Das Schellenschlagen in Tirol
[97] Das Schellenschlagen in Tirol. (Zu dem Bilde Seite 77.) Einer
der interessantesten Faschingsbräuche in Nordtirol
ist das Schellenschlagen, das noch da und dort im tirolischen
Innthale, in dem von Innsbruck gegen den Brennerpaß hinaufziehenden
nördlichen Wippthale und deren Seitengründen sich mehr oder
minder vollständig erhalten hat. Wenn in einem Dorfe oder Marktflecken
das Schellenschlagen stattfindet, so dürfen die Veranstalter von
vornherein schon auf ein großes Zuschauerpublikum aus dem Orte selbst
und aus den Nachbargemeinden rechnen. Kommt nun der Zug heran,
so strömt alt und jung, Männer und Weiber, und natürlich allen
voran die löbliche Schuljugend, in der Hauptgasse zusammen, in der
man schon von ferne die Schellen klingen hört. Endlich erscheinen
zunächst die Bajazzi, zwei bis drei clown- oder harlekinartig ausstaffierte
Masken, welche, mit langen Peitschen versehen, unter lustigen
Sprüngen und fortwährendem Geknalle dem Schellenschlägerzuge den
Weg freihalten. Während noch die Bajazzi allenthalben ihre Späße
machen und besonders den überall mit hellem Jubel im Wege herumlaufenden
Dorfbüblein, sowie auch den neugierig auslugenden größeren
Diandlen manchen Schabernack spielen, ist auch schon die eigentliche
Faschingsgruppe zur Stelle. Voran der „Hauptmann“ mit seinem buntbebänderten
Stocke, dann kommen die Schellenschläger selbst in ihrem
charakteristischen Kostüm. Dieses besteht aus dem zur betreffenden Thaltracht
gehörenden Hute (auf unserem Bilde ist es der Spitzhut der
Stubaier oder Zillerthaler), dann aus einem weißen Hemde, häufig
mit über der Brust gekreuzten Seidenbändern, den üblichen kurzen
Lederhosen, weißen oder blauen Strümpfen und niedrigen Bund- oder
Schnallenschuhen. Die Hüte werden den Burschen von ihren Diandlen
mit Sträußchen von Kunstblumen und wohl auch mit kurzen buntfarbigen Bändern
geschmückt, und um die Hüfte trägt jeder der Teilnehmer
einen Ledergurt, an welchem rückwärts eine große Schelle befestigt ist.
Der „Hauptmann“ giebt mit seinem Stocke den Takt, und nach diesem
ziehen dann die Schellenschläger, die eine Hand in die Seite gestemmt
und in der anderen gleich dem Anführer ein Stäbchen tragend, würdig
und ernst in langsam hopsendem Tempo des Weges dahin. Dabei
wiegen alle gleichmäßig den Körper nach links und nach rechts. Die
Schellen tönen bei jedem Schritte lautklingend zusammen, und so bewegt
sich der Zug in einer fast feierlich zu nennenden Weise durch die Gassen
des Ortes. Kommt man an einem Wirtshause vorbei, so wird natürlich
auf kurze Zeit eingekehrt, dann geht es wieder weiter unter beifälliger
Anteilnahme von alt und jung, bis schließlich im Hauptgasthofe mit einem
fröhlichen Schmause, allenfalls auch bei einem lustigen Tänzchen,
das Schellenschlagen sein Ende erreicht. J. C. Platter.