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Critik der reinen Vernunft (1781)
Inhalt
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Vorrede.

Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkentnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kan; denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kan, denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.

 In diese Verlegenheit geräth sie ohne ihre Schuld. Sie fängt von Grundsätzen an, deren Gebrauch im Laufe der Erfahrung unvermeidlich und zugleich durch diese hinreichend bewährt ist. Mit diesen steigt sie (wie es auch ihre Natur mit sich bringt) immer höher, zu entferneteren Bedingungen. Da| sie aber gewahr wird, daß auf diese Art ihr Geschäfte iederzeit unvollendet bleiben müsse, weil die Fragen niemals aufhören, so sieht sie sich genöthigt, zu Grundsätzen ihre Zuflucht zu nehmen, die allen möglichen Erfahrungsgebrauch überschreiten und gleichwol so unverdächtig scheinen, daß auch die gemeine Menschenvernunft damit im Einverständnisse stehet. Dadurch aber stürzt sie sich in Dunkelheit und Widersprüche, aus welchen sie zwar abnehmen kan, daß irgendwo verborgene Irrthümer zum Grunde liegen müssen, die sie aber nicht entdecken kan, weil die Grundsätze, deren sie sich bedient, da sie über die Gränze aller Erfahrung hinausgehen, keinen Probierstein der Erfahrung mehr anerkennen. Der Kampfplatz dieser endlosen Streitigkeiten heißt nun Metaphysik.
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 Es war eine Zeit, in welcher sie die Königin aller Wissenschaften genant wurde und, wenn man den Willen vor die That nimt, so verdiente sie, wegen der vorzüglichen Wichtigkeit ihres Gegenstandes, allerdings diesen Ehrennahmen. Jezt bringt es der Modeton des Zeitalters so mit sich, ihr alle Verachtung zu beweisen und die Matrone klagt, verstossen und verlassen, wie Hecuba: modo maxima rerum,| tot generis natisque potens – nunc trahor exul, inops – Ovid. Metam.
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 Anfänglich war ihre Herrschaft, unter der Verwaltung der Dogmatiker, despotisch. Allein weil die Gesetzgebung noch die Spur der alten Barbarey an sich hatte, so artete sie durch innere Kriege nach und nach in völlige Anarchie aus und die Sceptiker, eine Art Nomaden, die allen beständigen Anbau des Bodens verabscheuen, zertrenneten von Zeit zu Zeit die bürgerliche Vereinigung. Da ihrer aber zum Glück nur wenige waren, so konten sie nicht hindern, daß iene sie nicht immer aufs neue, obgleich nach keinem unter sich einstimmigen Plane, wieder anzubauen versuchten. In neueren Zeiten schien es zwar einmal, als solte allen diesen Streitigkeiten durch eine gewisse Physiologie des menschlichen Verstandes (von dem berühmten Locke) ein Ende gemacht und die Rechtmässigkeit iener Ansprüche völlig entschieden werden; es fand sich aber, daß, obgleich die Geburt iener vorgegebenen Königin, aus dem Pöbel der gemeinen Erfahrung abgeleitet wurde und dadurch ihre Anmassung mit Recht hätte verdächtig werden müssen, dennoch, weil diese Genealogie ihr in der That fälschlich angedichtet war, sie ihre Ansprüche noch immer behauptete, | wodurch alles wiederum in den veralteten wurmstichigen Dogmatism und daraus in die Geringschätzung verfiel, daraus man die Wissenschaft hatte ziehen wollen. Jezt, nachdem alle Wege (wie man sich überredet) vergeblich versucht sind, herrscht Ueberdruß und gänzlicher Indifferentism, die Mutter des Chaos und der Nacht, in Wissenschaften, aber doch zugleich der Ursprung, wenigstens das Vorspiel einer nahen Umschaffung und Aufklärung derselben, wenn sie durch übel angebrachten Fleiß dunkel, verwirrt und unbrauchbar geworden.
