Das Chokoladenmädchen
[612] Das Chokoladenmädchen. (Zu unserer Kunstbeilage.) Eine der hervoragendsten Zierden der Dresdener Gemäldesammlung ist es, die unsere heutige Kunstbeilage wiedergibt. Die Feinheit, die graziöse Anordnung und Ausführung aller Einzelheiten zeichnen dieses Bild ebenso aus wie der schlichte Stoff, an dem sich eine so vollendete Kunst bewährt hat. Schlichte Naturtreue neben großem technischen Können machen überhaupt den Vorzug der Gemälde aus, die wir von Jean Etienne Liotard besitzen. Vor allem sind es die Porträts, die dem 1702 zu Genf geborenen Meister sehr bald einen Ruf verschafften und ihn sogar für mehrere Jahre nach Konstantinopel führten. In Wien, in Paris, in London übte er dann nacheinander seine Kunst aus, in türkischer Tracht, die er sich zu Konstantinopel angewöhnt hatte, um sich vor den Beleidigungen der mohammedanischen Einwohner sicherzustellen. Allgemein führte er daher den Namen des „türkischen Malers“. Sogar als er sich ums Jahr 1756 verheirathete, konnte er sich nicht entschließen, seiner orientalischen Kleidung zu entsagen; nur sein gewaltiger Bart fiel als erstes Opfer seiner Ehe. Liotard starb, 88 Jahre alt, im Jahre 1790.
Das von uns wiedergegebene Bild, das „Chokoladenmädchen“ genannt, weil die darauf dargestellte Schöne eine Tasse Chokolade zu kredenzen im Begriff ist, zählt zu den bekanntesten Werken Liotards. Unsere Leser werden es mit um so größerem Interesse kennenlernen, als Vacano im Eingang seiner Erzählung, die in dieser Nummer beginnt, das Geständniß macht, er habe die Züge des „schönen Limonadenmädchens“ eben diesem Gemälde entlehnt.
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