Coimbra in Portugal
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Wenige Länder auf Erden sind von des Schöpfers Hand so gesegnet, wie Portugal, wenige besitzen einen solchen Reichthum von Gegenden, in denen sich die Träume von einem Feenlande verwirklichen. Selten jedoch wohnt das Glück in diesem irdischen Paradiese; Armuth und Faulheit vielmehr, Dummheit und Elend theilen sich in seine Güter. „Ich durchzog,“ schreibt ein glaubwürdiger Berichterstatter, der Portugal im vorigen Sommer besuchte, „die Provinzen Minho-Duero, Tras os Montes, Baira-Alta und Estremadura: ich kam auf diesem Wege mit allen Ständen in Berührung: mit Edelleuten, Geistlichen, Beamten, Kaufleuten, Bauern; überall fand ich nur Unzufriedene, überall hörte ich nur Klagen. Der Anblick der Städte, der Flecken, der Dörfer, der Felder lieferte den Commentar dazu. Verfall, Vernachlässigung und Verwilderung war der allgemeine Charakter. Von der Regierung in Lissabon sprach man weniger mit Ingrimm, als mit Verachtung. Für nichts fand ich allgemeine Anhänglichkeit, als für die alten Institutionen des Landes, für welche die Bevölkerung des ganzen nördlichen Portugals sich morgen wieder erheben würde, wenn sich Gelegenheit dazu böte. In diesem Lande ist an keine Aussöhnung der Parteien, an kein Besserwerden zu denken. Ein neuer Bürgerkrieg, der über kurz oder lang unvermeidlich ist, wird es nur um so rascher dem Zustande völliger Barbarei zuführen, der es verfallen ist.“
Lassen wir den Jeremias, so wahr er auch reden mag, am Wege sitzen, und wandern wir den Hügel hinan, den der Künstler erstieg, welcher dieß Bild der alten Hauptstadt Lusitaniens zeichnete. Prächtiger Anblick! In anderthalbstündiger Entfernung erhebt sich Coimbra’s noble Terrasse aus dem Thale des Mondego, der seinen üppigen Gau in unzähligen Krümmungen durchwindet, und das ganze umliegende Land scheint ein Garten. Diese Stadt der Paläste mit ihren prachtvollen Klöstern, den reichen Kirchen und den romantischen Ueberbleibseln des maurischen Zeitalters macht in der Ferne einen unbeschreiblich grandiosen Eindruck.
Aber auch nur in der Ferne, wie fast alle portugiesischen Städte. Seine Herrlichkeit schrumpft innerhalb der Thore zu einem Gewirre von engen, schmutzigen, winklichen, finstern Gassen zusammen; die ordnungslos über einander geschichteten Häuser lassen keinen Ueberblick zu, selbst ihre Masse kann nicht imponiren. Coimbra, dieser uralte Sitz des weltlichen und kirchlichen Glanzes, dieses berühmte Emporium der Wissenschaften in mittelalterlicher Zeit, das einst 200,000 Einwohner zählte und wo die Wissensdurstigen des Abend- und Morgenlandes [18] in Schaaren zusammenkamen, hat jetzt nur 13,000 Einwohner, und die Frequenz der Universität, obschon sie die einzige des Königreichs und so reich mit Stipendien und Freistellen ausgestattet ist, daß den meisten hiesigen Studierenden der Aufenthalt kaum etwas kostet, ist auf 900 gesunken. Zu des großen Pombal’s Zeit war sie 7000, noch vor 90 Jahren wurde die Aula von 3000 Studiosen besucht! Solche Zahlenverhältnisse reden deutlicher über Portugals Zustand des Einst und Jetzt, als ein ganzes Buch. –