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 Es ist nemlich umsonst, Gleichgültigkeit in Ansehung solcher Nachforschungen erkünsteln zu wollen, deren Gegenstand der menschlichen Natur nicht gleichgültig seyn kan. Auch fallen iene vorgebliche Indifferentisten, so sehr sie sich auch durch die Veränderung der Schulsprache in einem populären Ton unkentlich zu machen gedenken, wofern sie nur überall etwas denken, in metaphysische Behauptungen unvermeidlich zurück, gegen die sie doch so viel Verachtung vorgaben. Indessen ist diese Gleichgültigkeit, die sich mitten in dem Flor aller Wissenschaften eräugnet und gerade dieienige trift, auf deren Kentnisse, wenn dergleichen zu haben wären, man unter allen am wenigsten | Verzicht thun würde, doch ein Phänomen, das Aufmerksamkeit und Nachsinnen verdient. Sie ist offenbar die Wirkung nicht des Leichtsinns, sondern der gereiften Urtheilskraft[1] des Zeitalters, welches sich nicht länger durch Scheinwissen hinhalten läßt und eine Auffoderung an die Vernunft, das beschwerlichste aller ihrer Geschäfte, nemlich das der Selbsterkentniß aufs neue zu übernehmen und einen Gerichtshof einzusetzen, der sie bey ihren gerechten Ansprüchen sichere, dagegen aber alle grundlose Anmassungen, | nicht durch Machtsprüche, sondern nach ihren ewigen und unwandelbaren Gesetzen, abfertigen könne und dieser ist kein anderer als die Critik der reinen Vernunft selbst.

 Ich verstehe aber hierunter nicht eine Critik der Bücher und Systeme, sondern die des Vernunftvermögens überhaupt, in Ansehung aller Erkentnisse, zu denen sie, unabhängig von aller Erfahrung, streben mag, mithin die Entscheidung der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Metaphysik überhaupt und die Bestimmung so wol der Quellen, als des Umfanges und der Gränzen derselben, alles aber aus Principien.

 Diesen Weg, den einzigen, der übrig gelassen war, bin ich nun eingeschlagen und schmeichle mir, auf demselben die Abstellung aller Irrungen angetroffen zu haben, die bisher die Vernunft im erfahrungsfreien Gebrauche mit sich selbst entzweiet hatten. Ich bin ihren Fragen nicht dadurch etwa ausgewichen, daß ich mich mit dem Unvermögen der menschlichen Vernunft entschuldigte; sondern ich habe sie nach Principien vollständig specificirt und, nachdem ich den Punct des Mißverstandes der Vernunft mit ihr selbst entdeckt hatte, sie zu ihrer völligen Befriedigung aufgelöst. | Zwar ist die Beantwortung iener Fragen gar nicht so ausgefallen, als dogmatischschwärmende Wißbegierde erwarten mogte; denn die könte nicht anders als durch Zauberkünste, darauf ich mich nicht verstehe, befriedigt werden. Allein, das war auch wol nicht die Absicht der Naturbestimmung unserer Vernunft und die Pflicht der Philosophie war: das Blendwerk, das aus Mißdeutung entsprang, aufzuheben, solte auch noch so viel gepriesener und beliebter Wahn dabey zu nichte gehen. In dieser Beschäftigung habe ich Ausführlichkeit mein grosses Augenmerk seyn lassen und ich erkühne mich zu sagen, daß nicht eine einzige metaphysische Aufgabe seyn müsse, die hier nicht aufgelöst, oder zu deren Auflösung nicht wenigstens der Schlüssel dargereicht worden. In der That ist auch reine Vernunft eine so vollkommene Einheit: daß, wenn das Princip derselben auch nur zu einer einzigen aller der Fragen, die ihr durch ihre eigene Natur aufgegeben sind, unzureichend wäre, man dieses immerhin nur wegwerfen könte, weil es alsdenn auch keiner der übrigen mit völliger Zuverlässigkeit gewachsen seyn würde.
