Textdaten
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Autor: Alfred Brehm
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Titel: Das Kamel
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 631–633
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[631]
Thier-Charaktere.
Von Dr. A. E. Brehm.
Nr. 1. Das Kamel.

Die Leser des Jahrgangs 1856 der Gartenlaube erinnern sich gewiß der gelungenen Abbildungdes hochberühmten und vielbelobten Wüstenschiffs und haben sicherlich die vortrefflich geschriebene Erläuterung zu dem rührenden Bilde mit großer Theilnahme gelesen. Meinem Herzen hat die Wärme, mit welcher mein geehrter Mitarbeiter vom Kamel spricht, ungemein wohlgethan, obgleich ich [632] durch jahrelangen Verkehr mit dem lieben Thiere zu einer etwas abweichenden Ansicht gekommen bin. Ich bitte um Verzeihung, wenn ich diese hier mittheile; denn Verzeihung habe ich nöthig, da ich darauf hinausgehe, dem Kamele ein kleines Stückchen seines Heiligenscheines zu entreißen. Ich will Niemand täuschen; deshalb erkläre ich von vorn herein, daß ich mein Beginnen mit lebhaftem Bedauern und als Frevel ansehe, als Frevel an dem durch gemüthliches Nachschreiben und Weitererzählen unumstößlich Festgestellten, als Frevel an einem Geschöpf, welches man als entsagungsvollen, bescheidenen, sanften, anspruchslosen, milden, treuherzigen, menschenfreundlichen etc. Dulder, ja, als halben Engel anzusehen gewohnt ist. Die Wahrheit verlangt aber, daß auch ich rede, und ihr muß ich selbst den Heiligenschein eines Kameles opfern.

„Hoher Sinn liegt oft im kind’schen Spiel!“ Unsere erfindungstüchtigen, eine bilderreiche Sprache liebenden Hochschüler gebrauchen den Ausdruck „Kamel“, wenn sie einen Menschen bezeichnen wollen, welcher die hervorragendsten geistigen Eigenschaften eines Ochsen, Esels, Schafs und Maulthieres in glücklichster Weise in sich vereinigt. Mit wahrer Bewunderung habe ich die überaus treffende Wahl gerade dieses Worts erkennen lernen. Das vierbeinige Kamel vereint wirklich das Wesen der genannten Thiere in sich und ist demnach zu einem Sinnbilde mit Glück zu gebrauchen. Ja, leider ist das Kamel nichts weniger, als „heldenmüthig, bescheiden, klug, sanft, fromm, liebevoll etc. etc. etc.“ – wie es gewöhnlich geschildert wird, sondern vielmehr das gerade Gegentheil von all Diesem. Ich will ganz einfach einige Bilder aus der Wüste hier nachzuzeichnen versuchen und es meinen Lesern dann überlassen, mit dem Endergebniß meiner Anschauungen übereinzustimmen oder nicht.

