Columbus, wie er ein Ei zerbricht
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Vorliegendes Blatt bildete den Subscriptionsschein zu der Analysis of beauty, und sollte das Schicksal von Hogarth’s Idee über Schönheit erläutern. Der Künstler, welcher sich auf dies Werk nicht wenig einbildete, wollte nämlich durch Darstellung einer bekannten Anecdote über Columbus andeuten, die Ehre der Entdeckung, in der Wellenlinie liege das Princip der Schönheit, werde ihm nach dem Erscheinen des Buches abgesprochen werden.
Bekanntlich fand der große Entdecker Amerika’s nach seiner Rückkehr zahlreiche Feinde und Neider in Spanien, welche ihm nicht allein die Früchte, sondern sogar die Ehre der Entdeckung zu rauben suchten. Bei einem Gastmahl in Sevilla, wo Columbus seine erste Reise erzählt hatte, ward ihm von der Gesellschaft die Bemerkung gemacht, die Unternehmung, einmal begonnen, sei durchaus leicht gewesen, denn der unbedeutendste Steuermann habe die Existenz eines festen Landes im Westen vermuthen können. Columbus antwortete mit der Aufforderung, ein Ei auf die Spitze zu stellen. Als es hieß, dies sei unmöglich, zerdrückte er ein Ei [646] an der Spitze, stellte dasselbe auf den Tisch, und überließ der Gesellschaft die Erklärung dieses Verfahrens.
In Darstellung dieser Anecdote hat Hogarth bewiesen, daß er die charakteristischen Gesichtszüge von Spaniern eben so gut darstellen konnte, wie die von Briten und Franzosen. Natürlich hatte er in einer Weltstadt, wie London, genug Gelegenheit, Exemplare jener Nation zu erblicken und abzuzeichnen. Nach seiner Art läßt er die Züge ein wenig an die Carikatur streifen; die Wahrheit ist aber leicht zu erkennen. Die eine Gestalt rechts von Columbus, welche versucht hat, ein Ei mit den Fingern festzuhalten, besitzt genug castilianisches Phlegma und Gravität, so daß der Hidalgo sich weder über die Art, wie der Admiral ihn zum Schweigen bringt, besonders ärgert, noch sich auch überhaupt seinen Gleichmuth stören läßt. Der Zweite, etwas lebhafter, dessen Gesichtszüge durch die Brille eine Zuthat von Lächerlichkeit erhalten, trägt offenbar, wie sein Antlitz beweist, jüdisches oder maurisches Blut in seinen Adern, und mag somit ein Andalusier sein. Zwei Andere erkennt man an den runden Gesichtern als Nord-Spanier, vielleicht Gallegos (Gallizier), von den Spaniern wegen angeblicher Dummheit bisweilen geneckt, deren Stempel übrigens in den Zügen des Einen offen darliegt. Endlich verwünscht ein Fünfter hinter Columbus seinen beschränkten Verstand, der die Frage nicht zu lösen vermochte, und bekräftigt ein Valgame Dios! mit einem derben Schlage an die eigene Stirn.
Die Gestalt von Columbus soll nach einigen Auslegern Porträt sein, wäre alsdann aber viel zu jung. Die Züge entsprechen dem Charakter, in so fern die Selbstzufriedenheit kleinlicher Menschen, welche Andere bei kleinlichen Gelegenheiten zum Schweigen gebracht haben, darin nicht erblickt wird; der Entdecker steht zu hoch, um etwas Anderes, als ruhiges Selbstbewußtsein seiner Ueberlegenheit zu offenbaren.
Auf der Schüssel am Tische hat der Künstler eben jene Wellenlinie, welche er als Princip der Schönheit entdeckt haben wollte, neben der verwandten Form des Ovals in zwei Aalen und zwei Eiern dargestellt, und somit die Veranlassung angedeutet, weßhalb er dies Blatt herausgab.