Christliche Symbolik/Lamm
Sinnbild des Heilandes als das stumme Opferlamm, Jesaias 53, 7. Als das Lamm, das der Welt Sünde trägt. Joh. 1, 29. Offenb. Joh. 5, 6. Christus opferte sich für die Menschheit und verglich bei der Einsetzung des heiligen Abendmahls seinen Leib und sein Blut mit dem des Osterlammes, welches vorher zu derselben Osterzeit die Juden zu schlachten und zu essen pflegten. Vgl. 1. Kor. 5, 7. 1. Petri 1, 19. Ueber dieses Osterlamm der Juden kann man vergleichen, was Bochart (hier. I. 551.) darüber zusammengetragen hat. Das Osterlamm der Juden hat eine symbolische Beziehung zu dem Widderzeichen am Himmel um die Tag- und Nachtgleiche des Frühlings und stimmt mit Lammopfern überein, die auch die Heiden darbrachten. Gleichwohl ist Sinn und Bedeutung des christlichen Lammsymbols himmelweit verschieden vom jüdischen und heidnischen. In Griechenland werden noch jetzt zu Ostern Lämmer gegessen. Ausland 1841. Nr. 9. Die förmliche Anbetung des Lammes wurde als eine zu heidnische und zweideutige Sitte im 7ten Jahrhundert von der Kirche untersagt. Augusti, Denkw. XII. 364.
In der Offenbarung Johannis 21, 23. wird Christus als Lamm zugleich identificirt mit dem reinsten Lichtquell, mit der Sonne der Geisterwelt; denn es heisst hier vom neuen Jerusalem, daselbst werde keine Sonne mehr scheinen, sondern der Seligen Leuchte werde allein das Lamm seyn.
[6] Sofern das Lamm in der Offenbarung Johannis 5, 6. am Weltende als der höchste Weltrichter thront, trägt es sieben Hörner, welches sind sieben Geister Gottes. Das ist in christlicher Anwendung das himmlische Widderzeichen, welches nach dem langen Winter des Erdenlebens endlich den ewigen Frühling bringt. Die männliche Natur und die Hörner (Sinnbild der Stärke) kommen dem allmächtigen Richter über die Lebendigen und Todten zu. Dennoch ist der gewaltige Widder immer nur das sanfte Opferlamm, und der Grundgedanke bleibt, dass der Richter zugleich das Opfer und als Opfer der Erlöser ist. Das Lamm öffnet das Buch der sieben Siegel und wird vom ganzen Himmel angebetet. Das grossartigste Bild dieser Anbetung des Lammes durch die himmlischen Heerschaaren und Chöre der Heiligen ist das auf dem berühmten Genter Altar. In der Jesuitenkirche zu Rom befindet sich ein Bild, auf welchem nicht nur der Himmel, sondern auch die Hölle an dieser Anbetung Theil nimmt. Das Lamm nur von Engeln allein angebetet, malte Coyper. Vier Engel um das Lamm auf einem alten Schnitzwerk in St. Gallen, Didron, icon. p. 330.
Widder und Lamm tragen, wenn sie den Heiland bedeuten, immer den Kreuznimbus , der nur den drei Personen der Dreieinigkeit zukommt. Didron, man. 46. man. 245. Zuweilen trägt das Lamm (statt der Widderhörner) auf dem Kopfe ein Kreuz. Aringhi, Roma sott. I. 295. 425. Bosio, p. 335. Oder die heilige Namenschiffre Christi , das. I. 293.
Mit dem rechten Vorderfusse pflegt das Lamm Gottes einen langen Kreuzstab zu tragen, Aringhi II. 295. Didron, icon. 46. Twining, symb. pl. 9. Noch öfter hängt an diesem Stabe eine Fahne, das ist dieselbe Siegesfahne, die Christus in den Auferstehungsbildern zu tragen pflegt. Twining, pl. 10. Didron, ic. 332. Ausnahmsweise trägt der Widder einen Krummstab (Hirtenstab), Aringhi I. 557.
Oefters steht das Lamm Gottes auf einem Felsen, aus [7] dem vier Flüsse strömen (die vier Evangelien). Didron, ic. p. 68. 327. 333. Bosio, Roma sott. 63.
