China und Japan in Deutschland

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Titel: China und Japan in Deutschland
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 759–762
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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China und Japan in Deutschland.


Was früher in Jahrhunderten und Jahrtausenden nicht erreicht wurde, nämlich eine feste und dauernde Handelsverbindung aller, auch der am entferntesten von einander wohnenden industriellen Völker der Erde, das hat die Erfindung der Dampfschiffe in wenigen Jahrzehnten leicht zu Stande gebracht. Es giebt wohl heutzutage kaum einen Handelsplatz, an welchem nicht unaufhaltsam aus allen Zonen und Ländern die Schätze des Industriefleißes zusammenströmen, und es sind nicht mehr die Haupthafenplätze allein, in denen sich diese Fülle solcher Waaren aufhäuft, nein, die immer mehr anwachsende Zahl der Schienenverbindungen hat vor Allem die Hauptstädte zu den Mittelpunkten des internationalen Handelsverkehrs gemacht.

In dieser Beziehung ist wohl bei wenigen Städten die von Tag zu Tag wachsende Bedeutung als Haupthandelsplatz so sehr in die Augen fallend, wie bei Berlin, welches sicher nach vielen Seiten hin gegenwärtig als Haupthandelsplatz des deutschen Reiches gelten kann. Oft bis in die entgegengesetztesten Gebiete hinein kann die Wahrheit dieses Satzes bewiesen werden. Was giebt es beispielsweise Entgegengesetzteres, Unvermittelteres, als die Hauptstadt des neuen deutschen Reiches und – China und Japan? Und dennoch, obgleich beide durch unendliche Länder- und Wasserstrecken von einander getrennt sind, ist Berlin der Hauptstapelplatz japanesischer und chinesischer Industrie- und Kunstwaaren, nicht nur für ganz Deutschland, sondern auch für Oesterreich, Dänemark, Schweden, ja sogar für einen großen Theil von Rußland.

Freilich soll damit nicht behauptet werden, daß etwa über Hamburg oder irgend einen andern Hafenplatz nicht auch dergleichen Waaren ihren Eingang in das deutsche Reich fänden, [760] aber eine so große und ausgedehnte Ausstellung von japanesischen und chinesischen Waaren, wie in Berlin von der Firma Rex u. Comp. (in der Jägerstraße Nr. 50) dauernd unterhalten wird, dürfte auf dem ganzen Continente nicht mehr vorhanden sein. Der „Preußische Staatsanzeiger“ hat bereits früher auf diesen Bazar hingewiesen. Da aber die genannte Zeitung einen sehr kleinen Leserkreis hat, so glauben wir eine Pflicht gegen Handel und Industrie zu erfüllen, wenn wir in diesem Volksblatte den Gegenstand noch einmal eingehender berühren. Es ist sehr lehrreich, einen Gang durch die hier mit allen den Tausenden von Artikeln aus jenen großen Reichen angefüllten Lagerräume zu unternehmen; wir können uns dabei über die eigenthümliche Kunstrichtung und die oft bizarren Formen der Industrieerzeugnisse beider Länder ein deutliches Bild verschaffen.