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 Ich glaube, indem ich dieses sage, in dem Gesichte des Lesers einen mit Verachtung vermischten Unwillen | über, dem Anscheine nach, so ruhmredige und unbescheidene Ansprüche wahrzunehmen, und gleichwol sind sie ohne Vergleichung gemässigter, als die, eines ieden Verfassers des gemeinesten Programs, der darin etwa die einfache Natur der Seele, oder die Nothwendigkeit eines ersten Weltanfanges zu beweisen vorgiebt. Denn dieser macht sich anheischig, die menschliche Erkentniß über alle Gränzen möglicher Erfahrung hinaus zu erweitern, wovon ich demüthig gestehe: daß dieses mein Vermögen gänzlich übersteige, an dessen Statt ich es lediglich mit der Vernunft selbst und ihrem reinen Denken zu thun habe, nach deren ausführlicher Kentniß ich nicht weit um mich suchen darf, weil ich sie in mir selbst antreffe und wovon mir auch schon die gemeine Logik ein Beispiel giebt, daß sich alle ihre einfache Handlungen völlig und systematisch aufzählen lassen; nur daß hier die Frage aufgeworfen wird, wie viel ich mit derselben, wenn mir aller Stoff und Beistand der Erfahrung genommen wird, etwa auszurichten hoffen dürfe.

 So viel von der Vollständigkeit in Erreichung eines ieden, und der Ausführlichkeit in Erreichung aller Zwecke zusammen, die nicht ein beliebiger Vorsatz, sondern die Natur der Erkentniß selbst uns aufgiebt, als der Materie unserer critischen Untersuchung.

|  Noch sind Gewißheit und Deutlichkeit zwey Stücke, die die Form derselben betreffen, als wesentliche Foderungen anzusehen, die man an den Verfasser, der sich an eine so schlüpfriche Unternehmung wagt, mit Recht thun kan.
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 Was nun die Gewißheit betrift, so habe ich mir selbst das Urtheil gesprochen: daß es in dieser Art von Betrachtungen auf keine Weise erlaubt sey, zu meinen und daß alles, was darin einer Hypothese nur ähnlich sieht, verbotene Waare sey, die auch nicht vor den geringsten Preiß feil stehen darf, sondern, so bald sie entdeckt wird, beschlagen werden muß. Denn das kündigt eine iede Erkentniß, die a priori fest stehen soll, selbst an: daß sie vor schlechthinnothwendig gehalten werden will, und eine Bestimmung aller reinen Erkentnisse a priori noch vielmehr, die das Richtmaaß, mithin selbst das Beispiel aller apodictischen (philosophischen[)] Gewißheit seyn soll. Ob ich nun das, wozu ich mich anheischig mache, in diesem Stücke geleistet habe, das bleibt gänzlich dem Urtheile des Lesers anheim gestellt, weil es dem Verfasser nur geziemet, Gründe vorzulegen, nicht aber über die Wirkung derselben bey seinen Richtern zu urtheilen. Damit aber nicht etwas unschuldigerweise an der Schwächung derselben | Ursache sey, so mag es ihm wol erlaubt seyn, dieienige Stellen, die zu einigem Mißtrauen Anlaß geben könten, ob sie gleich nur den Nebenzweck angehen, selbst anzumerken, um den Einfluß, den auch nur die mindeste Bedenklichkeit des Lesers in diesem Puncte auf sein Urtheil, in Ansehung des Hauptzwecks, haben möchte, bey zeiten abzuhalten.
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 Ich kenne keine Untersuchungen, die zu Ergründung des Vermögens, welches wir Verstand nennen, und zugleich zu Bestimmung der Regeln und Gränzen seines Gebrauchs, wichtiger wären, als die, welche ich in dem zweiten Hauptstücke der transscendentalen Analytik, unter dem Titel der Deduction der reinen Verstandesbegriffe, angestellt habe; auch haben sie mir die meiste, aber, wie ich hoffe, nicht unvergoltene Mühe gekostet. Diese Betrachtung, die etwas tief angelegt ist, hat aber zwey Seiten. Die eine bezieht sich auf die Gegenstände des reinen Verstandes, und soll die obiective Gültigkeit seiner Begriffe a priori darthun und begreiflich machen; eben darum ist sie auch wesentlich zu meinen Zwecken gehörig. Die andere geht darauf aus, den reinen Verstand selbst, nach seiner Möglichkeit und den Erkentnißkräften, auf denen er selbst beruht, mithin ihn in subiectiver Beziehung | zu betrachten und, obgleich diese Erörterung in Ansehung meines Hauptzwecks von grosser Wichtigkeit ist, so gehöret sie doch nicht wesentlich zu demselben; weil die Hauptfrage immer bleibt, was und wie viel kan Verstand und Vernunft, frey von aller Erfahrung, erkennen und nicht, wie ist das Vermögen zu Denken selbst möglich? Da das leztere gleichsam eine Aufsuchung der Ursache zu einer gegebenen Wirkung ist, und in so fern etwas einer Hypothese Aehnliches an sich hat (ob es gleich, wie ich bey anderer Gelegenheit zeigen werde, sich in der That nicht so verhält), so scheint es, als sey hier der Fall, da ich mir die Erlaubniß nehme, zu meinen, und dem Leser also auch frey stehen müsse, anders zu meinen. In Betracht dessen muß ich dem Leser mit der Erinnerung zuvorkommen: daß, im Fall meine subiective Deduction nicht die ganze Ueberzeugung, die ich erwarte, bey ihm gewirkt hätte, doch die obiective, um die es mir hier vornemlich zu thun ist, ihre ganze Stärke bekomme, wozu allenfals dasienige, was Seite 92 bis 93 gesagt wird, allein hinreichend seyn kan.
