Das Christkind im Hause

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Titel: Das Christkind im Hause
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aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 837
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[837] Das Christkind im Hause. Ein wunderbarer Zauber umwebt das Weihnachtsfest, einer jener unvergänglichen Reize, welche allen Umwandlungen der Kultur trotzen und den Wechsel der Anschauungen überdauern, da sie aus jahrtausendelangem Sinnen und Glauben des Volkes hervorgegangen sind. Weihnacht! Die Neige des Jahres, die bedeutungsvolle Zeit der Wintersonnenwende, hat einst die frohen Feste des Heidenthums gesehen und sieht jetzt die sinnige Feier des Christenthums; wir fühlen uns in dieser Zeit durch reine Liebe gehoben – und wir opfern noch, wenn auch unbewußt, den alten Göttern der nordischen Völker. Als Schimmelreiter und Knecht Ruprecht besucht uns der strahlende Sonnengott Wuotan, Frau Berchta zu Ehren werden da und dort noch Umzüge veranstaltet – und in den geheimnißvollen „Zwölf Nächten“ sind auch wir leicht ein wenig abergläubisch und wollen nach der Art unserer Vorfahren in der Zukunft lesen.

Die Alten wissen, welchen Zauber die alten weihnachtlichen Volksgebräuche auf ihr jugendliches Gemüth ausgeübt haben, und wer sich in der Erinnerung dessen freut, der will wohl diese herzliche Lust auch seinen Kindern voll bewahren. Leider bröckelt von den alten Weihnachtsbräuchen einer nach dem anderen ab. Früher hat den artigen Kindern das Christkind den strahlenden Weihnachtsbaum und all die schönen Gaben gebracht; in diesem Glauben suchte man die Kleinen solange wie möglich zu erhalten. Heute sind es Vater und Mutter, Onkel und Tante, welche die Kinder beschenken, und damit geht ein liebliches Stück Hauspoesie verloren. Es ist ja sehr schön, wenn jetzt die Kinder im Theater Weihnachtsmärchen ansehen, aber ihre Großeltern haben andere Weihnachtsvorstellungen erlebt, welche das Auge nicht so sehr blendeten, jedoch das Herz um so mehr erwärmten, da sie ganz für das einfache kindliche Gemüth berechnet waren: die Ankunft des Knechts Ruprecht und des Christkindes wurde schon lange vorher angekündigt, und wenn der ersehnte Zeitpunkt da war, dann spielten die Erwachsenen mit voller Würde ihre Rollen, und bezeichnend war es, daß zu solchen Familienvorstellungen sehr oft die Dienstleute mit herangezogen wurden. In weißen, bunt bebänderten Kleidern traten sie möglichst fein und zart auf, das Gesicht versteckten sie hinter Larven, und mit feiner Stimme sprachen oder sangen sie in recitierender Weise die Verse. Das geschieht mitunter jetzt noch auf dem Lande; in den Städten – und leider wohnt heute schon die Hälfte der Deutschen in Städten – sind diese Gestalten verschwunden. Hier und dort erscheint wohl auch in der Stadt ein trauriger Knecht Ruprecht, der den umgewendeten Schlafrock über den Kopf gezogen hat und in seiner schlechten Vermummung in einem dürftig beleuchteten Zimmer die Kinder aufsucht – er spricht ein paar unverständliche prosaische Worte und geht von dannen, nachdem er den Sack mit Nüssen und Aepfeln zurückgelassen hat. Das Christkind bekommen die Kinder vollends nimmer zu Gesicht. Und doch würde das Zurückgreifen auf die alte Sitte viel zur Erhöhung der Weihe des Tages beitragen. Unsere Vorfahren wußten mit geringem Aufwand solche Hausfeste zu veranstalten, und denjenigen, die sie wieder aufnehmen möchten, wird die Mittheilung eines kurzen Christkindliedes und -spieles nicht unwillkommen sein; denn wenn auch viele das, was sie in ihrer Jugend geschaut haben, nachahmen möchten, so haben sie doch meist die Reime vergessen, welche dem Ganzen erst zur rechten Wirkung verhelfen. Karl Weinhold hat in seinem Werke „Weihnacht-Spiele und -Lieder aus Süddeutschland und Schlesien“ auch das nachfolgende kurze Christkindlied aus Niederschlesien mitgetheilt.

 „Der Engel und das Christkind.“
Der Engel tritt ein, weißgekleidet, in der Hand ein Schwert, und singt:

Vom Himmel hoch da komm ich her,
Ich bring’ euch neue gute Mär,
Der guten Mär bring’ ich so viel,
Davon ich singen und sagen will.

Das Christkind tritt ein, bunt gekleidet, in der Hand eine Ruthe, und singt:

Ein’ schön’ guten Abend geb’ euch Gott,
Ich komm’ herein ohn’ allen Spott,
Hat es fromme Kinder innen,
Die fleißig beten und singen künnen,
Die fleißig in die Schule gehn
Und züchtig vor dem Tische stehn?
Wenn sie fleißig beten und singen,
So werd’ ich eine große Bürde bringen.

 Engel.

Ei, liebes Christkind, wenn ich dir soll die rechte Wahrheit sagen,
So muß ich über die kleinen Kinder klagen,
Wenn sie in und aus der Schule gehn,
Bleiben sie auf den Gassen stehn.
Die Bücher thun sie zerreißen,
Die Blätter in die Winkel schmeißen.

 Christkind.

Ei, lieber Engel, hätt’ ich das eher vernommen,
In das Haus wär’ ich nicht gekommen,
Da hätt’ ich mir meine Gaben erspart
Und wär’ wieder gen Himmel gefahr’n.

 Engel.

Ei, liebes Christkind, bist nicht so hart
Gegen die kleinen Kinder zart;
Sie wollen fromm sein und beten,
Daß du kannst mit dein’ Gaben vor sie treten.

 Christkind.

Ach, lieber Engel, weil du der Kinder thust gedenken,
So will ich ihnen etwas geben und schenken,
Damit sie an das heilige Christkind gedenken.

Das Christkind theilt seine Gaben aus, unterdessen singt der Engel:

Ach, liebes Christkind, wenn ich wär’ wie du,
So hieb’ ich mit der Ruthe zu.

Der Engel und das Christkind bleiben voreinander stehen und singen:

Wir stehen auf einem Lilienblatt
Und wünschen euch allen ein’ gute Nacht,
Ein’ schön’ gute Nacht, ein’ fröhliche Zeit,
Die uns der Herr Christus vom Himmel bereit.

Im Hinausgehen:

Gute Nacht, gute Nacht, gute Nacht,
Wir haben uns noch weiter bedacht;
Wir haben draußen stehn ein’ schönen Wagen,
Der ist mit lauter Gold und Silber beschlagen.

Dieses Christkindlied war seiner Zeit mit einigen Veränderungen in Deutschland weit verbreitet. In einer der veränderten Fassungen beschert das Christkind nicht, sondern empfiehlt sich mit dem Versprechen:

„Gute Nacht, gute Nacht, ihr lieben Kindelein,
Die Christnacht will ich wieder bei euch sein.“

Das mitgetheilte Christkindlied soll übrigens denjenigen Eltern, welche für derartige Hausfeste Sinn haben, nur als Anregung dienen, zweckmäßige Aenderungen lassen sich leicht anbringen. Wer sich überdies die Mühe geben will, Großvater und Großmutter um Rath zu fragen, der wird in vielen Fällen noch andere Weihnachtspiele erfahren und zur Freude seiner Kinder verwerthen können. *