Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Das Berliner Aquarium
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aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 320
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Vorstellung des geplanten Projektes
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[320] Das Berliner Aquarium, ein auf die besten wissenschaftlichen und financiellen Grundlagen gestelltes Unternehmen einer Commanditgesellschaft mit zweihunderttausend Thalern Capital in Actien zu zweihundert Thalern, wächst mitten aus unruhigen Zeiten sicher und kräftig zu dem größten und glänzendsten lebendigen Museum der bis jetzt meistentheils noch unbekannten thierischen und pflanzlichen Gebilde der Wüsten und Wildnisse, der süßen und salzigen Wasser, der Sümpfe und Urwälder, der Tiefe und der Nacht empor zum hellen, lichten Tage und wird auch nach Sonnenuntergang, mitten im schönsten Stadttheile, der Million Menschen, die sich in der norddeutschen Hauptstadt aus der nächsten Umgegend und durch die sechs großen Eisenbahnen auch aus der Ferne fortwährend zusammendrängen, alle Tage bis tief in die Nacht hinein geöffnet sein. Es wird also nicht nur viel größer, als die Aquarien in London, Paris, Hamburg etc. zusammengenommen, sondern auch in naturwissenschaftlicher Beziehung viel umfangreicher, da es sich durchaus nicht auf die Wunder der Tiefe im Wasser beschränken, sondern auch die noch ziemlich geheimnißvollen amphibischen Creaturen und besonders die noch wenig beobachteten Raubritter der Nacht in seinen Kreis aufnehmen und in der schönsten künstlichen Beleuchtung allgemeiner Kenntniß und Offenbarung zugänglich machen wird. Wir sehen also nicht blos in malerischen Neptunsgrotten trockenen Fußes vom Meeresgrunde aus alle Arten von Fischen, Thierpflanzen und Pflanzenthiere, Ritter des Meeres in Harnischen und in Thürmen mit ihrem herrlichen Farben- und Formenspiel, Kopffüßler wie Tintenfische und fabelhafte Kraken, Süßwasser- und Meerschnecken, Muschel- und Weichthiere, strahlenförmige Geschöpfe, Helothurien, Seeigel und Meeressterne, die wunderbaren Baumeister der Korallenriffe und oberhalb des Wassers schön befittigte Insecten, die als Larven im Wasser lebten, Kerb- und Krustenthiere aller Art, sondern auch in einer künstlichen, trockenen Heimath Nacht- und Ohrenaffen, fliegende Hunde, fliegende Eichhörnchen, Flugbeutelthiere, Wiesel und Nörze, Springmäuse und andere nur des Nachts thätige und muntere Säugethiere, deren Lebensweise und Charakter selbst viele Naturforscher noch nicht aus eigener Anschauung kennen. Ebenso Reptilien und Amphibien, besonders aber in einer eigenen großen Abtheilung die Giftpflanzen, welche nur des Nachts aufleben und ihrem Geschäfte, ihrer Nahrung nachgehen. Ueber allerhand kriechendem, laufendem und springendem Gethier erwachen mit eintretender Nacht und künstlicher, mondscheinartiger Beleuchtung kleine, zierliche Eulen, welche vor unseren Augen die flinksten Springmäuse fangen und verzehren.

Prachtvoll geformte und gefärbte Eisvögel lauern von Meeresklippen aus auf harmlose Fische, stürzen sich in’s Wasser und kommen mit einem glänzenden, beschuppten Thiere wieder heraus. Strand- und Wasserläufer, kleine Steißfüßler, verschiedene Sumpf- und Wasservögel beleben die Ufer und künstliche Inseln, im Vordergrunde von malerischen Tropfsteingrotten, welche, von unsichtbaren Lampen beleuchtet, sich in geheimnißvolle Tiefen verlieren und mächtig die Phantasie erregen, wenn das leibliche Auge nicht weiter vordringen kann. Dieser beispiellos reiche Inhalt sieht vielleicht jetzt noch ziemlich fabelhaft aus, aber unsere zoologische Autorität Dr. Alfred Brehm, der Wortmaler des „Illustrirten Thierlebens“, der wissenschaftliche und poetische Sänger des „Lebens der Vögel“, hat in seiner tüchtigen Hand und seiner reichen Erfahrung bereits den Zauberstab, womit er alle diese Herrlichkeiten herbeirufen und in wissenschaftlicher und malerischer Ordnung ansiedeln kann. Unsere Leser und Leserinnen kennen ihn ja ohnehin schon aus der Gartenlaube ziemlich genau. Seine allgemein anerkannte Capacität wird durch solides und reichliches Capital kräftig unterstützt, so daß wir nicht die geringste Ursache haben, an dem Gelingen und glänzenden Gedeihen des großartig angelegten Unternehmens zu zweifeln. Es trat gerade zum ersten Male vor das Publicum, als die Luxemburgerei ganz Europa mit ernstlichen Kriegsbefürchtungen erschreckte und alle Capitalisten mit ihren Schätzen sich scheu zurückzuziehen suchten; aber dessenungeachtet wurden gleich während dieser ersten Wochen bei den Bankiers der Aquariumsgesellschaft, Rauff und Knorr, Oranienburgerstraße 62, und Eichhorn, Wilhelmstraße 57, zu Berlin über achtzigtausend Thaler gezeichnet und zwar mit sofortiger Deponirung von zehn Procent. Und als die elektrischen Telegraphen Friedensversicherungen von Börse zu Börse zuckten, mehrten sich die Zeichnungssummen, mit jedem Tage zunehmend, so daß gewiß schon in nächster Zeit die Unternehmer vor dem Handelsgericht erscheinen und die ganze Summe nachweisen können, um dann sofort frisch und kräftig an Ausführung des großen, schönen naturwissenschaftlichen Culturtempels zu gehen. Ein ausgezeichneter Baumeister und ein phantasiereicher Maler haben schon tüchtige Vorarbeiten geliefert, und die wissenschaftliche Seele desselben, Dr. Brehm, steht mit den besten Bezugsquellen für die Bewohner des Tempels nach allen Richtungen der Windrose hin in Verbindung. Außerdem hat er einen besonderen Behälter erfunden, um die verschiedenen Thiere auf der Reise vor Gefahren zu schützen. Somit läßt sich sicher hoffen, daß das Berliner Aquarium das größte und bedeutendste der Welt und durch seine innere und äußere Einrichtung ein Anziehungspunkt für alle gebildeten Menschen werden wird.