Das Rad in der Kirche zu Schweta

Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Das Rad in der Kirche zu Schweta
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. S. 298-301
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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333) Das Rad in der Kirche zu Schweta.

J. Fiedler, Müglische Ehren- und Gedächtnis-Säule. Lpzg. 1709. 4. S. 81. sq. Sickel a. a. O. I. S. 21 sq.

Im Jahre 1304 ist zu Schweta bei Mügeln der Ritter und Kriegs-Oberste Friedrichs des Gebissenen, Herr Melchior von Saalhausen gestorben, ein Mann aus altem adligen Geschlechte, der von Kindheit an ein herzhafter Soldat und Kriegsmann gewesen und Hahn genannt worden, dieweil er überall Hahn im Korbe gewesen. Als er aber in seinem Alter sich zur Ruhe setzte und auf dem Hause Schweta wohnte, hat es ihm noch von der Kriegszeit, wo er viel Menschenblut vergossen, angehangen, daß, wenn er sich erzürnt, er in seiner Hitze denjenigen, der ihn zum Zorn bewegt, seiner Wuth aufopferte, also, daß er bei der hohen Landesobrigkeit, obgleich diese ihm seiner ritterlichen Kriegsthaten wegen wohl gewollt, oft in große Ungnade gerathen und etliche Male hat feldflüchtig werden müssen. So hat er einmal zwei Böttcher [299] im Keller zu Schweta gehabt, die etwas an Wein- und Bierfässern haben arbeiten sollen. Als er nun zu ihnen in den Keller ging, ihrer Arbeit zuzusehen, und sie es ihm nicht zu Sinne gemacht, hat er es getadelt und sie unterrichtet, wie er’s haben wolle. Die Böttcher haben aber vermeint, sie verständen es besser; es mögen auch einige Worte gefallen sein, worüber er erzürnt ward, kurz, er hat sie wie Hunde niedergeschlagen und im Keller erwürgt. Weil er nun schon allzuviel Werg am Rocken gehabt, hat er sich in Eile aufgemacht und sich dahin geflüchtet, wo er sicher zu sein gemeint. Es ist ihm aber fleißig nachgetrachtet worden, also, daß er große Mühe gehabt, seinen Verfolgern zu entgehen, doch ist er ihnen immer als ein rechter Hahn aus den Fäusten entflogen. Einstmals hätte er aber doch verspielt gehabt, wäre nicht einer seiner Unterthanen gewesen. Als ihm nämlich derselbe Mist auf’s Feld fährt und der von Saalhausen hinter dem Wagen hergeht, wird er gewahr, daß das Landgericht zu Roß und Fuß einherzieht, ihn zu suchen und abzuholen. Als er nun hierüber erschrickt und zur Flucht nicht mehr Zeit hat, bittet er den Bauer um einen guten Rath. Der heißt ihn aber heitern Muths sein, seine Feinde hätten ihn hinter dem Wagen noch nicht gesehen, er solle sich nur niederlegen, und weil sie gleich auf den Acker wären, da der Mist hingehöre, wolle er ein wenig Mist auf ihn werfen, sie würden ihn darunter nicht suchen, er wolle unterdessen wieder auf den Hof fahren, als ob er seiner Arbeit warte, und fleißig Acht geben; sobald sie hinweg sein würden, wolle er es ihm anzeigen und ihm wieder heraushelfen. Dem guten Manne war aber sein Leben lieb, er hatte auch nicht Zeit, sich viel zu besinnen, legte sich also nieder und ließ sich zudecken, also daß er auch sicher verblieb. Nun hatten sie aber Kundschaft, daß der von Saalhausen um diese Stunde gewiß zu Hause sein sollte, sie suchten ihn also desto fleißiger und länger an allen Orten, wo sie nur erriethen, daß es möglich wäre, daß sich da ein Mensch aufhalten könne. Dabei geschah es natürlich, daß er länger unter dem Miste im Gestanke aushalten mußte, worüber er denn endlich unwillig [300] ward, aus Argwohn, die Leute seien längst hinweg und der Bauer lasse ihn absichtlich so lange im Kothe stecken und spotte seiner. Nachdem nun endlich die Gerichte fort sind, kommt der Bauer fröhlich zurück, meldet dies seinem Herrn und hofft großes Lob und Dank verdient zu haben. Statt dessen schilt ihn aber der Junker, und als er sich entschuldigt, greift Saalhausen nach dem Degen und sticht ihn todt. Als er nun nach Hause gekommen, da hat er vernommen, wie gefährlich die Sache für ihn gestanden und wie schlecht er dem gelohnt, der ihm das Leben gerettet, und wie geschwind er zuvor zum Zorne gewesen, so sehr hat er hernach bereut. Weil nun seine Gefahr wegen so vieler Morde immer größer geworden, hat er sich außer Landes begeben und endlich durch großer Herrn und Potentaten Fürwort Gnade und Sicherheit erlangt. Darauf hat er aber ganz einsam gelebt und sich keiner Sache oder des Hauswesens mehr angenommen, sondern nur gebetet und sein voriges Leben herzlich bereut, dann aber um Kirche und Schulen sowie die Armen sich wohl verdient zu machen gesucht, auf daß auch Andere für seine arme Seele zu Gott beten möchten. Vor seinem Ende hat er befohlen, wenn er verstorben, solle man ihn zwar zu Schweta begraben, aber nicht in die Kirche, weil er sich der heiligen Stätte für unwürdig erachte, sondern in der Vorhalle oder Eingang und zwar mitten in dem Wege, damit man über ihn hingehen müsse, denn weil er im Leben so Manchem Gewalt angethan und auf ihn getreten, so solle ihn auch Jedermann wieder mit Füßen treten. Ferner hat er befohlen, ein Rad zu machen und solches über seiner Grabstätte in der Höhe aufzurichten, um damit anzuzeigen, daß er sich nicht werth achte, daß er unter der Erde liege, sondern mit so vielen Mordthaten wohl verdient habe, daß er auf das Rad gelegt werde. Weil er aber auch die Kirche zu Mügeln in seinem letzten Willen wohl bedachte, ist ihm in derselben ein großes steinernes Bild mit seinem Schild, Helm und Namen gerade der Kanzel gegenüber an der Wand gesetzt worden. Jenes Rad ist aber seit seinem Tode mehrmals [301] erneuert worden und an der Stelle bis auf die jetzige Zeit zu sehen gewesen.