In erster Linie brilliren China und Japan in der Herstellung eines noch von keiner Nation bisher auch nur annähernd erreichten Lackes, welcher auf Drechsler- und Tischlerarbeiten jeder Art, wie Dosen, Schalen, Theebretter, Theekasten etc. etc. mit bewunderungswürdiger Kunst aufgetragen ist und eine so unverwüstliche Dauerhaftigkeit besitzt, daß man getrost den stärksten Spiritus darauf gießen kann, ohne die feine Politur auch nur im Geringsten zu gefährden. Es gehört viel dazu, um den Lack in vollendetster Form und so fest auf die Holzfläche zu bringen, daß das Ganze wie aus einem Gusse erscheint; wenn wir einen solchen Gegenstand in die Hand nehmen, ahnen wir nicht, daß die ursprüngliche Fläche wohl gegen neunmal theils mit Thonmasse und Pflanzenpapier, theils wiederholt mit Lack überzogen worden ist, bis sie endlich jenes sich stets gleich bleibende Aussehen erhält, das von allen Witterungseinflüssen, jeder Ausdehnung und Zusammenziehung durch die Temperatur unberührt bleibt. Wir Europäer sind noch nicht in das Geheimniß dieser Lackbereitung eingedrungen, und es wird auch wohl noch manches Jahr vergehen, bis wir solche Waaren in gleicher Güte herzustellen im Stande sind. Man weiß eben in jenen asiatischen Ländern die Geschäftsgeheimnisse, welche sich vom Vater auf den Sohn durch viele Generationen vererben, sehr streng zu bewahren, und es giebt noch viele Fabrikationsarten daselbst, denen wir bei all unserer Kunst noch nicht haben auf die Spur kommen können. Es ist uns z. B. die Bearbeitung jenes Bronzemetalls, aus dem die Chinesen ihre Musikbecken, sowie ihre weithin tönenden Tamtams oder Gongs verfertigen, noch gänzlich unbekannt geblieben, und so oft es auch schon versucht worden ist, den prachtvollen Ton jener Metallplatten nachzuahmen, wir haben dies bis jetzt noch nicht zu Stande gebracht.

Auch jenes unnachahmliche feste Papier, worin die Chinesen und Japanesen nicht nur alle ihre Waaren bei der Versendung auf’s Sauberste einpacken, sondern welches sie auch bekanntlich zur Herstellung von Fächern, Ballons, Laternen, Schirmen, Kleidern und sogar zu Bindfäden und Seilen gebrauchen, ist von uns noch nicht in gleicher Güte dargestellt, und Thatsache ist es, daß das chinesische Lithographiepapier für unsere Lithographen und Kupferdrucker ein höchst werthvolles Material bildet.

Außer diesen Vorzügen, welche durch die Güte der Waaren aus China und Japan gegenüber den unserigen an den Tag treten, giebt es noch eine Anzahl von solchen, welche durch die außerordentliche Billigkeit allgemeines Erstaunen erregen. Da sehen wir beispielsweise Körbe aus dem feinsten durchbrochenen Bambusgeflecht, Arbeitskörbe für Damen, in jeder Wirthschaft praktisch zu gebrauchen und in Garnituren von vier verschiedenen Größen zusammengestellt. Solche Garnitur würde für unsere europäische Lohnverhältnisse mindestens vier bis sechs Thaler kosten, in einem Lande wie China aber, wo die sehr genügsame arbeitende Bevölkerung fast nur mit Reis ihr Leben fristet und die ganze Unterhaltung für eine Arbeitskraft nur wenige Groschen täglich beträgt, werden diese Körbe so außerordentlich billig hergestellt, daß sie selbst nach der weiten Seereise und unter Zuschlag des Verdienstes für kaum den vierten Theil der obigen Summe verkauft werden. Nehmen wir eine andere Art von Gegenständen: die Elfenbeinschnitzereien aus China und Japan! Wenn wir hier und da in einem Kunstmuseum prachtvoll geschnitzte Elfenbeinbecher mit Ornamenten und Figuren, Kasten, Fächer mit durchbrochener Arbeit bewundern, so schätzen wir gewöhnlich den Werth dieser Sachen nach der großen Arbeitszeit und Geschicklichkeit, die wir darauf verwendet sehen, sehr hoch.

