und Morgen“ geschmückt hat, führt uns in diesen Empfangssalon. Wir sehen einen kleinen Abendcirkel der Kaiserin im Schlosse von Coblenz vor uns. Die hohe Frau nimmt die Mitte des durch zwei Marmorsäulen getheilten Gemaches ein, unmittelbar unter dem lebensgroßen Bilde des letzten Kurfürsten, der vor neunzig Jahren hier Hof gehalten hat. Zu beiden Seiten des Kurfürstenbildes befinden sich zwei moderne Portraits. In dem blonden Jüngling mit dem braunen Civilrocke und der hohen schwarzen Atlascravatte würde man kaum mehr den jetzt so männlichen Kronprinzen des deutschen Reiches wiedererkennen. Hier ist er als Bonner Studio dargestellt.


Die Trinkhalle in den Coblenzer Rheinanlagen.
Nach der Natur gezeichnet von A. Zick.


Leichter schon findet man links aus dem sinnigen Mädchenkopfe die geliebte Tochter des Hauses, die Großherzogin von Baden, heraus. Unter diesen Portraits ist der Lieblingsplatz der Kaiserin; hier lauscht sie, mit einer Handarbeit beschäftigt, den Worten des Vorlesers. Um sie her ist ihr persönlicher Hof versammelt, an der Spitze desselben die Palastdame Gräfin Adelaide von Hacke, ihre treue und langjährige Begleiterin, ferner ihr Oberhofmeister Graf Nesselrode, ihre Hofdamen und sonst noch Personen, die geladen oder als Gäste eingetroffen sind.

Auf unserem Bilde zur rechten Seite der Kaiserin sitzt der commandirende General des siebenten Armeecorps, der Held der Schlachten im nördlichen Frankreich, General von Goeben[WS 1]; die schlanke militärische Gestalt rechts von ihm gehört dem Commandeur des Regiments „Augusta“, Oberst von Minkwitz. Den zweiten Platz links von der Kaiserin hat der Oberpräsident von Bardeleben inne, der Hausgenosse der Kaiserin, welcher in den Parterreräumen des Schlosses seine Dienstwohnung hat. Die martialische Militär-Figur rechts im Vordergrund ist der Gouverneur von Coblenz, General von Beyer, jener schlanke Mann unter dem Bilde der Großherzogin der Archivrath von Eltester. Inmitten zweier Hofdamen sitzt ein junger eleganter Mann, der frühere Cabinetssecretär der Kaiserin, jetzige Generalconsul in Cincinnati von Mohl. Die Plätze vorn am Tische links nehmen der Landgerichtspräsident von Breuning und Landrath von Frentz mit Gemahlin ein.

Das Schloß Coblenz bildet sowohl nach der Stadt wie nach der Rheinseite zu ein vollständiges, in sich abgeschlossenes Ganze. Die Terrasse, auf die man durch den Gartensaal im Erdgeschoß hinaustritt, schließt den Schloßcomplex nach der Rheinseite durch die äußere Festungsmauer ab. Die Terrasse, sowie die beiden rechts und links derselben tiefer gelegenen Gartenpartien stellen den eigentlichen Schloßgarten vor – den Privatgarten der Kaiserin. Es ist ein Grundstück von beschränkten Raumverhältnissen. Mehrmals schon war es im Werke, die Anlage nach dem Rheine hin zu erweitern, aber die Kaiserin sträubte sich stets dagegen. Das Rayongesetz des Staates legt den Grundbesitzern von Coblenz rücksichtlich der Festungsanlagen sehr wesentliche Beschränkungen in Bezug auf das Ausnützungsrecht ihres Grundeigenthums auf, und die Kaiserin wollte vor der übrigen Einwohnerschaft von Coblenz nichts voraus haben. Im Jahre 1866 war der Garten sogar als Geschützstand benützt, und die kleine Pforte, die nach dem Rhein hinausführt, zugemauert. Aber eben die Unmöglichkeit, ihren Privatgarten auszudehnen, führte die Kaiserin auf Pläne, deren Verwirklichung einer ganzen Bevölkerung zu Gute kommen sollte.