Das Lamm hat einen Kelch vor sich, Twining, pl. 10. Auf neuern Bildern fliesst oft aus einer Brustwunde des Lammes Blut in den Kelch.
Das Lamm und ein Löwe halten einen Altar. Twining, pl. 12. Der Löwe ist ein Sinnbild des Heilandes, wie das Lamm, und bedeutet die Allmacht, wie jenes die göttliche Liebe; doch kommt in einer Hymne des Prudentius bei Fortlage, christl. Gesänge 34., das Lamm auch als Ueberwinder des reissenden Löwen (der Welt) vor.
In einem Lorbeerkranze steht das Lamm (als ein Zeichen des Sieges). Twining, pl. 9.
Auf den ältesten christlichen Grabdenkmalen der Katakomben steht öfters das Lamm Gottes unter zwölf andern Lämmern (den Aposteln). Aringhi I. 307. Twining, pl. 53. Auch einmal nur unter sechs Lämmern, Bosio 63. Der Hirt unter den zwölf Lämmern, Didron, ic. 335. Twining, pl. 53. Die zwölf Lämmer allein mit verschiedenen Symbolen, Aringhi I. 277.
Weil nach Joh. 1, 29. 36. Johannes der Täufer auf Jesum hinwies: „Siehe, das ist das Lamm Gottes!“ wird er sehr oft mit dem Lamme zugleich abgebildet. Das Lamm muss dann immer durch Nimbus oder Kreuz und Fahne als das göttliche erkennbar seyn. Die neueren Bilder, auf denen das Kind Johannes nur mit einem gewöhnlichen Lamme spielt, lassen die Bedeutung des letzteren in Zweifel. Noch weniger sind die modernen Nebeneinanderstellungen des Christkindes mit einem Lamme, mit dem es spielt oder auf dem es reitet, zu rechtfertigen. In der alten Kirchenmalerei wurde das Lamm nie neben Christus gestellt, sondern man findet entweder das Lamm oder den Gottmenschen allein. Zu der modernen Spielerei gehören auch viele Herrnhuterlieder, in denen die Liebe zum Lamm allzu kindisch wird.
Als Spielerei darf auch eine alte Sculptur des 4ten Jahrhunderts angesehen werden, in welcher Scenen aus dem alten [8] Testament durch lauter Lämmer gespielt werden. Moses als Lamm öffnet den Felsen, empfängt das Gesetz etc.; Christus als Lamm wird von Johannes, der auch ein Lamm ist, getauft etc. Didron, ic. 337. Sinniger ist, was die heilige Hildegard auf die scholastische Frage: von welchem Thier die Felle waren, die Gott den ersten Menschen als Kleider gab? antwortete. „Vom Lamm,“ erwiederte sie, „das sich zuerst opferte.“ Nieremberg, hist. nat. 66.
Alle Gerechtfertigten und Seligen werden als Lämmer oder Schafe bezeichnet und ausdrücklich von den Böcken, als den Bösen und Verdammten, unterschieden. Matth. 25, 32. Auch herrschte der Glaube, der Teufel könne die Gestalten aller Thiere annehmen, nur nicht die des Lammes. Majoli, dier. canic. 1691. p. 406. — Deshalb schreibt die Legende auch den natürlichen Lämmern eine gewisse Pietät zu. Das Bisthum Lavant wurde da gegründet, wo Schafe im Walde ein Muttergottesbild gefunden und andächtig umkniet hatten. Staffler, Tirol II. 461. Der heilige Franciscus hatte ein Lamm um sich, das immer vor der Hostie niederfiel. Der heilige Sentius bewirkte, dass der Wolf das Lamm, das er schon im Rachen hatte, friedlich zu ihm brachte. Acta SS. 25. Mai.
Ein Lamm ist Attribut der heiligen Hirtin Genoveva. Ein Lamm auch der heiligen Agnes (s. diesen Artikel).
Das Lamm bildet einen sinnbildlichen Gegensatz zum Schwein. Während es gewürdigt wurde, Sinnbild Gottes selbst zu werden, ist das Schwein dasjenige Thier, in welches der Teufel am liebsten fährt. Dem entspricht auch der alte Volksglaube, der noch jetzt überall herrscht, dass es etwas Gutes bedeute, wenn man Schafen begegne, etwas Böses aber, wenn Schweinen.