Wie aber sind wir erstaunt, wenn wir als Preis etwa für ein fein geschnitztes Schachspiel von zweiunddreißig Figuren eine Summe nennen hören, welche ein europäischer Künstler für die Anfertigung einer einzigen Hauptfigur beanspruchen würde und müßte! Es ist geradezu unglaublich, zu welch billigen Preisen diese Handschuhkästen und Bilderrahmen, Serviettenringe und Visitenkartenschalen, Pyramiden und Becher hergestellt werden. Gleichfalls zu den hervorragenden und durch hohe Schönheit in Form und Ausführung sich auszeichnenden Gegenständen gehören die japanesischen und chinesischen Bronzewaaren; wir finden hier neben den gediegensten Ornamenten und Vasen bis zu dreißig Zoll Höhe auch manche ebenso praktische wie interessante kleine Gegenstände vertreten; so z. B. Leuchter, Blumenhalter, Schildkröten und Figuren als Briefbeschwerer, Elephanten, Hirsche, Fische, Vögel etc. mit Reiter – sämmtlich als Räuchergefäße dienend; ebenso verdienen die mit Silber ausgelegten Bronzen (niello) besondere Beachtung, und finden wir in diesem Genre höchst werthvolle Objecte, aus dem früheren Besitze reicher Daïmios (Junker) herstammend.

Eine beiden Ländern, China und Japan, eigenthümliche Art von Kunstarbeiten sind die eingelegten Kupfersachen, die sogenannten Cloisonnés. Welch unermüdliche Arbeit gehört nicht dazu, einen aus Kupfer getriebenen Gegenstand, eine Schale, Vase, Urne, Schüssel oder Thierfigur mit einer großen Anzahl von feinen gelben Drähten, die in Kreisen, Ovalen, Vierecken, Schlangenlinien etc. darauf gelöthet werden, zu schmücken, alsdann auf das Kupfer und in die wie gelbe Grenzlinien glänzenden Drahtfiguren die Emailmasse je nach der Wahl der dazu bestimmten Farben einzufügen, das Ganze zu brennen und hernach zu schleifen und zu poliren! In diesen Cloisonnés verdient Japan den Vorzug, denn in diesem Lande kennt man das selbst für China noch undurchdringliche Geheimniß, die Masse, statt sie aufzulöthen, durch einen gewissen Pflanzensaft so fest auf den Kupfergrund zu kleben, daß alle nachherigen Arbeiten den Zusammenhang nicht stören. Man ahmt diese Cloisonnéarbeiten in Europa auch nach, aber ohne die Güte der asiatischen zu erreichen und zu viel theureren Preisen.

Allgemein bekannt sind die chinesischen und japanesischen Porcellane, unter denen an Werth die mächtigen vier bis sechs Fuß hohen bemalten Vasen obenanstehen. Wer die unendlichen Schwierigkeiten kennt, welche das Brennen so großer Porcellanmassen verursacht – in Folge dessen ja auch die Majolika-Industrie, das heißt die Herstellung gebrannter thönerner Gegenstände mit Porcellanglasur, entstanden – dem werden in der Form tadellose chinesische und japanesische Porcellanvasen von der angedeuteten Größe einigen Respect einflößen, um so mehr, als auch hierin unsere europäische Industrie, so vollendet sie auch ist, nicht in der Billigkeit der Preise mit den Asiaten concurriren kann. Kleinere chinesische und japanesische Porcellane, wie Fruchtschalen, Zuckerschalen, werden gewöhnlich erst bei uns mit inländischer Montirung, Bronzefuß und Einfassung versehen, wie wir denn überhaupt bei vielen der echt chinesischen und japanesischen Artikel erst noch eine gewisse Europäisirung vornehmen sehen, welche sie unseren vielfachen gesellschaftlichen Bedürfnissen anpaßt; denn allerdings sind jene Gegenstände in ihrem Vaterlande ursprünglich nicht für alle die hunderterlei Dienste, zu denen wir sie hier bestimmen, angefertigt; es findet deshalb mit ihnen manchmal jene Art der Umwandlung statt, wie wir sie bei den Gegenständen des Hildesheimer Silberfundes so glücklich im Anpassen an unsere Bedürfnisse haben vornehmen sehen. Ja, man ist sogar einen Schritt weiter gegangen. Da es weder möglich ist, die so überaus billigen chinesischen und japanesischen Arbeitskräfte, noch auch die vorzüglichen oben angeführten Eigenschaften vieler von ihren Arbeiten hier in Deutschland einzubürgern, und da manche ihrer bizarren und originellen Formen sich nicht recht für unsere Gebrauchsverhältnisse eigneten, so hat die Berliner Geschäftsthätigkeit durch ihre Vertreter, welche sie an den Haupthandelsplätzen von Japan und China, wie Yokohama, Yeddo, Hiogo, Hongkong, Kanton und Tientsin hält, deutsche Formen und Zeichnungen, deutsche Muster und Modelle einführen lassen, und [761] der Erfolg war ein so glücklicher, daß wir jetzt in japanesischer und chinesischer Originalausführung und Billigkeit Gegenstände jeder Art, Schalen und Büchsen, Dosen, Documentenkasten, Schmuckschränke, Karten-, Boston-, Handschuhkasten etc. erhalten.