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 Was endlich die Deutlichkeit betrift, so hat der Leser ein Recht, zuerst die discursive (logische) Deutlichkeit, durch Begriffe, dann aber auch eine intuitive | (ästhetische) Deutlichkeit, durch Anschauungen, d. i. Beispiele oder andere Erläuterungen, in concreto zu fodern. Vor die erste habe ich hinreichend gesorgt. Das betraf das Wesen meines Vorhabens, war aber auch die zufällige Ursache, daß ich der zweiten, obzwar nicht so strengen, aber doch billigen Foderung nicht habe Gnüge leisten können. Ich bin fast beständig im Fortgange meiner Arbeit unschliessig gewesen, wie ich es hiemit halten solte. Beispiele und Erläuterungen schienen mir immer nöthig und flossen daher auch wirklich im ersten Entwurfe an ihren Stellen gehörig ein. Ich sahe aber die Grösse meiner Aufgabe und die Menge der Gegenstände, womit ich es zu thun haben würde, gar bald ein und, da ich gewahr ward, daß diese ganz allein, im trockenen, blos scholastischen Vortrage, das Werk schon gnug ausdehnen würden, so fand ich es unrathsam, es durch Beispiele und Erläuterungen, die nur in populärer Absicht nothwendig sind, noch mehr anzuschwellen, zumal diese Arbeit keinesweges dem populären Gebrauche angemessen werden könte und die eigentliche Kenner der Wissenschaft diese Erleichterung nicht so nöthig haben, ob sie zwar iederzeit angenehm ist, hier aber sogar etwas zweckwidriges nach sich ziehen konte. Abt Terrasson sagt zwar: wenn man| die Grösse eines Buchs nicht nach der Zahl der Blätter, sondern nach der Zeit mißt, die man nöthig hat, es zu verstehen, so könne man von manchem Buche sagen: daß es viel kürzer seyn würde, wenn es nicht so kurz wäre. Anderer Seits aber, wenn man auf die Faßlichkeit eines weitläuftigen, dennoch aber in einem Princip zusammenhängenden Ganzen speculativer Erkentniß seine Absicht richtet, könte man mit eben so gutem Rechte sagen: manches Buch wäre viel deutlicher geworden, wenn es nicht so gar deutlich hätte werden sollen. Denn die Hülfsmittel der Deutlichkeit fehlen zwar in Theilen, zerstreuen aber öfters im Ganzen, indem sie den Leser nicht schnell gnug zu Ueberschauung des Ganzen gelangen lassen und durch alle ihre helle Farben gleichwol die Articulation, oder den Gliederbau des Systems verkleben und unkentlich machen, auf den es doch, um über die Einheit und Tüchtigkeit desselben urtheilen zu können, am meisten ankomt.
