Das Feierabendhaus für Lehrerinnen in Wolfenbüttel
[219] Feierabendhaus für Lehrerinnen in Wolfenbüttel. Die unserem Zeitalter zur hohen Ehre gereichende Fürsorge für das Alter der redlich Arbeitenden richtet neuerdings auch ihren Blick auf die Zukunft der Lehrerinnen und Erzieherinnen, die ihre ganze Lebenskraft dem Wohle des heranwachsenden Geschlechtes widmen. So lange diese jung und arbeitsfähig sind, erfreuen sie sich oft einer verhältnismäßig günstigen Lebenslage, aber es wird nur den wenigsten möglich sein, durch Sparen wirksam für ihr Alter zu sorgen. Die meisten sehen einer trüben, einsamen oder abhängigen Zukunft entgegen.
Aus diesen Erwägungen heraus hat man an verschiedenen Orten Lehrerinnen-Feierabendhäuser geplant und da und dort auch bereits ins Leben gerufen. Wir können hier kurz auf den Artikel „Vor der Berufswahl: die Lehrerin in Deutschland.“, der im Jahrgang 1895 der „Gartenlaube“, (Seite 58) erschien, verweisen. Eine vorbildliche Gründung dieser Art ist neuerdings in Wolfenbüttel entstanden, wo die Vorsteherin der Schloß-Anstalten zur Erziehung der weiblichen Jugend, Fräulein Anna Vorwerk, in rastloser Thätigkeit für ihre Lehrerinnen, die ihr in dem Erziehungswerk treu zur Seite stehen, ein Heim gegründet hat, in welchem diese in den Tagen des Alters ein freundliches, sorgenfreies Asyl haben.
Mit vereinten Kräften haben Vorsteherin und Lehrerinnen seit Jahren gearbeitet, um diesen Gedanken zu verwirklichen Durch mancherlei Veranstaltungen, z. B. die eines großartigen Bazars, einer Sommermesse und eines Wandelkonzertes, haben sie allmählich ein ausreichendes Kapital zusammengebracht, den Grund erworben und das Gebäude aufgeführt. Am 29. August 1896 endlich kamen in dem freundlichen, altertümlichen Wolfenbüttel alle Teilnehmenden zur Feier der Bauvollendung, der Einfügung des Schlußsteines zusammen, und vor den Blicken einer zahlreiche Versammlung stand das Feierabendhaus für Lehrerinnen fix und fertig da.
In schöner, gesunder Lage erhebt sich in einer Villenstraße ein hübscher Bau im Schweizerstil, mit großen Fenstern, einer verdeckten und einer offenen Veranda, umgeben von hübsch angelegtem Garten, der von dem kleinen Fluß, der Oker, begrenzt wird. Alle Fenster haben freie Aussicht auf Wiesen und Wald oder auf die Türme des freundlichen Städtchens.
Achtzehn hübsch ausgestattete Zimmer mit hellen, lustigen Schlaf-Kabinetten, die durch eine Schiebthür mit jenen verbunden sind, stehen für die künftigen Insassinnen bereit. Ein gediegen eingerichteter Eßsaal und ein behagliches Wohnzimmer sollen alle Bewohnerinnen zu gemeinsamen Mahlzeiten und nach Wunsch zu geselligem Verkehr vereinen. Die Korridore des Hauses sind breit und schön, hell und freundlich, so daß sie bei schlechtem Wetter zu einer Art Wandelbahn dienen können.
Ein praktisch eingerichtetes Badezimmer, die Einrichtung der Wirtschaftsräume im Kellergeschoß und die Ausnutzung des Bodens zu Gelassen für jede Bewohnerin erhöhen die Annehmlichkeit des Aufenthaltes.
Ein Lieblingsgedanke der Gründerin des Stiftes ist es, solche Lehrerinnen und Erzieherinnen, die während der Ferien eine gründliche Erholung und Ausspannung nötig haben, aber vielleicht nicht genügende Mittel zu einer Badereise oder einer Sommerfrische besitzen, einen vorübergehenden, ruhigen und behaglichen Aufenthalt unter sehr mäßigen Bedingungen zu bieten. Zu diesem Zwecke weist das Haus 5 gemütlich eingerichtete Fremdenzimmer auf.
Da wohl noch eine längere Zeit vergehe dürfte, ehe das Stift seiner Bestimmung gemäß, ganz von den Damen bewohnt sein wird, die von den Mühen ihres Berufslebens ausruhen wollen, so ist das untere Stockwerk vorläufig an die Wolfenbütteler Kochschule vermietet, welche einstweilen für das leibliche Wohl der Insassinnen sorgt.
Der jährliche Pensionspreis für Wohnung, Kost, Licht, Feuerung, Bedienung und Arzt ist auf 360 Mark festgesetzt. Beim Eintritt ins Haus wird die einmalige Zahlung von 300 Mark gefordert, einer Summe, die an das Haus fällt und nicht zurückgezahlt werden kann. Bevorzugt werden bei der Besetzung der Stelle immer solche Damen, die am längsten dem Feierabendverbande angehören und diese Zugehörigkeit sich durch einen jährlichen Beitrag von 3 Mark erworben haben. Die Summe ist so niedrig gestellt, damit auch denen, die mit Not und Sorge kämpfen und zu einer größeren jährliche Zahlung sich nicht verpflichten können, die Möglichkeit haben, durch Eintritt in den Verband sich die Anwartschaft auf ein späteres Unterkommen zu sichern.
Da natürlich eine so junge Gründung, die ausschließlich durch Liebesgaben zustande gekommen ist, nicht ganz ohne die Teilnahme und die Beihilfe von mit Glücksgütern gesegneten Freunden bestehen kann, so ist es sehr wünschenswert, daß die Zahl der außerordentlichen Mitglieder, die auch einen jährliche Beitrag von 3 Mark oder einen einmaligen von 50 Mark zahlen, noch möglichst wächst.
Möchten diese Zeilen dazu beitragen, dem Feierabendhause in Wolfenbüttel Freunde zu verschaffen, und möchte ein Haus, das nur aus warmer Menschlichkeit gegründet wurde, ein wahrer Hort des Friedens und des Behagens werden für diejenigen, die ihre volle Lebenskraft dem schweren Werk der Heranbildung der Jugend gewidmet haben! E. M.