Das Mönchsgesicht an der Kirche zu Schlettau

Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Das Mönchsgesicht an der Kirche zu Schlettau
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. S. 469–471
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort:
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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526) Das Mönchsgesicht an der Kirche zu Schlettau.
Poet. beh. v. Ziehnert Bd. I. S. 47 sq.

An der östlichen Außenseite der Kirche zu Schlettau befindet sich etwa 8 Ellen von der Erde ein Stein in der Mauer, der angeblich, ohne von Menschenhänden bearbeitet zu sein, einem Mönchsgesicht täuschend ähnlich sieht. Das Volk erzählt sich von demselben folgende wunderbare Geschichte. Um das Jahr 1520 war Johannes Küttner (oder Kottne), ein Bruder des Grünhayner Abtes Georg Küttner, Pfarrer zu Schlettau (und zwar der letzte katholische Geistliche daselbst). Da begab es sich, daß einst in stiller Mitternacht, als dieser noch eifrig in den Kirchenvätern studirte, ein bleicher Schatten vor ihn hintrat und also sprach: „Fürchte Dich nicht, ich bin der Geist eines Deiner Vorgänger, der vor nunmehr 100 Jahren, als die Hussiten in der Nähe waren, ein silbernes Crucifix um Mitternacht in die Kirchmauer vergrub, wo es noch ist: ich ward am nächsten Morgen von den wilden Ketzern erschlagen und bin jetzt gekommen, [470] um Dich aufzufordern, das heilige Kreuz wieder an seinen frühern Ort auf den Altar zu stellen. Du wirst den Fleck, wo es vermauert ist, leicht erkennen, denn es wird sich Deinem Auge ein Lichtschein zeigen und da, wo derselbe erglänzt, schlage ein, und Du wirst es sogleich entdecken!“ Damit verschwand er, der fromme Pfarrer aber eilte in die Kapelle, wo der Sacristan ihn zur Messe bereits erwartete. Diesem theilte er das Erlebte mit und hieß ihn am folgenden Mittag mit Hammer und Spitzhaue zur Hand zu sein, um das Crucifix aus seinem Verstecke heraus zu nehmen. Kaum war aber der Pfarrer wieder weggegangen, so versuchte der Böse das dem Geize an sich schon zugewendete Herz des Sacristans, er beschloß auf der Stelle den Versuch zu machen, das Crucifix zu entdecken, den Raub auf die Seite zu schaffen und dann den Fleck möglichst gut wieder auszubessern, damit man von dem geschehenen Diebstahl nichts gewahren möge. Nach kurzem Suchen fand er auch das Lichtlein und als er an der Stelle, die hohl klang, einschlug, blinkte ihm auch das Silber entgegen, allein er hatte bei dem Schlage das eherne Bildniß des Heilands mit zerschlagen. Da fuhr auf einmal ein Donnerschlag vom Himmel herab und die Kirchenglocken fingen von selbst an Sturm zu läuten. Der Pfarrer fuhr aus dem Schlummer empor, er eilte herab und fand schon eine Menge Volk um die Kirche versammelt, weil man glaubte, dieselbe stehe in Flammen. Als die Thüren geöffnet wurden, fand man zwar dieselbe ganz hell, aber nirgends sah man Feuer, wohl aber lag der Tempelräuber zerschmettert neben dem herabgestürzten Crucifix am Boden, doch war sein Kopf vom Rumpf wie abgehauen, und als man nach demselben suchte, fand man ihn an derselben Stelle in der Mauer, wo das Crucifix eingemauert gewesen war. Der tiefbetrübte Pfarrer ließ nun das zerschlagene Bild des Heilands aus seinen Trümmern zusammensuchen und den Körper des Verbrechers aus der Kirche fortschaffen und befahl, den Kopf desselben nach Morgen zu in der Mauer zum ewigen Gedächtniß einzumauern. Als aber der Tag anbrach, da [471] sah man das bleiche Gesicht des Sacristans von selbst zum Stein geworden aus der Mauer heraussehen, und dort steht es noch, denn es läßt sich weder übertünchen noch vermauern, ja man erzählt, daß es oft Thränen vergieße und allemal, wenn dem Städtchen Gefahren drohen, in gelbem Lichte leuchte.