Das Glück und die Liebe (Gellert)
Einst wollten Lieb und Glück sich sichtbar überführen,
Wer stärker sey, des Menschen Herz zu rühren;
Und Semnon, wie die Sag erzählt,
Ein Mann, der oft das Glück um seine Gunst gequält,
Ward, um an ihm es zu erfahren,
Vom Glück und von der Lieb erwählt.
Das Glück bot alles auf, was je der Mensch geschätzt.
Was seine Sinne rührt, was je sein Herz ergetzt,
Ward von der Hand des Glücks dem Semnon itzt ertheilet.
Er sah sich reich, und Marmor schloß ihn ein.
Sein Zimmer schien der Freuden Thron zu seyn;
Und täglich wuchs die Pracht der schon geschmückten Wände
Und täglich wuchs im Speisesaal
Der Schüsseln und der Diener Zahl,
Mit ihnen der Bewundrer Menge,
Und der Clienten Lobgesänge;
An das er nicht gedacht; kaum war ihm dieß verliehn:
Schon in den reichsten Lotterien
Für seinen Freund die Hauptgewinnste.
Bald was sein Kux, bald was sein Schiff gebracht;
Und so viel Gunst aus seines Glückes Händen
Blieb alle Pracht zu wenig zu verschwenden.
Er schlief, berauscht von Freuden, ein,
Sein Wink war der Verehrer Wille,
Und jeder Tag ein Fest des Glückes und der Fülle.
Wer zweifelt, sprach das Glück, daß mir der Ruhm gebührt?
Ist Semnon nicht unendlich sehr gerührt?
Rühr ich sein Herz durch stärkre Triebe;
Er soll Serinen sehn. Ihr unschuldvoller Blick
Besiegt vielleicht dich, mächtigs Glück!
Er sah nunmehr die göttliche Serine.
Doch mehr, als ihr beredt Gesicht,
Das Herz, das aus Serinen spricht.
Schon scheint der Glanz von seinen Schätzen,
Schon sein Pallast, schon Freund und Wein,
„Wie glücklich, wär ihr Herz erst mein,
„Wie glücklich würd ich dann nicht seyn!
„Und sprich: wodurch besieg ich einst Serinen?“
Gieb Schmeichlern weiter kein Gehör.
Schon ist er kein Verschwender mehr,
Schon giebt er Schmeichlern kein Gehör.
Such deine Lust in stillern Freuden;
Und liebe nicht dein Glück zu sehr.
Schon suchte Semnon stillre Freuden;
Schon ward er liebreich und bescheiden;
Serine floh ihn schon nicht mehr,
Und ward die Seele seiner Freuden.
Die Liebe, sprach das Glück, scheint Semnon vorzuziehn?
Allein mehr als zu bald soll er Serinen fliehn.
So viel ich ihm geschenkt, so viel sey ihm entrissen!
Das Glück verließ ihn drauf, und Semnons Gut verschwand.
Kein Bergwerk half ihm mehr, kein Schiff kam mehr ans Land;
Sein Reichthum ward der List und der Gewalt zur Beute,
Und nichts blieb ihm von dem, was sonst sein Herz erfreute,
Sein Beystand und auf stets sein Glück.
Durch Fleiß entrissen sie sich der Gefahr zu darben;
Und froh genossen sie, was sie durch Fleiß erwarben.
Umsonst versprach das Glück, ihn doppelt zu erfreun,
Nein, rief er, wenn ich auch ein Crösus werden sollte,
Gieng ich doch nie dein Anerbieten ein.
Die Liebe läßt mich weiser seyn,
Als daß ich dich mir wieder wünschen wollte.
Viel besser, ohne Glück, als ohne Liebe seyn.
„Ja, Semnon, ja, mein Herz ist dein;
„Viel besser, ohne Glück, als ohne Liebe, seyn.“