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Siehe auch: Das Habermuß (Werkausgabe 1834)
Textdaten
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Autor: Johann Peter Hebel
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Titel: Das Haber-Muß
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aus: Allemannische Gedichte, S. 137–145
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Erscheinungsdatum: 1803
Verlag: Macklots Hofbuchhandlung
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons
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Das Haber-Muß.

     ’s Haber-Mueß wär ferig, jez chömmet ihr Chinder und esset!
Betet: Aller Augen – und gent mer ordeli Achtig,
aßich nit am rueßige Tüpfi ’s Ermeli schwarz wird.
     Esset denn, und segnichs Gott, und wachset und trüeihet!

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G’seiht het der Aetti der Haber, und abe g’eget im Früeih-Johr,

und der himmlisch Vater het gseit: „Jez chasch wieder heim goh,
aß es wachst und zitig wird, für sel willi sorge!“
Denket numme Chinder, es schloft in jedwedem Chörnli

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chlei und zart e Chiimli, ’s thut nummen au kei Schnüüfli,

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nei, es schloft, und seit kei Wort, und ißt nit, und trinkt nit,

biß es in de Fuhre lit, im luckere Bode.
Aber in de Fuhren und in der füechtige Wärmi
wacht es heimli uf us sim verschwiegene Schlöfli,
streckt die zarte Gliedli, und suget am saftige Chörnli,

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wie ne Mutter-Chind, ’s isch alles, aß es nit briegget.

Siederie wirds größer, und heimli schöner und stärcher,
und schlieft us de Windle, bohrt mittem Würzeli abe,
tiefer aben in Grund, und sucht si Nahrig und findt sie.
Jo und ’s stichts der Wundervitz, es möcht doch gern wisse,

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wie’s au witer oben isch. Gar heimlig und furchtsem
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güggelet’s zum Boden us – Potz tausig, wie gfallts em!
Uese lieber Herget, er schikt en Engeli abe:
„Bringem e Tröpfli Thau, und sag em fründli Gottwilche!“
Und es trinkt, und ’s schmektem wohl, und ’s strekt si gar sölli.

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Sieder strehlt si d’ Sunnen, und wenn sie gwäschen und gstrehlt isch,

chunnt sie mit der Strikete füre hinter de Berge,
wandlet ihre Weg hoch an der himmlische Land-Stroß,
strikt und lueget aben, aß wie ne fründligi Muetter
no de Chindlene luegt; sie lächlet gegenem Chiimli,

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und es thut em wohl, bis tief ins Würzeli abe.

„So ne tolli Frau, und doch so güetig und fründli!“
Aber was sie strickt? He, Gwülch us himmlische Düfte!

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’s tröpflet scho, ne Sprützerli chunnt, druf regnets gar sölli;
’s Chiimli trinkt bis gnug; druf weiht e Lüftli und trochnet’s,

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und es seit: „Jez gangi nümmen untere Bode,

um ke Pris! Do blibi, geb, was no us mer will werde!“
     Esset Chindli, gsegn’ es Gott, und wachset und trüeihet!
’s wartet herbi Zit ufs Chiimli; Wulken an Wulke
stöhn am Himmel Tag und Nacht, und d’ Sunne verbirgt si;

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uf de Berge schneit’s, und witer nide hurniglet’s;

Schocheli schoch, wie schnatteret jez, und briegget mi Chiimli!
und der Boden isch zu, und ’s het gar chündigi Nahrig.
„Isch denn d’ Sunne gstorbe, seit es, aß sie nit cho will,

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oder förcht sie au, es frier’ sie? Wäri doch bliebe,

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woni gsi bi, still und chlei im mehlige Chörnli,

und deheim im Boden und in der füechtige Wärmi.“
Lueget Chinder, so gohts! Der werdet au no sage,
wenn der use chömmet, und unter fremde Lüte
schaffe müent und reble, und Brod und Plunder verdiene:

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„Wäri doch deheim by’m Müetterli, hinterem Ofe!“

Tröstich Gott! ’s nimmt au en End, und chunnt wieder besser,
wie’s im Chimli gangen isch. Am heitere May-Tag
weihts so lau, und d’ Sunne stigt so chräftig vom Berg uf,
und sie luegt, was ’s Chiimli macht, und git em e Schmützli,

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Jez isch em wieder wohl, und ’s weiß nit z’blibe vor Freude.

     Nootno prange d’ Matte mit Gras und farbige Blume;
nootno duftet ’s Chriesi-Blust, und grün wird der Pflum-Baum;
nootno wird der Rogge buschig, Weizen und Gerste,
und mi Häberli seit: „Do blibi au nit dehinte!“

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Nei er spreitet d’ Blättli us – wer het sie echt gwobe?

und jez schießt der Halm – wer tribt in Röhren an Röhre
’s Wasser us de Wurzle bis in die saftige Spitze?
Endli schlieft en Aehri us und schwankt in de Lüfte –
Sagmer au e Mensch, wer het an sideni Fäde

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do ne Chnöspli ghenkt, und dört mit chünstlige Hände?
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d’ Engeli, wer sust? Sie wandle zwische de Fuhren
uf und ab, vo Halm zu Halm, und schaffe gar sölli.
Jez hangt Bluest an Bluest am zarte schwankigen Aehri,
und mi Haber stoht, as wie ne Brüütli im Chilch-Stuhl.

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Jez sin zarti Chörnli drinn, und wachsen im Stille,

und mi Haber merkt afange, was es will werde.
D’ Chäferli und d’ Fliege sie chömme z’Stubete zu’nem,
luege, was er macht, und singen: Eye Popeye!
Jo, und ’s Schi’-Würmli chunnt, Potz tausig mittem Laternli,

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z’nacht um nüni z’Liecht, wenn d’ Fliegen und d’ Chäferli schlofe.

     Esset Chinder, seg’n es Gott, und wachset und trüeihet!

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Sieder het me gheuet, und Chriesi gunne no Pfingste;
sieder het me Pflümli gunne hinterem Garte;
sieder hen sie Rocke gschnitte, Weizen und Gerste,

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und die arme Chinder hen barfis zwische de Stupfle

gfalleni Aehri glesen, und ’s Müüsli hetene ghulfe.
Druf het au der Haber bleicht. Voll mehligi Chörner
het er gschwankt und gseit: „Jez ischs mer afange verleidet,
und i merk, mi Zit isch us, was thueni ellei do

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zwische de Stupfel-Rüben, und zwische de Grumbire-Stude?“

Druf ischs Vreni usen und ’s Efersinli und ’s Plunni,
’s het sie scho an d’ Finger gfrore z’ morgen und z’ obe;
endli isch er cho, und in der staubige Schüre

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hei sie’n dröscht vo früeih um zwey bis z’ oben um Vieri.

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Druf isch’s Müllers Esel cho, und hetten in d’ Mühli

gholt, und wieder brocht, in chleini Chörnli vermahle,
und mit feister Milch vom junge fleckige Chüeihli
hetten ’s Müetterli g’chocht im Tüpfi – Geltet, ’s isch gut gsi?
Wüschet d’ Löffel ab, und bett eis: Danket dem Heren

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und jez göhnt in d’ Schul, dört hangt der Oser am Simse!

Fall mer keis, gent achtig, und lehret, was menich ufgit!
Wenn der wieder chömmet, se chömmetder Zibbertli über.