Versetzen wir uns einmal in das Einbruchsdorf einer Wüstenstraße. Die zur Fortschaffung des Gepäckes bestimmten Kamele sind seit gestern angekommen und fressen mit der unschuldigsten Miene die Wandung einer Strohhütte auf, deren Besitzer eben abwesend ist und es versäumte, sein Haus durch Dornen zu schützen. Die Treiber sind mit dem Umschnüren und Abwiegen des Gepäckes beschäftigt und brüllen dabei nach Leibeskräften und scheinbar mit solcher Wuth, daß man glauben muß, im nächsten Augenblick einen Mord begehen zu sehen. Einige Kamele unterstützen in Erwartung des Kommenden das Gebrüll mit ihrem eigenen; bei den übrigen, welche nicht mit brüllen, bedeutet das nur so viel, als: „Unsere Zeit ist noch nicht gekommen, aber sie kommt!“ Ja, sie kommt; denn die Sonne zeigt die Zeit des Nachmittagsgebetes, die Zeit jedes Beginnes nach arabischen Begriffen an. Nach allen Seiten hin stürmen die braunen Männer, um ihre häuserfressenden oder sonstwie unheilstiftenden Kamele einzufangen; bald darauf sieht man sie mit ihnen zurückkehren. Jedes einzelne Kamel wird zwischen die bereits gerichteten Stücke seiner Ladung geführt und mit einem unbeschreiblichen Gurgellaute gebeten, oder durch einige die sanfte Bitte sanft unterstützende Peitschenhiebe aufgefordert, sich niederzulegen. Mit äußerstem Widerstreben gehorcht das ahnungsvolle Geschöpf, dem eine Reihe schwerer Tage in grellen Farben vor der Seele steht. Es brüllt zuerst mit Aufbietung seiner ganzen Lunge in markerschütternder Weise und weigert sich verständlich und entschieden, seinen Nacken der Bürde zu bieten. Selbst der mildeste Beurtheiler würde sich vergeblich bemühen, jetzt auch nur einen Schimmer von Sanftmuth in seinem wuthblitzenden Auge zu lesen. Es fügt sich ins Unvermeidliche, nicht aber mit Ergebung und Entsagung, nicht mit der einem Dulder so wohlanstehenden Seelenruhe und Geistesgröße, sondern mit allen Zeichen der im höchsten Grade gestörten Gemüthlichkeit, mit Augenverdrehungen, welche unsern Muckern zum Vorbilde dienen könnten, mit ZÄhnefletschen, mit Stoßen, Schlagen, Beißen, kurz mit beispiellosem Ingrimm. Alle nur denkbaren oder besser undenkbaren Untöne orgelt es fugenartig ab, ohne auf Takt und Tonfall die geringste Rücksicht zu nehmen. Dur und Moll wird grauenvoll zusammengeworfen und mißachtet; jeder nur einigermaßen aN Wohllaut anklingende Ton wird der grenzenlosen Wuth geopfert, jeder Naturlaut verstümmelt und zerquetscht. Mein lieber geist- und wortreicher Freund Goltz allein würde im Stande sein, eine annähernd richtige Beschreibung solchen „Tonunwesens“ zu geben; ich fühle mich zu schwach dazu. Endlich scheint die Lunge erschöpft zu sein. Aber nein: es werden blos andere Stimmen gezogen, und in gräulicher Folge etwas kläglichere Weisen angestimmt. Die unaussprechliche Wuth, welche bisher die Seele des herrlichen Thieres erfüllte, scheint durch eine Selbstbetrachtung über die Sclaverei und ihre entsetzlichen Folgen auf Augenblicke verdrängt worden zu sein. Das Brüllen hat sich in ein klägliches Stöhnen verwandelt. Da ich leider keiner der thränenreichen Minnedichter unserer Zeit bin, kann ich blos in schlichter Weise meine Meinung aussprechen, welche dahin geht, daß das Kamel in seinem unendlichen Schmerz wahrscheinlich der goldenen Urzeit gedenkt, in welcher der Erdenteufel, Mensch genannt, dem damals stolz emporgetragenen Fetthöcker der Vorfahren unseres Thieres noch nicht die schwere Bürde auflegte, in welcher es frei und lustig die grünen, leider noch immer nicht wiederaufgefundenen Fluren in nächster Nähe des Paradieses durchstampfte. Die unsäglich traurige, erschütternde Klage des Dulders könnte einen Stein erbarmen. Aber das Herz der Kameltreiber ist härter als ein Stein; das Ohr der Peiniger ist taub für die wehmüthigen Kundgebungen der zartbesaiteten Seele des tief und innig fühlenden Thieres. Nicht einmal eine feinen Unmuth ausdrückende Bewegung wird ihm gestattet. Einer der Treiber stellt sich auf die zusammengelegten Beine des sanften Lammes und faßt mit starker Hand die Nase, um an dieser empfindlichen Stelle gelegentlich einen nach Erforderniß stärkeren oder gelinderen Druck ausüben zu können. Allerdings behauptet der Mann, daß er seine Glieder vor Bissen des „Viehs“ schützen müsse, und zeigt uns seinen Gefährten, dessen Arm von einem Kamele zerbissen und für immer zerstümmelt wurde; allerdings versichert er, daß ein wüthendes Kamel das scheußlichste aller Scheusale sei: allein meine Gerechtigkeitsliebe muß mich jetzt auch den Standpunkt des Kamels würdigen lassen.

