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Autor: Heinrich Gottlob Gräve
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Titel: Das Silbergeschenk
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aus: Volkssagen und volksthümliche Denkmale der Lausitz, S. 114–116
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Erscheinungsdatum: 1839
Verlag: F. A. Reichel
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Erscheinungsort: Bautzen
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Quelle: MDZ München, Commons
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[114]
XLVI. Das Silbergeschenk.

Auf dem von Kamenz nach Schwosdorf gen Königsbrück führenden Wege erhebt sich rechter Hand ein mit verschiedenen Holzarten bewachsener Berg, auf welchem man einen gegen 5 Ellen hohen Steinklumpen von Granit gewahrt. Ueber ihn folgende Erzählung:

[115] Maria, ein gutgeartetes Mädchen, wurde von ihren in Brauna kümmerlich lebenden Aeltern im J. 1600 am Tage Petri Paul ausgeschickt, um abgestandenes Holz und Strauchwerk zu lesen. Es war grimmig kalt und der Frost rieth dem guten Kinde sich zu sputen und an eine baldige Nachhausekehr zu denken. Beladen mit keiner leichten Last, keuchte es daher mühsam den gefrorenen Weg fort, als plötzlich ein furchtbares Wehwetter, so daß man kein Auge zu öffnen vermochte, eintrat. Schon dunkelte es und kein freundlicher Stern äugelte vom umwölkten Himmel der vom rechten Wege Abgekommenen, doch sahe sie in der Ferne des genannten Berges ein Licht schimmern, auf welches sie – ein Obdach vermuthend – hinzuging. Am Fuße der Höhe begegnete ihr ein weißes Männchen, welches sie freundlich grüßte und nach der Last, die sie trüge, fragte.

Da man zu jener Zeit weder von gestrengen Weidmännern, noch von Paschern oder Accisoffizianten u. dergl. etwas wußte, so nannte sie ungescheut ihr Bürde, worauf das kleine Männchen ihr großmüthig befahl, sich derselben zu entledigen und mit ihm zu kommen, wo er ihr dann etwas Besseres, als Holz geben würde. Sie gehorsamte, bis auf das Entleeren des Korbes und erkletterte mühsam den Berg, wo sie bei des Feuers Glanz, welches den Fels erleuchtete, gewahrte, wie aus einer Oeffnung desselben verschiedene Silbermünzen heraussprangen. Da sprach das Männchen, ihr den Korb ausschüttelnd: „Hier fülle dir deinen Korb mit Silber, wofür du dir Holz nach Gefallen kaufen kannst!“

[116] Allein das Mädchen war zu bestürzt, da es sich nicht erklären konnte, wie das Geld an diesen Ort – wo sie oft Holz gesucht, aber nie Gold gefunden hatte – käme, und ungewiß, ob der Däumling von guter oder böser Art sey, fürchtete es sich und weinte bitterlich. Aber das Männchen suchte es zu beschwichtigen, redete freundlich mit ihr und sprach: „Nimm, nimm, ohne Furcht, denn du bist fromm und gut;“ füllte den Korb mit Münzen, half ihr denselben auf den Rücken und geleitete es bis vor ihrer Aeltern Thüre, wo es verschwand. Das Mädchen erzählte den Sachverlauf den um sie bekümmert Gewesenen. Bald hatte sich das Gerücht im ganzen Dorfe verbreitet, und die gewinnsüchtigen Bauern mit Hacken und andern Werkzeugen in den Busch, um nachzugraben, gelockt. Allein vergebens war ihr Bemühen und ermattet von des Tages Arbeit kehrten sie Abends mit leeren Händen nach Hause. Auf einigen von dem Mädchen mitgebrachten Münzen befand sich, nach der Erzählung, das Bildniß der Gottesmutter, auf andern ein auf einem Stuhle sitzender Bischof, auf andern Mönchsschrift, oder griechische, lateinische oder hebräische Buchstaben, und soll der verstorbene Graf von Geiersberg auf Brauna noch welche davon besessen haben.[1]


  1. Eine, dieser ganz ähnliche, Geschichte soll sich im Braunschweigischen zugetragen haben.