Coblenz und Ehrenbreitstein
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In der Gegend von Coblenz ist gewissermaßen alles auf einem Punkte vereinigt, was auf dem Wege von Mainz dahin den Rheinreisenden entzückte: Fels und Thal, Wald und Reben, Gärten und freundliche Dörfer, eine große lebensreiche Stadt, weitgetrennte Ufer verbindende Brücken, ehrwürdige Trümmer der Vorzeit und riesige Werke der neuesten Baukunst zur kriegerischen Abwehr liegen am Gestade des schönsten Stromes wie hingezaubert da, so daß man alle diese mannigfachen Gegenstände mit einem Blicke übersehen kann. Das Ende der Rheinreise ist zugleich das Paradies für die Reisenden.
Wenn, den Rhein hinabschiffend, man der Mündung der Lahn sich nähert, welche aus einem engen Felsenthale, bei Nieder-Lahnstein, sich in den Rhein ergießt, wendet sich der Strom plötzlich nach Westen und mit einem Male fällt nun der Blick in das weite herrliche Thal, in welchem Coblenz auf einer fast rechtwinklichen, durch die Einmündung der Mosel gebildeten Landecke, malerisch-schön am Ufer sich lagert. Gegenüber am andern Gestade erheben sich auf einem hohen, schroffen Felsen die colossalen Werke der Festung Ehrenbreitstein, an dessen Fuß Thal-Ehrenbreitstein, einer kleinen Stadt ähnlich, sich ebenfalls dicht am Wasser hinzieht. Ueber Coblenz ragen, sanft gewölbt, die casemattirten, stark befestigten Höhen. Vom rechten Ufer aus reicht der vorwärts gerichtete Blick weit in das Moselthal, links schweift er über die lange Schiffbrücke, welche Thal-Ehrenbreitstein mit Coblenz verknüpft; das Rheinthal hinauf und Hügel und Berge der gefälligsten Formen, mit Trümmern zerstörter Klöster und Burgen gekrönt, dienen der wunderschönen Aussicht zum Rahmen.
[24] In unserm trefflich ausgeführten Bilde ist sie mit aller der Treue und Genauigkeit versinnlicht, die auf so kleinem Raum von Griffel und Grabstichel zu erreichen war. Der Standpunkt des Zeichners war, auf der rechten Rheinseite, dem Strome aufwärts zugekehrt, der Fuß des Ehrenbreitsteinfelsens, dicht unter den Kanonen der Festung. Es ist nöthig sich dieß, bei Vergleichung mit obiger Beschreibung, zu vergegenwärtigen.
„Ich konnte mich“ – so schreibt der gemüthvolle Künstler – „bei der Skizzirung dieses Bildes eines seltsamen, unheimlichen Gefühls nicht erwehren; mir war’s, als befände ich mich in einem Zauberkreise, unter dem Einfluß böser Dämonen. – Die Natur war um und um so herrlich und groß, so reich und so gütig – wohin ich das Auge wendete, überall Zeugniß der Vaterliebe des Allmächtigen gegen seine Menschen, die ganze Landschaft gleichsam Gottes Zuruf: Seid glücklich, meine Kinder, und lebt froh und in Frieden! – Und der Menschen Antwort? ich lese sie, Jedermann verständlich, in den Wällen und Brustwehren, den Bastionen und Gräben auf allen Höhen und in allen Thälern ringsum, in den Mauern die über Mauern sich thürmen, in den Zugbrücken über ausgegrabene Abgründe, in den überall glitternden Bajonettspitzen und in den tausend Feuerschlünden, die, Verderben und Tod in den ehernen Leibern bergend, grimme Blicke nach allen Seiten hin werfen, gleichsam als harrten und lauschten sie dem ihren Bann lösenden Worte. Statt froher Gesänge glücklich und friedlich genießender Kinder der paradiesischen Natur schreckte mich das brüllende „Abgelöst!