So sind auch die deutschen Formen schon theilweise bei dem chinesischen Porcellan eingebürgert, wenngleich sich die urchinesischen Zuschnitte in Schüsseln und Tellern, Tassen und Töpfen immerhin noch in ihrer ganzen originellen Reinheit erhalten haben, und wir leiden in der That keinen Schaden durch diese Verschwisterung heimischen Geistes mit fremdländischer Billigkeit und Vorzüglichkeit; es dient dieser Umstand im Gegentheil dazu, jene Sachen, die sich theilweise schon ein halbes Heimathsrecht bei uns erworben haben, immer mehr und mehr in unseren Kreisen einzubürgern. Von der Dauerhaftigkeit vieler chinesischer und japanesischer Sachen, namentlich der Cloisonnés, Lackwaaren, Kupferwaaren und Porcellane kann man sich beim Anblick der Antiken, die noch aus den Dynastien Taming, Kangtsé und Chienlung stammen, überzeugen. Diese Sachen vor Allem zeigen, daß auf echt chinesische Kunst und Kunstformen ein Zeitraum von etwa einem [762] halben Jahrtausend fast gar keinen Eindruck ausübt, denn dieselbe Originalität des Aeußeren, dieselbe Sauberkeit der Ausführung, dieselbe Form und Größe herrscht sowohl bei diesen werthvollen Antiken, deren Alter übrigens wohlverbürgt ist, wie bei den heutigen Sachen.

Die chinesischen Stoffe, namentlich Nanking und die durch die Mode vor einigen Jahren eingeführten Bastroben sind allbekannt, ebenso wie die chinesischen seidenen Cachenez, Shawls und Taschentücher, weniger bekannt mögen dagegen die grasleinenen, fast durchsichtigen Taschentücher, die in Seide gestickten Fächer und Kaminschirme, sowie die außerordentlich reich gestickten seidenen Tischdecken sein. Aber auch Deutschland und speciell Berlin leistet Hervorragendes auf dem Gebiete der Stickerei, und diese Erzeugnisse werden von den Fremden, als eine Specialität der deutschen Reichshauptstadt, gern in die ferne Heimath mitgenommen; darum wollen wir in dieser Hinsicht den langzöpfigen Söhnen Asiens keinen Vorrang einräumen.

Aber das wollen wir ihnen schließlich denn doch gern noch einmal zugestehen, daß viele von ihren Producten, ihre sämmtlichen lackirten Holzgegenstände, ihre Papier-Erzeugnisse, ihre Porcellane, ihre Elfenbeinschnitzereien bis jetzt an Billigkeit, Güte und Dauerhaftigkeit weder von uns, noch von irgend einer anderen Nation erreicht worden sind und daß, wenn der gute Einfluß, welchen deutscher Geist und deutsche Idee bereits bei manchen ihrer Fabrikate ausgeübt haben, sich so bewährt, wie wir es hoffen, beiden Ländern dadurch dauernd genützt werden wird.

Vorläufig aber wären wir dadurch wieder einmal eine Stufe weiter gelangt zu dem großen Endziele aller Handelsphilosophie: zur gegenseitigen Verschmelzung der nationalen Leistungsfähigkeiten der einzelnen Völker.