Bis vor fünfundzwanzig Jahren hatte die von der Natur so außerordentlich begünstigte Stadt Coblenz keinen Ort, an dem [342] die Einwohnerschaft nach des Tages Last und Arbeit sich an frischer Luft erlaben konnte. Den Rhein entlang, da wo wir vom Dampfschiffe aus eine entzückende Anlage gesehen haben, zog sich ein schmaler mit Weiden bewachsener Leinpfad, auf dem kaum zwei Menschen neben einander gehen konnten. Nur mit Mühe war es möglich geworden, für die Prinzessin Luise, jetzige Großherzogin von Baden, einen Platz ausfindig zu machen, wo sie sich mit Altersgenossinnen frei in Licht und Luft tummeln konnte. Die Herrichtung dieses Platzes, der noch heute den Namen der Großherzogin trägt, gab den Anfang zu den Rheinanlagen, welche mit ihren dunklen Laubgängen und zierlichen Landhäusern, mit ihren Statuen und Vasen, ihren poetischen Ruheplätzen und eleganten Erholungsorten eine der eigenthümlichsten und reizvollsten Schöpfungen der Garten- und Landschaftskunst bilden. All dies ist eine Schöpfung der Kaiserin Augusta.

Bei Anlage der rheinischen Bahn war dem Rheine durch Ausbaggerung Terrain abgewonnen worden, und auf diesem Grunde beschloß die Kaiserin zu bauen. Jahr für Jahr fuhr sie in der Erweiterung stetig fort. Mehr als einmal wurden die mit großer Mühe gemachten Anpflanzungen verwüstet, endlich aber Mühe und Aufwand durch den herrlichsten Erfolg gekrönt: Im Jahre 1865 war die den Raum einer halben Meile einnehmende Anlage fertig und wurde der Stadt von der Kaiserin als Geschenk übergeben. Aus dem kahlen, öden, unschönen Leinpfad, der sich bis zum Fluß hinabzog, war ein zauberhaftes Gelände geworden, bis zu dem die schwersten Rheinschiffe anfahren konnten. Die Anlagen beginnen am Königsbogen, so benannt von den kolossalen Medaillons der beiden königlichen Brüder: Friedrich Wilhelm’s des Vierten und Kaiser Wilhelm’s. Die Wand der Festungsmauer deutet in ihren Emblemen auf das fünfundzwanzigjährige Verweilen des jetzt kaiserlichen Paares in Coblenz. Aber ein darunter befindliches kleines Monument, der „Wacht am Rhein“ gewidmet, bezeichnet einen ernsten Moment aus jüngerer Zeit. An dieser Stelle, von einer großen begeisterten Volksmenge umgeben, schied am 12. Juli 1870 König Wilhelm nach den entscheidenden Tagen von Ems von seiner in Coblenz zurückbleibenden Gattin, um, nach Berlin reisend, daselbst die Kriegserklärung vorzufinden, die bereits am 13. Juli ganz Deutschland zu den Fahnen rief. Rauch’s Victoria-Statue in antiker Umgebung bildet den Vordergrund dieses monumentalen Platzes, der mit einer Erinnerungssäule abschließt, gewidmet den Verdiensten der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft als Erbauerin der Rheinbrücke. An beiden Seiten bieten antike marmorne Ruhebänke, von großen Gascandelabern überragt, dem Ermüdeten eine Ruhestätte; Gehänge von wildem Wein umkleiden die Mauern und eröffnen, die scharfen Contouren der Bogenarchitektur verdeckend, die Aussicht auf die Anlagen, auf den Rhein, auf die Berge der Eifel, auf Stolzenfels – kurz, auf eines der schönsten Landschaftsbilder Deutschlands. Das entgegengesetzte Ende der Anlagen wird vom Muschelplatz gebildet, einer Rotunde von mehreren rundgezogenen Lauben, die, von Schlingpflanzen überwuchert, mit