“ das drohende „Werda?“ der Wachen jeden Augenblick, oder das Musketengeprassel exerzierender buntfarbiger Automaten, die ich im Mauernlabyrinthe bald kommen und gehen, bald erscheinen und bald verschwinden sah. Auf den Vorsprüngen der Felsen, wo den flötenden Hirten suchte und die springende Ziege – begegnete meinem schüchternen Auge nur das Blinken eines behelmten Haupts, dessen mißtrauisch spähender Blick unmöglich mißverstanden werden konnte. Friede! ruft Gott von den herrlichen Höhen; von den finstern Menschenwerken, die sie krönen, antwortet Unfriede! das Echo. – Der unheimlichsten Gefühle voll beschleunigte ich die Vollendung meiner Skizze und eilte fort, erst dann wieder frei aufathmend, als ich mich außer dem Kreise wußte, in dem der wilde Kriegsteufel selbst Hoflager zu halten scheint. Thal-Ehrenbreitstein besuchte ich nicht, zufrieden zu erfahren, daß Metternich da geboren sei. Auch nach Coblenz bin ich nicht gekommen. Unter dem Regimente der Kanonen könnt’ ich auch im Paradiese nicht froh werden, und darum mied ich’s. Doch sagte man mir, daß Coblenz ein recht lebensmunteres Völkchen bewohnt.“
So idyllisch als unser wackrer Zeichner sind nun wohl die wenigsten unserer Leser gestimmt, und darum dürfen wir’s schon wagen, einen Augenblick länger in des „Kriegsteufels Zauberkreise“ zu verweilen.
Coblenz, sonst Residenz des ehemaligen Kurfürsten von Trier, hernach Präfekturort des französischen Departements Rhein und Mosel, jetzt Hauptstadt der preußischen Provinz Niederrhein, ist eine bedeutende Stadt, (sie zählt 16,000 Einwohner in 1100 Häusern), die aber vom Flusse aus noch viel größer erscheint, als sie wirklich ist, weil [25] sie lang und schmal auf der Erdzunge sich hindehnt, an deren Spitze der Rhein und die Mosel zusammenströmen. Die Straßen von Coblenz sind größtentheils eng und haben hohe Häuser; doch giebt es einige mit Lindenbäumen besetzte recht freundliche Märkte, eingefaßt mit stattlichen Gebäuden. Die vorzüglichsten der Stadt sind: Die alte Castorkirche von sehr edler Bauart und das geschmackvoll aufgeführte sonstige kurfürstliche Residenzschloß am Ende der Stadt, aufwärts am Rhein, dicht an seinem Ufer. Sehr merkwürdig ist die 1000 Fuß lange Moselbrücke, ein Werk grauer Vorzeit. Ein weiter, dichter Kranz von Gärten, zu deren Anlagen die nahen wunderschönen Umgebungen der Stadt hier mehr als irgendwo einladen, ist ein Zeichen, das auf Frohsinnigkeit einer Bevölkerung deutet; es trügt selten, auch hier nicht. Sie sind ein gar leichtes, heiteres, lebenslustiges, frohgenießendes Völkchen die Coblenzer, auf derem Charaktergepräge die zwanzigjährige Herrschaft der Nachbarn nicht ohne Einfluß bleiben konnte. –
Dem Reisenden rathen wir, die Hügel um die Stadt, namentlich die mit den Cidatellen Franz und Alexander überbauten Anhöhen nicht unbesucht zu lassen, da man von jeder derselben eigenthümliche, wunderschöne Aussichten in der angenehmsten Abwechselung genießt. Zugleich mit Ehrenbreitenstein und einer Kette verschanzter Höhen auf beiden Gestaden beider Ströme bilden jene Forts den stärksten Waffenplatz auf der Erde – groß genug, um ein Heer von 150,000 Mann unangreifbar zu schützen. Es ist das westliche Thor zur preußischen Monarchie; und ein gut verwahrtes ist’s – wenigstens von außen.