Das Kaiserschiff „Hohenzollern“
[548] Das Kaiserschiff „Hohenzollern“. (Zu dem Bilde S. 533.) Die neue Kaiserjacht „Hohenzollern“ darf als ein Meisterstück neuzeitlicher Schiffsbaukunst angesehen werden. Trotz ihrer Größe erfreut sie durch anmuthige Formen das Auge des Laien wie des Seemanns. Sie erinnert ein wenig an den schwimmenden Palast des Zaren von Rußland, an den „Polarstern“, den man im vorigen Jahre in der Kieler Bucht gesehen hat; gleich diesem gewährt sie einen wahrhaft feenhaften Anblick, wenn sie die ganze Fülle ihrer elektrischen Lichter strahlen läßt, wie es jüngst aus Anlaß des Geburtstages des Prinzen Eitel Fritz geschah. Der gefällige Eindruck des 116 Meter langen und 44 Meter breiten Schiffes wird durch eine Reihe eigenartiger Einzelheiten in der Bauausführung gehoben, durch den scharfkantigen, schön geschweiften Vordersteven, an dessen Bug die deutsche Kaiserkrone in blitzendem Gold erglänzt, sowie durch das unbedachte, kräftig abgerundete Heck, dessen Außenseite das in Schwarz und Silber ausgeführte, von Lorbeerzweigen umrahmte Wappen der Hohenzollern schmückt. Zu den Umrissen des Schiffes passen vortrefflich die drei schlanken Masten, von deren mittlerem bei Anwesenheit des Kaisers die Kaiserstandarte grüßt; sie sind in mäßigem Winkel nach rückwärts geneigt gleich den beiden ziemlich weit auseinanderstehenden, hell schimmernden und in eigenartigem Gelb erglänzenden Schloten. Zu nachdrücklichem Schutze bei heftigem Seegang ist über dem Vordertheile des Schiffes ein Wellenbrecher erbaut, hinter welchem sich beiderseits je ein Thürmchen für die rothen und grünen Positionslaternen erhebt. Hinter diesen Thürmchen sind die schwalbennestartigen Vorbauten für die Geschütze der Jacht angebracht, die ja im Kriegsfalle auch als Aviso benutzt werden kann.
Die Räume für die kaiserliche Familie liegen in dem den Schwankungen am wenigsten ausgesetzten mittleren Theile des Schiffes. Derselbe wird von einem in der Kielrichtung laufenden, zu einem gemeinsamen Salon führenden breiten und hohen Gang durchschnitten, an dessen rechter Seite die Zimmer für den Kaiser und den Kronprinzen liegen, während die Thüren zur Linken in die Gemächer der Kaiserin und der übrigen kaiserlichen Kinder führen.
Diese sämtlichen Räume zeichnen sich bei reichlicher Lichtfülle durch
auffallende Geräumigkeit und durch eine ebenso einfache wie gediegene
Ausstattung aus, die man während der Mittagsstunden im Kieler Hafen
in Augenschein nehmen durfte. Die Täfelung der Wände, die Thüren
und Treppen sind ebenso wie die Tische, Schränke, Einfassungen aus
ganz hellem, fast weißem Ahorn- und Sykomorenholz hergestellt, während
die Wände selbst mit buntfarbigem Creton überzogen sind, dessen Muster
und Farbe in den einzelnen Gemächern wechseln. Mit den Wandungen
harmonieren die sämtlich in hartem Weiß mit Gold gehaltenen Decken
sowie die im Rokokostil aus poliertem Nickel hergestellten Kamine. Für
die Erwärmung der Schiffsräume in kalter Jahreszeit sorgt im übrigen
die durch das ganze Schiff geführte Dampfheizung, während die Beleuchtung
einer Menge von Glühlampen in tulpenförmigen Glocken obliegt.
Von den unteren Wohnräumen führt eine bequeme Treppe zu dem
an Deck liegenden großen und luftigen Speisesaal empor, der in weißem
Grundton mit Gold gehalten ist. Ueber diesem Saal endlich befindet sich
das geräumige Promenadendeck, das nach hinten in einem Rauchsalon,
nach vorn in der Kommandobrücke seinen Abschluß findet. An die kaiserliche
Wohnung schließen sich nach achtern Wohnräume, Arbeitszimmer
und Messe für das kaiserliche Gefolge: sie haben ebenso wie die Offiziersmesse,
die Kajüte des Kommandanten und die im Vordertheil gelegenen
Offizierskojen eine Einrichtung und Täfelung aus hellem Eichenholz erhalten.
Außerordentlich luftig und den weitestgehenden Ansprüchen genügend
sind die ein Deck tiefer gelegenen, fliesenbelegten Küchen. Trotz
dieser vielfachen Inanspruchnahme des Schiffsrumpfes bietet die Kaiserjacht
bei einem Deplacement von 4200 Tonnen dennoch Raum genug für
eine bequeme Unterbringung der Mannschaften und für die Aufstellung
sämtlicher Schiffsgeräthe. Das Schiff führt zwei Schrauben, und seine
Maschinen entwickeln nicht weniger als 20000 Pferdekräfte. Bereits hat
es seinen Dienst angetreten, den deutsche Kaiser auf seine Reisen über
Meer zu führen. Gustav Munk.