Muscheln jeder Form aus Fayence phantastisch decorirt sind. Zwischen diesen beiden Endpunkten ziehen sich die Rheinanlagen hin, bald sich erweiternd, bald sich verengernd, immer mannigfaltig, immer neu, immer überraschend, wobei Landschaft mit Werken der Sculptur in reizvollster Weise abwechselt. Rechts hinter einem Denkmale des begeisterten deutschen Sängers Max von Schenkendorf hat die Kaiserin einen weiten Spielplatz für Kinder aller Stände einrichten lassen. Weiterhin ist ein Croquetspielplatz für Erwachsene hergerichtet. Eine Säule trägt die Namen derjenigen Männer, welche der Kaiserin bei Anlage ihres Werkes fördernd zur Seite gestanden, voran den des großen Gartenkünstlers Lenné, eines geborenen Coblenzers. Eine graziöse Schöpfung ist ein Pavillon von Gußeisen mit dem anmuthigsten Arrangement von wildem Wein, der im Sommer Schutz vor der Gluth der Sonne bietet. Hier werden Erfrischungen geboten und Zeitungen gelesen. Die innere Einrichtung des Pavillons ist mit einer kleinen Bibliothek, mit Spielen, überhaupt mit solchen Dingen ausgestattet, die zur anständigen Unterhaltung der Gäste dienen können. Nicht weit davon gewährt ein Observatorium alle Mittel, sich physikalisch und geographisch zu orientiren. Der Mittelpunkt der ganzen Anlage aber ist die Trinkhalle, ein in Schweizerstil errichtetes Gebäude. Es schaut wie ein liebliches Kindergesicht aus den Bosquets. Ein freier, offener, balconartiger Platz davor ist fast in den Rhein hinein gebaut. Hier ist im Sommer der Sammelpunkt der gebildeten Stände von Coblenz und der Fremden, die sich behaglich dem Genusse der Natur widmen, während die Kunst ihnen jede Woche Concert von dem Militärorchester bietet. Bei den Concerten erscheint oft die Kaiserin mit ihrer Umgebung inmitten des Publicums sitzend und verkehrend. Hier war auch, bei dem schon erwähnten Besuche im Jahre 1870, ihr hoher Gemahl noch einmal an ihrer Seite im Kreise der Bevölkerung erschienen. Von nah und fern war Alles herbei geströmt. Die Sorge für die Zukunft lag Allen schwer auf dem Herzen, und bewegt von Begeisterung und Liebe hingen Aller Blicke an dem Königspaare. Das Erscheinen des Königs war ein Abschiednehmen – das wußte Jedermann. Als das Königspaar den Heimweg antrat, zog die ganze große Versammlung ihm nach bis zu dem Pförtchen – still, lautlos, weil im Tiefsten bewegt.

Durch dieses Pförtchen in der Festungsmauer pflegt die Kaiserin ihren Spaziergang anzutreten. Von dort aus zog auch sie hinweg in den Kreis werkthätigen Schaffens, in den Bereich des deutschen Centralvereins, des Vaterländischen Frauenvereins und des Berliner Lazarethvereins.

Uebrigens ist, wie zum Schluß bemerkt sein mag, die Entwickelung der Rheinanlagen noch keineswegs abgeschlossen; so wird von der Muschelrotunde aus gegenwärtig eine Waldpartie angelegt, welche sich bis zur Brücke der Berlin-Metzer Bahn erstrecken und dem herrlichen Schmuck dieser Anlagen einen neuen Edelstein hinzufügen soll.

Anmerkungen

  1. Wie die meisten Orte in Deutschland ihre Namen von ihrer natürlichen Lage erhalten haben, so waren es hier die „zusammenfließenden Ströme“, confluentes, woraus durch die wechselnde Lautirung späterer Jahrhunderte der Name Coblenz entstand.

Anmerkungen (Wikisource)