Christabend in einer Wiener Wärmstube
[839] Christabend in einer Wiener Wärmstube. (Mit Illustration S. 828 und 829.) Ein Schimmer des strahlenden Kerzenglanzes der Christbäume dringt am Feste der Liebe auch in die dunkelsten und verlorensten Winkel der Armuth und des Elends, und auch in den Wärmstuben der Weltstadt, den Sammelplätzen jener Aermsten der Armen, denen es an einem Obdach fehlt, oder die nicht die Mittel haben, ihre eigene elende Wohnung zu heizen, bereiten am heiligen Abend Edelmuth und Theilnahme einen Augenblick der Freude. Vom Glück Begünstigte begeben sich unter die Männer und Frauen, die Greise und Kinder, welche verschuldetes oder unverschuldetes Unglück in Noth und Elend geführt hat, und mehr als die mitgebrachten Gaben erfreuen oft die freundlichen überzeugenden Worte der Theilnahme. Die Mehrzahl der Unglücklichen bilden brotlose Arbeiter, stellenlose Dienstboten, beklagenswerthe Witwen und Waisen, seltener sucht der Strolch oder der Verbrecher die Wärmstube auf, in der er sich unter den scharfen Augen des Wachmannes nicht behaglich fühlt. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend sind die Wärmstuben geöffnet, Brot und Speisemarken für die Volksküche werden vertheilt, Karten für die Asylhäuser verabreicht. So geht es den ganzen langen Winter – immer ist das Bild des Jammers das gleiche, gemildert nur am Weihnachtsabend!