Weil nun aber der alte Ritter als Katholik auf die guten Werke baute, hatte er vor seinem Tode noch befohlen, es solle alle Sonntage ein altes Bußlied von 5 Versen: „Nimm von uns, Herre Gott, alle unsere Sünd und Missethat etc.“ in der Kirche zu Schweta bei Anfang des Gottesdienstes gesungen werden, welches auch in dem alten Dresdner Gesangbuch (S. 350) abgedruckt ist. Nun ist Ende des 17. Jahrhunderts ein Pastor nach Schweta gekommen, der von dieser Stiftung nichts wußte, also nach seinem Gefallen Lieder singen ließ. Da hat es sich zugetragen, daß sich in der Kirche des Nachts ein so greuliches Gepolter hören ließ, daß jener darüber sehr erschrack. Weil es sich aber mehrere Nächte wiederholte, so hat er Gelegenheit genommen mit den Bauern, die neben der kleinen Capelle wohnten, und dem Schulmeister von diesem Gepolter zu sprechen. Diese haben ihm denn vorgestellt, daß, wenn das eingeführte Lied des Sonntags als ein altes Gestift nicht abgesungen werde, sich jedesmal in der Kirche etwas hören lasse, wie dies laut dessen, was sie von ihren Vorfahren vernommen, schon mehrmals geschehen sei. Darauf hat jener das alte Lied beibehalten und den folgenden Sonntag wieder absingen lassen, worauf man nichts mehr gehört hat. Der schon erwähnte Sickel, dem der alte Pfarrer diese wunderliche Geschichte selbst erzählte, bemerkt noch, daß in der Kirche bei Absingung des Glaubens eine allerdings unschädliche Ceremonie aus dem Papstthum beibehalten werde. Wie nämlich beim Absingen des Glaubens die Worte gesungen werden: „Von Maria der Jungfrauen ist ein wahrer Mensch geboren,“ erhoben sich alle Weibspersonen groß und klein und sangen stehend diese Worte, bis dieselben durch den Gesang beendigt wurden.