Welche Schändlichkeit! Das edle Thier kann sich kaum rühren und soll belastet werden mit der schwersten Bürde, welche außer dem Elephanten überhaupt ein sterbliches Wesen tragen kann, es soll tagelang die schändliche Last schleppen! Ueber solche Erniedrigung bricht es in Erbarmen beanspruchende klagen aus, und der Unmensch schließt beide Nasenlöcher und entzieht ihm den zu solchen Klagen doch unentbehrlichen Athem! Selbst ein Engel würde bei solch einer schnöden Behandlung zum Teufel werden; ein Kamel aber ist weit entfernt, hat nie daran gedacht, irgend welche Ansprüche auf die unerläßlichen Eigenschaften eines Engels gemacht zu haben. Wen soll und kann es Wunder nehmen, daß es seine namenlose Entrüstung durch anhaltendes kräftiges Schütteln des Kopfes kundgibt? wer wird es ihm verargen, daß es zu beißen, mit den Beinen zu stoßen, aufzuspringen, die Last abzuwerfen, durchzubrennen versucht und dann von Neuem zu brüllen beginnt, daß man das Trommelfell vor dem Zerspringen besonders schützen möchte? Und gleichwohl schimpfen und fluchen die Araber noch über solche Ausbrüche gerechten Zornes! Sie, welche sonst alle Thiere mohammedanisch – christlich kann ich, seitdem ich in Spanien war und viele deutsche Spanier sah, hier leider nicht sagen – behandeln, rufen ihm jetzt Verwünschungen zu, wie „Allah jenarhlak abahk, djinsak, ja malâuhn, ja kelb, ja chansihr!“ – Gott verfluche Deinen Vater und Deine Art, Du alles Guten Barer, Du Hund, Du Schwein! – sie stoßen es mit den Füßen, prügeln es mit der Peitsche! Den inständigsten Bitten, den herzerschütterndsten Klagen, der unsäglichsten Wuth setzen sie kalte Mißachtung und höchst empfindliche Schmähungen entgegen! Während der Eine das Kamel an der Nase packt, legt ihm der Andere bereits den Sattel auf den Rücken; ehe es noch halb ausgeklagt hat, liegt auf dem Sattel die schwere Last. Jetzt läßt der Vorderste die Nase los, der Hinterste handhabt die Peitsche wieder: das niedergebeugte Thier soll sich erheben. Noch einmal sucht es seinen ganzen ungeheuren Horn, seine tiefste Verachtung gegen den Menschen in einen einzigen Schrei zusammenzufassen, noch einmal brüllt es beim Aufspringen wuthschnaudend auf, dann schweigt es den ganzen übrigen Tag, wahrscheinlich im Gefühl seiner eigenen Größe und Erhabenheit. Es erachtet es für zu kleinlich, für zu erbärmlich, den tiefen Schmerz seiner Seele über die ihm angethane Entwürdigung noch durch äußere Zeichen dem niederträchtigen Menschen kundzugeben, und geht von nun an bis zum Abend „in stiller Billigung und ohne Schmerzensseufzer seine Stelzenschritte fort“. Aber beim Niederlegen, beim Entladen der Last scheint seine Brust noch einmal frei aufzuathmen; denn dann läßt es nochmals seinen ganzen Ingrimm los.

So gebehrdet sich das Kamel beim Auf- und Abladen; und ich mache mir heute noch Vorwürfe, daß ich die wahre Seelengröße des edlen Wesens jemals verkannt und Ausbrüche des [633] nur allzutief begründeten Unmuths und ganz erklärlicher Nachsucht gegen den abscheulichen Menschen so oft rücksichtslos bestraft habe.

