Christliche Symbolik/Versuchung in der Wüste

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Versuchung in der Wüste.

Jesus bereitete sich auf sein Lehramt durch Einsamkeit und Fasten in der Wüste vor. Dieses Fasten dauerte nach Matth. 4, 2. vierzig Tage und vierzig Nächte. Man hat dies in Parallele gesetzt mit den vierzig Jahren, welche die Israeliten in der Wüste zubrachten, ehe sie in das gelobte Land kamen.

Nach so langem Fasten hungerte den Gottmenschen und er fühlte tief den Mangel der menschlichen Natur. Dies benutzte Satan, ihn zu versuchen. Er nahte ihm mit einem grossen Stein und sprach höhnisch: „Bist du Gottes Sohn, so brauchst du ja nur diesen Stein in Brodt zu verwandeln, um deinen Hunger zu stillen.“ Da erwiderte der Heiland: „Der Mensch lebt nicht vom Brodt allein, sondern von Gottes [520] Wort.“ Sofern nun Jesus sich durch das Leiden der irdischen Natur nicht ungeduldig machen liess, versuchte ihn Satan auf andere Weise. Wenn du Gottes Sohn bist, gab er ihm zu verstehen, so kannst du dich auch an seiner Statt im Allerheiligsten des Tempels offenbaren und dich von den Engeln bedienen lassen. Um ihm dies recht nahe zu legen, führte er ihn auf die Zinne des Tempels von Jerusalem. Aber Jesus wollte nicht wie Lucifer sich an Gottes Stelle setzen und erwiderte: „Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen.“ Da führte ihn Satan auf einen hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit, und wollte sie ihm geben, wenn er niederfiele und ihn, den Teufel, anbete. Das heisst nun, Jesus hätte handeln sollen, wie einst Lucifer als erstgeborner Engel handelte, und die Macht als Sohn Gottes benützen zur Usurpation der Weltherrschaft im Grossen, wobei unter den Reichen der Welt nicht blos irdische, sondern das ganze Universum zu verstehen ist. Jesus aber erwiderte: „Hebe dich von mir, Satan! denn es steht geschrieben: Du sollst Gott allein dienen.“

Der Teufel konnte die Demuth und Entsagung des Gottmenschen nicht begreifen. Sobald also die Leiden desselben begannen, eilte er herbei, ihn zu berücken und ihm vorzustellen, wie es ja nur eines Entschlusses von seiner Seite bedürfe, sich über alle diese irdischen Leiden hinwegzusetzen. Er hoffte sogar, an ihm einen mächtigen Bundesgenossen wider Gott zu erhalten. Dies erscheint so natürlich im Wesen des Teufels begründet, dass man die Sache als Faktum nehmen oder den Teufel überhaupt wegleugnen muss. Die Rationalisten, z. B. Paulus, erklären schlechtweg, Jesus habe sich den ganzen Vorgang blos eingebildet. Olshausen lässt ihn als Faktum, jedoch nur als ein inneres, gelten. Das ist einerlei, wenn nur das Faktum feststeht. Denn allerdings existirt der Berg, von welchem aus Jesus alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit sehen konnte, nicht in der Wirklichkeit, und es bedurfte für ihn auch nur des Gedankens, sich in das Centrum der Weltherrlichkeit zu versetzen. [521] Indem der Satan den Gott im Gottmenschen anrief, handelte es sich von dessen geistigem, hoch über das Irdische erhabenen Wesen, und der Vorgang konnte im Geisterreich vor sich gehen, ohne darum weniger Faktum zu seyn.

Der Vorgang ist von hoher Wichtigkeit für die Lehre von der doppelten Natur Christi. Erst sprach Satan die menschliche Natur in ihrer Schwäche und Bedürftigkeit an, dann die göttliche Natur in ihrer Allmacht, beide nach einander versuchend, sofern ihm beide in ihrer wunderbaren Verbindung eine Seite darboten, wo die Verführung anschlagen zu können schien.

Der Vorgang durfte in der Erlösungsgeschichte auf keine Weise fehlen, sofern sie sich unmittelbar an die Geschichte des Sündenfalls anschliesst. Er ist der Gegensatz gegen die Versuchung der ersten Eltern. Die Menschwerdung bedingt auch wieder die Versuchungsfähigkeit. Es ist undenkbar, dass Satan darauf nicht seinen Plan gebaut haben sollte. Mit Gott selbst konnte er nicht verkehren, aber die Gottheit trat ihm wieder menschlich nahe in Christo. Die Sündenlosigkeit Jesu war nicht blos a priori vorhanden, sie musste sich erst im Leiden und Dulden bewähren, und jene Versuchung des Teufels gehörte dazu wesentlich. Hätte der Teufel sich nicht bemüht, so würde dadurch von vorn herein anerkannt, dass die menschliche Natur Jesu blosser Schein, nicht Wirklichkeit gewesen sey.

