Textdaten
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Autor: Z.
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Titel: Chinesen in Steyer
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aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 544
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[544] Chinesen in Steyer. Wer hat nicht schon von der Werndl’schen Waffenfabrik in der so freundllch gelegenen oberösterreichischen Stadt Steyer gehört? Als ein schlichter Waffenschmied, der sich selbst heraufgebildet, hat Werndl dort im Laufe der Jahre eine Industriewerkstätte geschaffen, die heut in ihrem speciellen Arbeitszweige eben so eigen- wie großartig dasteht. Im Anfange der siebenziger Jahre machte der strebsame Fabrikant seine zusammengelegten Werte zum Besitzthum einer gegenwärtig noch blühenden Actiengesellschaft. Wie Krupp in Essen die vollkommenste Kanone in alle Welttheile führte, so ist der Name Werndl wohl für immer mit der Hinterladerbüchse, dem Universalgeschoß der Einzelbewaffnung, verknüpft. Es wird im Bereiche der Civilisation jetzt wohl kaum ein Heer geben, das nicht wenigstens versuchsweise einen Theil seines Schußwaffenbedarfs aus dieser Fabrik entlehnt hätte.

Ganz außerordentlich bezeichnend für die Verhältnisse der Gegenwart ist es, daß in den letzten Jahren argen und weitgreifenden Darniederliegens von Handel und Gewerbe einzig und allein die Fabrikation von Producten für Kriegsmaterial einen in hohem Grade schwungvollen Betrieb entfalten und einen erheblichen Gewinn abwerfen konnte. Nach allen Seiten hin, auf allen Märkten und allen Gebieten friedlicher Arbeit schwere Verluste, Mangel an Absatz, beispiellose Stockung des Bedarfs und der Nachfrage. Die Fabriken Werndl’s aber sahen sich von dieser allgemeinen Krisis nicht berührt; ihre Thätigkeit steigerte sich vielmehr über alles Erwarten, und bei dem Sinken aller andern Wertheffecten behaupteten die sogenannten Werndl-Actien auf der Wiener Börse ein Aufgeld von sechszig und mehr Procent. Aus allen Himmelsgegenden gelangen ununterbrochen kolossale Hinterladeraufträge nach Steyer. Die Regierungen Deutschlands, Oesterreichs, Frankreichs und neuerdings auch Schwedens bezogen von dorther die Schußwaffen für ihre Armee, und um diesem Verlangen zu genügen, fand ein Heer von sieben- bis achttausend geschulten Arbeitern ununterbrochene Arbeit in den betreffenden Fabriken. Das deutsche Reich führte nach Beendigung des französischen Krieges eine vollständige Neu-Armirung in Betreff der Schußwaffen ein und bezog seinen Bedarf an Mauser-Gewehren ausschließlich von Werndl in Steyer.

Erst in der letzten Zeit erfolgte ein Nachlassen der Aufträge und eine Reduction der Arbeitskräfte. Da kommt plötzlich eine überraschende Nachricht aus – China! Die dortige Regierung sei mit der österreichischen Waffenfabrikgesellschaft in Unterhandlungen getreten, denen der Abschluß auf Lieferung von zwei Millionen Hinterladergewehren neuesten Systems, zum Durchschnittspreise von zwanzig Gulden pro Stück, sofort folgen würde. Eine Militär-Commission, bestehend aus einem Feldmarschall, einem General, einem Oberst, einem Major, Hauptleuten und subalternen Officieren, wird in dem oberösterreichischen Städtchen Einzug halten, um Verträge abzuschließen, die gefertigten Schußwaffen zu prüfen, zu übernehmen und in die ferne Heimath zu senden.

Und weil ein Geschäft einen Auftrag in dem Umfange von zwei Millionen Stück Feuerwaffen in kurzem Termine nicht erledigen kann, werden jene chinesischen Militärs sich vor der Hand in Steyer häuslich einzurichten haben. Welch ein interessantes Culturbild moderner Verkehrsbewegung! An den Ufern der Enns eine Colonie chinesischer Gentlemen, in den Händen der bezopften morgenländischen Gestalten eines der raffinirtesten Producte moderner Civilisation und Technik – der Hinterlader! Der Vorgang giebt aber zugleich einen bedeutsamen politischen Wink. Man sieht, es ist den Chinesen Ernst mit ihren Vorbereitungen zum Widerstande gegen Rußland. Wie sie bereits die Forts ihrer wichtigsten Seehäfen mit Krupp’schen Geschützen armirten, soll die Kunst Werndl’s in Steyer nun auch ihre Landarmee zeitgemäß ausrüsten wider einen etwaigen Angriff des russischen Kolosses.

Z.