Das Pentagramm als Wirthshausschild
[595] Das Pentagramm als Wirthshausschild. Unsere Leser kennen die Stelle des Goethe’schen „Faust“, wo der Drudenfuß auf der Schwelle, das Pentagramma, dem Mephisto „Pein macht“, indem es ihn am Weg gehen hindert. Das Sternfünfeck rührt bekanntlich von den Schülern des Pythagoras her, die darin das Band harmonischer Vereinigung und das Symbol der Gesundheit erblickten. Die Figur zeigt auf überraschende Weise das Verhältniß des „goldenen Schnittes“, welches darauf beruht, [596] daß der kleinere Theil sich zum größeren wie der größere zum Ganzen verhält. Soll ein Ganzes in ungleiche Theile getheilt werden, die doch zugleich die Einheit im Unterschiede bewahren, so ist dieses Verhältniß das logisch richtigste, wie es ästhetisch das wohlgefälligste ist; darum herrscht es in der Natur wie in der Kunst.
Ein Pythagoräer kehrte nach langer Fußwanderung durch eine öde Gegend in einem Wirthshause ein, wo ihn eine schwere Krankheit befiel, so daß er nach langem Siechthum nicht mehr im Stande war, dem Wirthe die Pflege und Zeche zu bezahlen. Kurz vor seinem Ende schrieb er ein seltsames Zeichen auf eine Tafel, die er dem Wirthe übergab, mit der Weisung, dieselbe vor seinem Hause aufzuhängen und darauf zu achten, ob ein Vorübergehender das Zeichen erkenne; der werde dann die Auslagen zahlen und sich dankbar erweisen für das, was an dem Verstorbenen geschehen sei.
Nach langer Zeit kam wirklich ein Pythagoräer vorüber, erkundigte sich nach dem Zeichen und bezahlte, als er den Hergang erfahren, die Schuld des Verstorbenen. Wegen dieses guten Dienstes, den das Gruß- und Erkennungszeichen der Pythagoräer dem Wirthe geleistet, soll das Pentagramm bei den Gastwirthen überhaupt zu Ansehen gekommen sein und daher die Sitte stammen, es in seiner ursprünglichen oder doch etwas modificirten Form als Wirthshausschild oder Bierzeichen zu benützen.