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 Es kan, wie mich dünkt, dem Leser zu nicht geringer Anlockung dienen, seine Bemühung mit der des Verfassers, zu vereinigen, wenn er die Aussicht hat, ein grosses und wichtiges Werk, nach dem vorgelegten Entwurfe, ganz und doch dauerhaft zu vollführen.| Nun ist Metaphysik, nach den Begriffen, die wir hier davon geben werden, die einzige aller Wissenschaften, die sich eine solche Vollendung und zwar in kurzer Zeit, und mit nur weniger, aber vereinigter Bemühung, versprechen darf, so daß nichts vor die Nachkommenschaft übrig bleibt, als in der didactischen Manier alles nach ihren Absichten einzurichten, ohne darum den Inhalt im mindesten vermehren zu können. Denn es ist nichts als das Inventarium aller unserer Besitze durch reine Vernunft, systematisch geordnet. Es kan uns hier nichts entgehen, weil, was Vernunft gänzlich aus sich selbst hervorbringt, sich nicht verstecken kan, sondern selbst durch Vernunft ans Licht gebracht wird, sobald man nur das gemeinschaftliche Princip desselben entdeckt hat. Die vollkommene Einheit dieser Art Erkentnisse, und zwar aus lauter reinen Begriffen, ohne daß irgend etwas von Erfahrung, oder auch nur besondere Anschauung, die zur bestimten Erfahrung leiten solte, auf sie einigen Einfluß haben kan, sie zu erweitern und zu vermehren, machen diese unbedingte Vollständigkeit nicht allein thunlich, sondern auch nothwendig. Tecum habita et noris, quam sit tibi curta supellex. Persius.
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|  Ein solches System der reinen (speculativen) Vernunft hoffe ich unter dem Titel: Metaphysik der Natur, selbst zu liefern, welches, bey noch nicht der Hälfte der Weitläuftigkeit, dennoch ungleich reicheren Inhalt haben soll, als hier die Critik, die zuvörderst die Quellen und Bedingungen ihrer Möglichkeit darlegen mußte, und einen ganz verwachsenen Boden zu reinigen und zu ebenen nöthig hatte. Hier erwarte ich an meinem Leser die Gedult und Unpartheylichkeit eines Richters, dort aber die Willfährigkeit und den Beistand eines Mithelfers; denn, so vollständig auch alle Principien zu dem System in der Critik vorgetragen sind, so gehört zur Ausführlichkeit des Systems selbst doch noch, daß es auch an keinen abgeleiteten Begriffen mangele, die man a priori nicht in Ueberschlag bringen kan, sondern die nach und nach aufgesucht werden müssen, imgleichen, da dort die ganze Synthesis der Begriffe erschöpft wurde, so wird überdem hier gefodert, daß eben dasselbe auch in Ansehung der Analysis geschehe, welches alles leicht und mehr Unterhaltung als Arbeit ist.
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 Ich habe nur noch Einiges in Ansehung des Drucks anzumerken. Da der Anfang desselben etwas verspätet war, so konte ich nur etwa die Hälfte der| Aushängebogen zu sehen bekommen, in denen ich zwar einige, den Sinn aber nicht verwirrende, Druckfehler antreffe, ausser demienigen, der S. 379. Zeile 4 von unten vorkomt, da specifisch an statt sceptisch gelesen werden muß. Die Antinomie der reinen Vernunft von Seite 425 bis 461, ist so, nach Art einer Tafel, angestellt, daß alles, was zur Thesis gehört, auf der linken, was aber zur Antithesis gehört, auf der rechten Seite immer fortläuft, welches ich darum so anordnete, damit Satz und Gegensatz desto leichter mit einander verglichen werden könte.



  1. Man hört hin und wieder Klagen über Seichtigkeit der Denkungsart unserer Zeit und den Verfall gründlicher Wissenschaft. Allein ich sehe nicht, daß die, deren Grund gut gelegt ist, als Mathematik, Naturlehre etc. diesen Vorwurf im mindesten verdienen, sondern vielmehr den alten Ruhm der Gründlichkeit behaupten, in der lezteren aber sogar übertreffen. Eben derselbe Geist würde sich nun auch in anderen Arten von Erkentniß wirksam beweisen, wäre nur allererst vor die Berichtigung ihrer Principien gesorgt worden. In Ermangelung derselben sind Gleichgültigkeit und Zweifel und endlich, strenge Critik, vielmehr Beweise einer gründlichen Denkungsart. Unser Zeitalter ist das eigentliche Zeitalter der Critik, der sich alles unterwerfen muß. Religion, durch ihre Heiligkeit, und Gesetzgebung durch ihre Maiestät, wollen sich gemeiniglich derselben entziehen. Aber alsdenn erregen sie gerechten Verdacht wider sich, und können auf unverstellte Achtung nicht Anspruch machen, die die Vernunft nur demienigen bewilligt, was ihre freie und öffentliche Prüfung hat aushalten können.


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