Ich glaube im Vorstehenden den Standpunkt des Kameles vollkommen gewahrt und somit meine Gerechtigkeitsliebe bewiesen zu haben. Dieselbe Tugend verlangt aber, daß ich mich nun auch einmal auf den Standpunkt des Menschen stelle. Von hier aus sieht sich die Sache etwas anders an. Es läßt sich nicht verkennen, daß das Kamel wahrhaft überraschende Fähigkeiten besitzt, einen Menschen ohne Unterlaß und in unglaublicher Weise zu ärgern. Ich kenne kein Thier, welches ihm hierin gleichkäme. Ihm gegenüber ist ein Ochse ein höchst achtungswerthes Geschöpf, ein Maulthier, welches sämmtliche Untugenden aller Bastarde in sich vereinigt, ein überaus gesittetes, ein Schaf ein sehr kluges, ein Esel ein entschieden liebenswürdiges Thier. Dummheit und Bosheit sind gewöhnlich Gemeingut; wenn aber zu ihnen auch noch Feigheit, Störrigkeit, ewig schlechte Laune, Starr- und Murrköpfigkeit, entschiedner Widerwille gegen alles Vernünftige, Gehässigkeit oder Gleichgültigkeit gegen den Pfleger und Wohlthäter und noch hundert andere Untugenden kommen, welche ein Wesen sämmtlich besitzt und mit vollendeter Fertigkeit auszuüben versteht: kann der Mensch, welcher mit solchem Vieh zu thun hat, schließlich rasend werden. Der Araber behandelt seine Hausthiere wie seine Kinder, aber das Kamel bringt ihn zuweilen in namenlosen Zorn. Dies begreift man, nachdem man selbst vom Kamel abgeworfen, mit Füßen getreten, gebissen, in der Steppe verlassen und verhöhnt worden ist, nachdem Einen das Vieh tagen und wochenlang stündlich mit bewunderungswerther Beharrlichkeit und Ausdauer geärgert, nachdem man Besserungs- und Zuchtmittel sowie Bekehrungsversuche aller Art vergeblich verbraucht, alle die elektrische Spannung der Seele abkühlenden Donnerwetter ohne Wirkung losgelassen hat. Daß das Kamel in einer Weise ausdünstet, welche den Bocksgestank als Wohlgeruch erscheinen läßt, daß es das Ohr durch sein Gebrüll ebenso martert, wie die Nase durch seinen Gestank, und auch das Auge durch den gezwungenen Anblick seines unsäglich dumm aussehenden Kopfes auf dem langen Straußenhalse, gehört nicht hierher; daß es aber mit Bewußtsein dem Willen seines Herrn jederzeit entgegenhandelt, das ist es, was es in meinen Augen so tief stellt. Ich habe auf allen meinen Reisen in Afrika unter den Tausenden von Kamelen, die ich beobachten konnte, nur ein einziges gesehen, welches eine gewisse Anhänglichkeit an seinen Herrn zeigte; alle übrigen arbeiteten gezwungen zum Vortheile des Menschen.

Die einzige Eigenschaft, in welcher das Kamel groß ist, dürfte seine Freßgier sein. Außer den Häusern oder Hütten, welche es gelegentlich bis auf das Holzgerüst auffrißt, verzehrt es alle möglichen Stoffe des Pflanzenreichs, einen Mimosenaft mit den fürchterlichsten Dornen, wie einen alten ausgedienten Korb aus Dattelblattstreifen, Durrahkörner, wie Rinden, oder besser Schalenstücken. In dieser Freßgier gehen alle geistigen Eigenschaften unter. Sein Verstand ist ungemein gering. Es zeigt, ungereizt, keine Liebe und keinen Haß, sondern blos Gleichgültigkeit gegen Alles, mit Ausnahme des Futters und seines Jungen. Gereizt wird es, sobald es sich anstrengen, sobald es arbeiten soll; hilft ihm seine Wuth nichts, dann fügt es sich mit derselben Gleichgültigkeit in die Arbeit, wie in alles Uebrige. Im Augenblicke seiner Wuth ist es aber äußerst boshaft und wirklich gefährlich. Wahrhaft abscheulich ist seine grenzenlose Feigheit. Das Gebrüll eines Löwen zersprengt augenblicklich die Karawane; jedes Kamel wirft sofort seine Last ab und stürzt davon. Das Heulen einer Hyäne beunruhigt das feige Vieh außerordentlich; ein Affe, ein Hund, eine Eidechse sind ihm entsetzliche Geschöpfe. Ich kenne kein anderes Thier, mit welchem es in Freundschaft lebt. Der Esel scheint sich ziemlich gut mit ihm zu vertragen, von besonderer Freundschaft zum Kamel kann aber auch bei ihm keine Rede sein; das Roß scheint in ihm das widerwärtigste aller Thiere zu erblicken. Seinerseits scheint das Kamel die übrigen Thiere mit demselben Mißmuthe anzusehen, mit dem es den Menschen betrachtet.

