Das ätherische Geschütz

Textdaten
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Autor: G. v. Muyden
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Titel: Das „ätherische“ Geschütz
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 88
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[88] Das „ätherische“ Geschütz. Vor etwa zwei Jahren spukte in amerikanischen Blättern die Kunde, ein gewisser Keely in New-York habe eine funkelnagelneue Naturkraft entdeckt und einen Motor zur Ausnutzung derselben gebaut, der sich zu den bisher bekannten Kraftmaschinen verhalte, wie etwa die Dampfmaschine zur Pferdekraft. Der Schwindel war so gut in Scene gesetzt, daß Keely die Gründung einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung seiner Erfindung zu Wege brachte und auf diese Weise seinen allzu vertrauensseligen Landsleuten einige hunderttausend Dollars aus der Tasche lockte.

Hierauf ward es ganz still, so still, daß die 100-Dollaraktien auf 9 Cents fielen. Da machte Keely vor einigen Wochen die unliebsame Entdeckuug, daß der nervus rerum ihm auszugehen beginne, und er beschloß, einen neuen Coup in Scene zu setzen. Urbi et orbi verkündete er durch die Blätter seiner Heimath, denen die meisten europäischen bald pflichtschuldig folgten, es sei der sogenannte „ätherische“ Motor endlich zu Stande gebracht und es stehe dem dadurch herbeigeführten industriellen Aufschwung nichts mehr im Wege. In Folge der nicht ungeschickten Reklame stiegen nun die wohl von Keely zum Spottpreise aufgekauften Aktien auf Dollar 1,15, doch die Käufer hatten wiederum das Nachsehen.

Bei den von Keely aus Anlaß der Philadelphiaer Ausstellung veranstalteten Versuchen stellte es sich nämlich für jeden Kundigen sofort heraus, der Keely-Motor sei weiter nichts wie eine Luftkompressionsmaschine und die „ätherische Substanz“, welche den Kolben trieb, habe mit der gemeinen atmosphärischen Luft eine so verzweifelte Aehnlichkeit, daß Niemand sie von dieser zu unterscheiden vermöge. Das gleiche Schicksal theilte desselben Erfinders „ätherisches“ Geschütz, dessen Kampfeigenthümlichkeit darin liegt, daß es zur Abwechselung nach hinten schießt. Sonst ist das Geschütz eigentlich weiter nichts als eine Windbüchse. Zwei Cylinder sind mit verdichteter Luft angefüllt. Will man nun einen Schuß abfeuern, so öffnet man einen Hahn, und die Luft gelangt in die Geschützkammer. Nun gilt es, den bereits verdichteten „inter-atomischen Aether“, zu deutsch Luft, durch einen Schlag plötzlich noch mehr zu komprimiren, damit er das Geschoß aus dem Rohr zu treiben vermag. Dies besorgt der „ätherische“ Artillerist, indem er besagten Aether in der Kammer durch einen wohlgezielten Schlag mit einem Holzhammer auf den „Resonator“ „vitalidirt“, das heißt zum Leben bringt. Die kleine Kugel fliegt alsdann in der That mit großer Geschwindigkeit aus dem Rohr; das Kunststück haben indessen Viele vor Keely zu Wege gebracht und sich darum keineswegs als Weltverbesserer ausgegeben. Doch „nur die Lumpen sind bescheiden“, und Herr Keely ist keiner. G. v. Muyden.