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Titel: Das Hagestolzenrecht
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aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 690
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[690] Das Hagestolzenrecht. Daß es in früheren Zeiten für diejenigen Männer, welche sich den Fesseln der Ehe entziehen zu müssen glaubten, ein besonderes „Recht“ gab, ist wohl nicht allen unserer Leser bekannt. So möge denn nachstehende Stelle aus dem „kurzen Tractat von unterschiedlichen Rechten in Deutschland von Justus Georgius Schottelius, fürstlich braunschweigischem Kammerhof- und Consistorialrath (Frankfurt und Leipzig 1671)“ hier als Curiosum mitgetheilt werden mit dem Bemerken, daß die darin enthaltenen Verfügungen zum Beispiel auch in Lübeck gegolten haben:

„Haben also die alten Deutschen solche Frauenfeinde und Brauthasser mit diesem sonderlichen Namen des Hagestolzen genannt, und hat der Name selbst allemal eine Beschimpfung und Auslachen verursacht, und sind die Hagestolzen zu Ehrenämtern wenig gezogen. Es ist aber derselbig eigentlich ein Hagestolz, welcher zu dem Alter und Vermögen gekommen, auch nicht durch Wahnsinn oder sonst eine erhebliche Ursache, geistlichen Stand etc. verhindert wird, daß er könne ehelich werden und ein Weib ernähren.

Derselbe, welcher leibeigen und ein Sclave ist, kann nicht ein Hagestolz sein, sondern freie Leute, die erben und vererben können.

Wie alt ein Hagestolz sein und von welchem Jahr und Tage an man eigentlich rechnen und die Hagestolzschaft anfangen müsse, darüber ist eine durchgehende Gewißheit nicht vorhanden, ein jeder Ort bedient sich des Herkommens und angenommener Gewohnheit, jedoch ist gemeiniglich als terminus a quo das fünfzigste Jahr des Alters und stehet bis dahin einem Unbeweibten die Bedenkzeit frei. In einer fast alten Landgerichtsnachricht befindet sich Folgendes: Gefrage, wie alt im Rechte ein Hagestolz sein solle? Antwort: Ein Hagestolz soll sein fünfzig Jahr, drei Monat, drei Tage; wie wohl in etlichen Aemtern dazu erfordert werden dreiundsechszig Jahre, sechs Wochen, zwei Tage.

Ob nun zwar durch öffentlichen Gesetz und Gerichtszwang nicht eben verboten, ein Hagestolz zu werden und sich alles Heirathens zu begeben, sondern solches jedwedem freigelassen, so wird dennoch ein solcher Hagestolz, je länger, je mehr verdächtig, gehässig und verachtet, und gar selten zu vornehmen Ambtsbedienungen befördert.

Sobald nun einer ein Hagestolz worden, verliert er sein Erblassungsrecht und muß sein Gut der Obrigkeit des Orts, wo er sein Domicilium hat, verlassen und vermag also nicht, durch ein Testament oder andern letzten Willen seine Güter weder an seine Blutsfreunde, noch an andere Leute zu verordnen und zu vermachen.

Es hat aber solche Confiscirung nicht statt in allen Gütern des Hagestolzen, sondern nur in seinen wohlgewonnenen Gütern und nicht in seinen Erb- oder Stammgütern. Und ist ein wohlgewonnenes Gut alles dasjenige, was ein Hagestolz in seinem Stande, Nahrung, Getrieb und Arbeit erworben, erspart und erübrigt, es mag bestehen worin es wolle, an Fahrniß oder unbeweglichen erhandelten und erkauften Gütern, an rückständigen, ausstehenden Schulden, vorhandenen Kleidern, Baarschaft, Hausgeräth etc.

Dasjenige auch, was ein Hagestolze vorhero und ehe seine Hagestolzenschaft angegangen, erworben, wird nicht separirt, sondern mitconfiscirt. Bei den alten Griechen haben die Hagestolzen bei den Ehrenschauspielen sich nicht einfinden dürfen, sie haben bei kalter Winterzeit öffentlich auf dem Markt in einem Kreis herumgehen und ein schimpfliches Hagestolzenlied selbst singen müssen. Bei den Atheniensern wurden die Hagestolzen von Weibspersonen um die Altare getrecket (gezogen) und mit Peitschen und Ruthen öffentlich gehauen. Bei den Corinthern sind die Hagestolzen, wenn sie gestorben, eines ehrlichen Begräbnisses nicht würdig geschätzt worden.“