Die Versuchung wäre aber einseitig gewesen, wenn sie sich nur an diese menschliche Natur des Erlösers gewendet hätte und nicht auch an die göttliche. Die Führung auf den Berg, um den alle Reiche der Welt sich lagern, hat den tiefsten Sinn und ist noch wichtiger als die Brodtversuchung. Sie ist die eigentliche Folie des heiligsten Mysteriums von der Menschwerdung. Wie im ersten Act der Versuchung Christus dem Adam entgegensteht, so im zweiten dem Lucifer selbst. Hätte Lucifer als Gottsohn gehandelt, wie Christus, so wäre die Menschwerdung nicht nothwendig geworden. Da er nicht so handelte, musste Christus kommen. Ihre [522] beiderseitige Begegnung und ihr Streit um die Handlungsweise im gleichen Fall ist daher ein unumgänglicher Bestandtheil der heiligen Geschichte, in der Entwicklung der himmlischen Hierarchie, im Mysterium der Dreieinigkeit nothwendig begründet. — Uebrigens wird die Versuchung durch den Satan im Anfang der Lehrwirksamkeit des Heilands ergänzt durch die Angst auf dem Oelberg am Ende derselben. Dort war es die Lockung, sich der schweren irdischen Mission ganz zu überheben, hier die natürliche Menschenfurcht, durch die der Heiland versucht wurde.

Die Neapolitaner haben an die Versuchung eine artige Legende geknüpft. Der Teufel, sagen sie, habe den Herrn auf den Vesuv geführt und ihm das reizende Ufer umher als den schönsten Theil der Erde gezeigt. Da habe Christus aber geweint, weil er vorausgesehen, dass dieses irdische Paradies einst von den schlechtesten Menschen werde bewohnt werden. Aus seinen Thränen aber seyen die Reben gewachsen, von denen der köstliche Wein, noch jetzt Christi Thränen (lacrymae Christi) genannt, erwachsen. Mayer, Neapel II. 297.

Die Versuchung wurde oft gemalt, vorzugsweise die mit dem Steine. Seltsamerweise haben die Maler den Teufel immer in seiner abscheulichen Gestalt darstellen zu müssen geglaubt, obgleich es weit natürlicher erscheint, dass derselbe eine edlere Gestalt gewählt hat. Wie hätte er sich mit Hörnern und Bocksfüssen mögen anbeten lassen wollen? Wie hätte er sich der Herrschaft über alle Reiche der Welt gerühmt, wenn er in der Knechtsgestalt schwarzer Verworfenheit erschienen wäre? Indess wird die Sache um nichts gebessert, wenn Domenichino den Teufel als schlauen Rabbiner malt, oder Lucas Cranach als Greis mit grossem Bart. Lucifer als Geisterfürst in seiner Macht und Herrlichkeit und doch zugleich Verderbniss ist immer schwer zu malen, gewiss am schwersten aber gegenüber dem Gottmenschen. Auf alten Bildern kommen drei Teufel vor, wodurch die dreifache Art der Versuchung selber bezeichnet werden soll. Didron, man. [523] p. 166. — Wie dem Heiland in der Wüste, nachdem ihn die Teufel verlassen, Engel dienen, wurde öfter und mit leichterer Mühe gemalt, aber auch hier gab es Naivetäten. So tischen die Engel auf einem Bild im Jesuitencollegium zu Augsburg dem Heiland eine Last von Schüsseln voll Speise, Obst, Confituren nebst Wein auf (Blainville, Reise I. 305.), was jedenfalls zu materiell ist.

Vorausverkündet wurde die Versuchung in Psalm 72, 9: „Vor ihm werden sich neigen die in der Wüste und seine Feinde werden Staub lecken.“ Alttestamentalische Vorbilder der Versuchung aber sind in der biblia pauperum: 1) Eva’s Versuchung durch die Schlange; 2) die Verkaufung der Erstgeburt durch Esau. Jacobs und Ukert, Beiträge I. 87.