Das Rebhuhn und die Wachtel als Wildbret

Textdaten
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Autor: L. Haschert
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Titel: Das Rebhuhn und die Wachtel als Wildbret
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 196 d
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[196 d] Das Rebhuhn und die Wachtel als Wildbret. Wenn der Genuß des saftigen Fleisches unseres Rebhuhnes von einzelnen auch schon in früherer Zeit geschätzt worden sein mag, so reicht doch die allgemeine Anerkennung seines hohen Wertes als Wildbret bei weitem nicht bis in die Zeiten der lukullischen Schwelgereien der römischen Kaiserzeit zurück. Erst gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts begannen unsere Feinschmecker dem Rebhuhn eine größere Aufmerksamkeit zu schenken, und die Ehre, diesen Vogel als Leckerbissen der Tafel gewonnen zu haben, gebührt dem Grafen von Artois, der später als Karl X den Thron von Frankreich bestieg. Dieser Fürst zeigte seit dem Jahr 1785 eine so große Vorliebe für den Genuß des Rebhuhns, daß an seiner Tafel fast jeden Tag eine Schüssel mit diesen Vögeln serviert wurde. Er stellte sogar einen besonderen, sehr geschickten Koch an, der es verstand, Rebhühner in der mannigfaltigsten Weise zuzubereiten und jeden Tag durch eine andere Sauce zu würzen.

Um keinen Mangel an diesem kostbaren Wildbret zu haben, ließ der Graf in dem weiten Garten seines an den Elysäischen Feldern gelegenen Palastes geräumige Volièren herstellen, in denen das ganze Jahr hindurch Scharen von Rebhühnern gezüchtet wurden, während Ludwig XV, der selbst ein leidenschaftlicher Jäger war, das Geflügel für seine Tafel den bewaldeten Revieren von Meudon und Jssy entnahm.

Mit dem Alter änderte sich jedoch der Geschmack des Grafen, denn nachdem er den königlichen Thron bestiegen hatte, zeigte sich das Rebhuhn immer seltener bei seinen Mahlzeiten. An dessen Stelle aber trat nun die Wachtel, die bis dahin in Mitteleuropa verschont geblieben war, und die Sorge für die Erhaltung dieses Vogels und vielleicht die Furcht, einmal auf seinen Genuß verzichten zu müssen, bewogen den König zu dem strengen Verbot, die Wachtel im Frühjahr bei ihrer Rückkehr nach Frankreich an der Küste des Mittelländischen Meeres zu erschlagen oder zu fangen. Bemerkte man doch schon zu jener Zeit eine ansehnliche Verminderung dieser Vögel.

Ohne Zweifel schöpfte Karl X seine Begeisterung für das kleine Wildbret aus den empfehlenden Bemerkungen, denen er im königlichen Archiv begegnete, das von seinem Großvater Ludwig XV auf ihn gekommen war. Dieser Monarch hatte nämlich für die Wachtel eine ganz besondere Vorliebe nicht nur wegen ihres vortrefflichen Geschmackes, sondern besonders auch in Bezug auf das Vergnügen, sie zu jagen. Eines Tages begegnete es diesem jagdlustigen König, eine schneeweiße Wachtel zu erlegen; er konnte sich jedoch nicht entschließen, sie zu verspeisen. Er ließ vielmehr dieses seltene Exemplar ausstopfen und wies ihm dann in seinem Kabinett eine geeignete Stelle an. Heute befindet sich dieser hübsche Vogel in dem naturhistorischen Museum zu Paris.

Im Altertum betrachtete man die Wachtel als das Symbol der Tapferkeit und des Mutes, weil diese Vögel eine ungeheure Aufregung und Unerschrockenheit zeigen, wenn sie sich untereinander bekämpfen. Deshalb richtete man sie auch schon frühzeitig zum Kampfe ab, um der Jugend durch dieses Schauspiel ein nachahmenswertes Beispiel zu geben, Der Kaiser Augustus nahm sich ihrer ganz besonders an und erließ strenge Gesetze zu ihrem Schutze; einer seiner Offiziere wurde sogar unbarmherzig zum Tode verurteilt, weil er es zugelassen hatte, daß bei einer seiner Mahlzeiten auch eine Wachtel aufgetragen wurde, die sich in mehreren Kämpfen ausgezeichnet hatte.

Dieser Vogel sollte auch sonst noch ganz eigentümliche Kräfte besitzen, und lange Zeit hindurch schrieb man ihm das Vermögen zu, ein Paar Ehegatten im schönsten Einvernehmen zu erhalten, wenn nur der Mann das Herz einer männlichen und die Frau dasjenige einer weiblichen Wachtel bei sich trüge. Schließlich sollte ihre Gegenwart sogar angenehme Träume herbeizaubern, weshalb viele vornehme römische Frauen einen solchen Vogel gern in ihrem Schlafzimmer hätschelten, und wenn sie dann morgens vom Schlummer erwachten, währenddessen sie sich in lieblichen Träumen wiegten, so waren sie überzeugt, daß sie dieselben nur ihrer Wachtel zu danken hatten.

Leider sind wir heute dieses bequemen Zaubermittels beraubt; die Wachteln sind bei uns so selten geworden, daß wir es für ein Glück zu schätzen haben, wenn wir nach langer Pause wieder einmal ihren Schlag vernehmen. Wir dürfen uns aber über das allmähliche Verschwinden dieses harmlosen Vogels nicht wundern, wenn wir an die grausamen Verfolgungen denken, denen derselbe auf seinen Wanderungen in den südlichen Gegenden seit langer Zeit ausgesetzt ist. L. Haschert.