Doch die häßlichste Untugend des Kamels ist unzweifelhaft seine Störrigkeit. Man muß ein Kamel tagelang geritten haben, um diese Untugend in ihrer ganzen, entsetzlichen Ausdehnung kennen gelernt zu haben. Der Anfänger im Kamelreiten hat mit dem Aufsteigen und dem sich Erhalten im Sattel genug zu thun; sowie das Thier störrisch wird, ist es zu Ende mit allem Netten. Dann gehört ein Ausgelernter in den Sattel. Das Aufsteigen in den Sattel hat seine Schwierigkeiten. Der Reiter muß mit kühnem Schwunge in denselben springen und hat anfangs genug zu thun, um sich festzusetzen. Diesen Augenblick benutzt das Thier, um allerlei Unthaten aufzuführen. Der Reiter will sich nach Süden hin wenden – er darf überzeugt sein, daß das Kamel nach Norden sich richtet; er will traben – das Kamel geht Schritt; er will es im Schritt gehen lassen – es geht mit ihm durch! Und wehe ihm, wenn er nicht ordentlich reiten, wehe ihm, wenn er das Vieh nicht zügeln kann! Er ziehe den Zaum an, soviel er will, er reiße den Kopf zurück, daß die Schnauze senkrecht nach oben steht, das Kamel wird um so toller davonstampfen. Und nun mag er sich festsetzen und sich wahren, damit ihn das Vieh nicht nach vorn hin aus dem Sattel wirft, und er dabei auf den Hals desselben zu sitzen kommt! Das liebenswürdige und tugendreiche Wesen ist viel zu ernst, als daß es ein solches Zuwiderhandeln aller Regeln höherer Reitkunst als Scherz oder Versehen hinnehmen sollte! Die nichtswürdige Behandlung, welche es seit seiner Zähmung von dem Menschen erdulden mußte, hat seinen ursprünglich unzweifelhaft edlen und großen Charakter mürrisch und unduldsam gemacht. Es sieht das Ungeschick des Reiters von der ungünstigsten Seite an, als Unbilliges, welches „kein edles Herz erträgt“, und sucht sich nach Kräften dagegen zu wehren. Ein Schrei der Wuth entringt sich seinen nicht gerade anmuthigen Lippen, dann rast es zornig davon. Die auf dem Sattel liegenden und an ihm hängenden Teppiche, Trinkschläuche, Waffen etc. werden herabgeschleudert, und der Reiter folgt seinen Geräthschaften zuletzt sicher nach. Jetzt macht es schleunigst einen Versuch, der Zwingherrschaft zu entrinnen, und stürmt auf gut Glück in die Wüste hinaus. Leider sind die Kameltreiber auf alle diese Fälle vorbereitet. Augenblicklich eilen sie dem Flüchtling nach; laufend, schleichend, eine unbefangene Miene heuchelnd, suchen sie sich ihm zu nähern; sie bitten, locken, schmeicheln, bis sie den nebenherschleppenden Zügel erfaßt haben: dann aber zeigt sich ihre schwarze Seele in ihrer ganzen Abscheulichkeit. Mit einem Satze sind sie, die Kunstgeübten, im Sattel, kräftig zügeln sie das widerspenstige Thier, eilen auf seiner Spur zurück, suchen die abgeschüttelten Gegenstände zusammen, lassen das Kamel sich niederlegen, prügeln es tüchtig ab und beladen es, als wäre nichts geschehen, mit unendlicher Ruhe von Neuem. Und sollte es ihnen wirklich nicht gelingen, des Flüchtlings wieder habhaft zu werden, so sind dafür hundert Andere, ganz Unbetheiligte, immer bereit, ein herrenloses Kamel einzufangen und es, seiner Spur folgend, zum Ausgangspunkte seiner Lustwandlung zurückzureiten; denn kein Araber läßt ein flüchtig gewordenes Kamel entrinnen, ohne wenigstens den Versuch gemacht zu haben, es wieder unter die rechtmäßige Botmäßigkeit zurückzuführen. Daß bei solcher Behandlung das vortreffliche Geschöpf seinen Seelenschmerz in herzerschütternden Seufzern zum Himmel schreit, ist sehr erklärlich.

Doch wo käme ich hin, wollte ich noch mehr von den geistigen Eigenschaften des Wüstenthieres erzählen! Es genüge, wenn ich sage, daß ein Kamel die Kunst versteht, den Menschen durch sein Gebahren rasend zu machen, daß es keine einzige wirklich großartige Eigenschaft des Geistes besitzt, daß es an Adel des Geistes hinter sämmtlichen anderen Hausthieren zurücksteht. Und gleichwohl ist es das wichtigste aller Hausthiere Nordafrika’s! Dies dankt es seinen leiblichen Begabungen, welche ich in einem zweiten Aufsatze besprechen will.